100.000 Stellen in Gefahr? Autozulieferer-Branche in der Krise
Es ist ein neuer Tiefschlag für die Automobilbranche in Niedersachsen: Der angekündigte Stellenabbau bei Bertrandt in Tappenbeck (Landkreis Gifhorn) scheint symptomatisch für die Lage der Automobilzulieferer zu sein.
Im Moment kämpfen mehrere Autozulieferer mit der schwachen und nicht anspringenden Konjunktur. Continental will 2027 den Standort in Gifhorn schließen. Stiebel Eltron will einspringen und dort Speicher für Wärmepumpen bauen. Doch auch dieses Segment läuft aktuell nicht gut. Am Standort von Stiebel Eltron in Holzminden sollen mehrere Hundert Jobs wegfallen. Und auch Bosch hat Probleme bei der eigenen Zuliefer-Sparte, die unter anderem Systeme für das automatisierte Fahren herstellt. Hier ist der Standort Hildesheim vom Stellenabbau betroffen. Die 150 Automobilzulieferer in Niedersachsen stehen extrem unter Druck.
Arbeitgeberverband spricht von Erdbeben
Für den Arbeitgeberverband Niedersachsenmetall nicht überraschend. Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt sagt: "Es geht ein mittleres Erdbeben durch die Branche." Dieser Trend sei seit geraumer Zeit bemerkbar und treffe nun nicht nur die Produktion, sondern auch die Entwicklung - so wie jetzt bei Bertrandt. Die Menschen seien verunsichert und kauften zu wenige Autos. Viele Unternehmen hätten sich wie Bertrandt mit Kurzarbeit über Wasser gehalten. Aber inzwischen seien die Auftragsbücher leer. Die Folge seien Kündigungen. 100.000 Jobs seien allein in Niedersachsen bei den 150 Zulieferern in Gefahr. Deshalb fordert der Arbeitgeberverband, dass das Verbrennerverbot 2035 zurückgenommen wird. Volker Schmidt erwartet von der Politik Planungssicherheit. Die Verunsicherung der Branche müsse ein Ende haben. "Die Leute sollen Autos kaufen, egal ob Verbrenner, Hybrid oder Elektro."
Gewerkschaft hofft auf Volkswagen
Die Gewerkschaft IG Metall hingegen kann nicht nachvollziehen, was Bertrandt plant. Zwar sieht die Gewerkschaft die Probleme der gesamten Branche. Aber Sebastian Schien von der IG Metall Wolfsburg sagt auch: "Bertrandt nutzt aktuell das Instrument der Kurzarbeit in einigen Bereichen. Dieses Instrument ist noch nicht ausgeschöpft und kann noch bis Mitte nächsten Jahres genutzt werden." Deshalb sieht die IG Metall auch keinen Grund, gerade über Stellenabbau zu sprechen. Außerdem erhofft sich die Gewerkschaft positive Impulse, wenn die Tarifverhandlungen insbesondere bei Volkswagen durch sind. Dann könnte auch die Nachfrage bei Bertrandt wieder anziehen, die im Auftrag von Volkswagen Autoteile entwickeln. "Nach Abschluss der Tarifverhandlungen wird wieder Planungssicherheit herrschen, was auch die Nachfrage nach Entwicklungsdienstleistungen steigern wird", sagt Schien. Bis dahin erwartet er vom Unternehmen "kreative und nachhaltige Lösungen."
Bundesarbeitsminister ist in Gesprächen
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) steht nach eigenen Angaben bereits im engen Austausch mit der IG Metall und den Betriebsräten in Tappenbeck. "Gemeinsam müssen wir sicherstellen, dass der derzeitige Wandel in der Automobilbranche nicht auf Kosten der Beschäftigten geht." Heil, dessen Wahlkreis Gifhorn ist, erwartet vom Unternehmen schnelle Gespräche, um sozialverträgliche Lösungen zu finden. Die SPD-Bundestagsabgeordnete für Gifhorn-Nord und Wolfsburg, Kirsikka Lansmann, sagte, dass auch in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis viele von den Plänen bei Bertrandt betroffen seien. Sie erwartet Lösungen, um "betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern."