Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), spricht bei einer Regierungserklärung zum EU-Gipfel im Bundestag. © picture alliance/dpa | Michael Kappeler Foto: Michael Kappeler

Norddeutsche Industrie setzt wenig Hoffnung in Gespräche mit Scholz

Stand: 29.10.2024 21:24 Uhr

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte für Dienstag zu einem Industriegipfel eingeladen, um mit Verbänden, Unternehmen und Gewerkschaften über Unterstützung zu sprechen. Der Austausch soll im November fortgesetzt werden.

von Katharina Seiler

Nach dem Gipfeltreffen mit Vertretern der Wirtschaft und der Gewerkschaften bekräftigte Scholz sein Ziel, der deutschen Wirtschaft durch einen "Pakt für die Industrie" neuen Schwung zu verleihen. Es gehe darum, mit sehr konkreten Maßnahmen den Standort zu stärken, hieß es in einer Erklärung, die das Kanzleramt Dienstagabend nach den Beratungen herausgab. Das Treffen dauerte laut einem Regierungssprecher drei Stunden, über den Inhalt wurde Vertraulichkeit vereinbart. Am 15. November sollen die Gespräche fortgesetzt werden.

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Andreas Pfannenberg, Vorstandsvorsitzer des Industrieverbands Hamburg, wird deutlich: "Es gibt nichts zu beschönigen. Die Deindustrialisierung ist ein reales Risiko, auch in Hamburg." Die Mitgliedsunternehmen des Industrieverbandes litten immer stärker unter den hohen Energiekosten, unnötiger Bürokratie und langsamen Genehmigungsverfahren. Um Hamburg als größte Industriestadt Deutschlands weiterentwickeln zu können, bräuchte es aus Pfannenbergs Sicht vor allem innerhalb der Regierung abgestimmte Vorschläge und einen gemeinsamen Willen, die Wachstumsschwäche anzugehen. Der Hamburger Industrieverband beurteilt die Erfolgsaussichten des Industriegipfels des Kanzlers zwar skeptisch, sein Dachverband, der Bundesverband der Industrie (BDI), nimmt aber an dem Treffen teil.

Norddeutsche Wirtschaft sieht dringenden Handlungsbedarf

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Nicht eingeladen waren Vertreter der Metall- und Elektroindustrie - unverständlich für den niedersächsischen Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt vermutete im Vorfeld deshalb, dass der Termin vor allem dem aufkommenden Bundestagswahlkampf dienen solle. Dabei sieht auch er, wie der Hamburger Industrieverband, dringenden Handlungsbedarf: "Der Standort Deutschland ist durch hohe Steuern und Abgabenlasten, teure Energie, ausufernde Bürokratie und durch die nicht zuletzt völlig zerstrittene Bundesregierung nur noch bedingt wettbewerbsfähig", sagt Schmidt. Die Industrie benötige endlich den großen Wurf anstatt nicht abgesprochener Vorschläge.

VW-Chef Blume bei Gespräche dabei

Volkswagen-Chef Oliver Blume sollte dagegen am Industriegipfel im Kanzleramt teilnehmen. Das bestätigte ein VW-Sprecher am Montag dem ARD Hauptstadtstudio. Man erhoffe sich konstruktive Beratungen und konkrete Maßnahmen, die die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland fördern, teilte VW mit. Genauso wie bessere Rahmenbedingungen für die E-Mobilität. Laut VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo plant Volkswagen in Deutschland mindestens drei Werke zu schließen. Kanzler Scholz hatte daraufhin den Wolfsburger Autobauer am Montag aufgefordert, Arbeitsplätze zu erhalten. "Mögliche falsche Managemententscheidungen aus der Vergangenheit dürften nicht zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen", so ein Regierungssprecher.

Weil fordert niedrigere Energiepreise

Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte vorab, er hoffe unter anderem auf Entscheidungen, um die Wirtschaft bei den Energiekosten zu entlasten, etwa, indem die Netzentgelte verringert werden. Weil begrüßte deshalb die Initiative des Kanzlers zu dem Gipfel, ebenso wie die Hamburger Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD). Sie findet es gut, dass der Kanzler die Industriepolitik zur Chefsache macht. Denn in Hamburg wisse man, dass die Industrie eine entscheidende Rolle bei der Sicherung von Beschäftigung, Wertschöpfung und dem Außenhandel spiele, so Leonhard.

Wirtschaftswissenschaftler sieht Gefahr der Deindustrialisierung

Auch Professor Martin Gornig vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht politischen Handlungsbedarf. Die hohen Energiepreise sind aus seiner Sicht aber nur ein Teil des Problems. Denn sie seien nur für die energieintensive Industrie ein entscheidender Kostenfaktor. Er fände es wichtiger, dass die Wirtschaft wieder mehr investiert. Gornig spricht von einem "technologischen Patt". Auf der einen Seite hätten Investitionen in fossile Technologien - wie dem Verbrennungsmotor - keine Zukunft mehr. Auf der anderen Seite seien Investitionen in klimafreundliche Technologie noch mit hohen Risiken verbunden. Die Folge: Die Unternehmen hielten sich mit Investitionen zurück. Das könne im schlimmsten Fall zur Deindustrialisierung führen. Für Gornig wären unter anderem weniger Bürokratie und gezielte Förderungen hilfreich.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 29.10.2024 | 10:00 Uhr

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