Hochwasser in Niedersachsen: Was sind die Folgen?
Über Wochen waren Teile von Niedersachsen überflutet. Viele Kommunen, Menschen und landwirtschaftliche Betriebe waren und sind vom Hochwasser betroffen - ebenso viele Wildtiere. Eine erste Zwischenbilanz.
Der finanzielle Schaden durch Sturmflut und Hochwasser könnte in die Milliarden gehen. So zumindest fällt die vorläufige Bilanz von Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) aus. Ganz genaue Zahlen seien derzeit jedoch noch nicht seriös zu bilanzieren, sagte Meyer am Montag. Kurzfristig jedenfalls will das Land für Hochwassergeschädigte maximal 2.500 Euro Soforthilfe über die Kommunen zu Verfügung stellen.
Während des Hochwassers und danach - Bilder aus Verden
Die Aller in Verden glich wochenlang einem riesigem Strom.
Der normale Flussverlauf ist nicht mehr zu erkennen.
Auch bis in Wohngebiete schwappte das Wasser.
Während des Hochwassers und danach: Bilder aus Hannover
Das Strandleben auf der Fährmannsinsel, an deren Spitze die Flüsse Leine und Ihme zusammenfließen.
Viele Wege entlang der Flüsse waren überflutet.
Die Ihme führte extrem viel Wasser, im Hintergrund das Ihme-Zentrum in Hannover-Linden.
Die Überflutungsflächen standen fast komplett unter Wasser.
Auch Sportplätze standen über viele Tage unter Wasser.
Und viele Kleingärtner, die ihre Parzellen an Ihme und Leine haben, waren und sind ebenfalls vom Hochwasser betroffen.
Manch eine Brücke führte nicht mehr übers Wasser, sondern befand sich mittendrin.
Bekämpfung des Hochwassers in Niedersachsen
Insgesamt waren die Herstellung und Verstärkung von Hochwasserschutzmaßnahmen sowie das Abpumpen der Wassermassen Schwerpunkte bei der Bekämpfung vor Ort. Hierbei kamen vor allem Kräfte der Feuerwehren und des Technischen Hilfswerks zum Einsatz. "Wie in vergleichbar großflächigen Lagen war auch eine breite Unterstützung durch die Bevölkerung festzustellen", sagte Sprecherin Svenja Mischel dem NDR Niedersachsen. Mehr als 100.000 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei, Bundeswehr, THW und anderen Hilfsorganisationen waren demnach geschätzt im Einsatz. "Dazu kommen noch freiwillige Helferinnen und Helfer, die die Einsatzkräfte vor Ort unterstützt haben. Eine genaue Zahlen kann hierzu nicht genannt werden", sagte Mischel. Unterstützt wurde Niedersachsen sowohl durch andere Bundesländer mit Sandsäcken und mobilen Hochwasserschutzsystemen als auch durch Frankreich mit einer EU-Katastrophenschutzeinheit mit einem mobilen Hochwasserschutzsystem.
Zahlen, Daten, Fakten des Innenministeriums zum Hochwasser in Niedersachsen
- 1,4 Millionen Sandsäcke des Landes wurden an Kommunen ausgegeben; weitere 1,5 Millionen Sandsäcke wurden ersatzbeschafft, die Reserve wurde wieder aufgefüllt
- Fast 12 Kilometer Deich (11.780 Meter) mit Unterstützung des Landes aufgebaut, davon
- 7.810 Meter aus anderen Bundesländern
- 1.200 Meter aus Frankreich
- 2.770 Meter aus Landesbeständen
- drei bundesweite Hilfeleistungsersuchen gestellt, 1x Sandsäcke, 2x Mobildeiche, alle bedient worden (aus Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen)
- zehn Hubschrauber der Bundeswehr jederzeit verfügbar gewesen
- Hubschrauber Landespolizei zur Erkundung eingesetzt (Landkreis Celle)
- Hubschrauber Bundespolizei zum Transport Sandsäcke/BigPacks (Landkreis Oldenburg)
- acht Fahrzeuge des Niedersächsischen Landesamtes für Brand- und Katastrophenschutz im Land eingesetzt (drei Unimog, zwei Messleitwagen, zwei Wechselladerfahrzeuge, ein Raupenfahrzeug
- Zusätzliches Raupenfahrzeug über kostenfreie Bereitstellung einer Firma eingesetzt
- Transportlogistik für leere und gefüllte Sandsäcke
Folgen der Überschwemmungen für die Landwirtschaft
Das Hochwasser hat natürlich auch erhebliche Folgen für die Landwirtschaft - gerade im Flächenland Niedersachsen, Deutschlands wichtigstes Agrarland. Nach Aussagen des Landvolks ist fast jeder Landwirt hierzulande von Hochwasser oder Dauerregen betroffen. "Es sind mehrere Hunderttausend Hektar Acker und Grünland überschwemmt", teilt das Landvolk auf Anfrage dem NDR Niedersachsen mit. Hunderte von Hofstellen seien direkt durch Überschwemmungen betroffen. Besonders für Ackerbaubetriebe auf Standorten mit schwereren, ohnehin zu Staunässe neigenden Bodenverhältnissen sei das Hochwasser problematisch. Betroffen seien insbesondere Winterkulturen wie Winterweizen und Wintergerste, teilweise auch Winterraps.
Nicht alle Wildtiere können vor dem Hochwasser fliehen
Viele Wildtiere sind von den Überschwemmungen ebenfalls betroffen. Im Landkreis Verden etwa wurden nach dem Abfließen des Wasser jeden Tag tote Rehe und Hasen gefunden. Viele Rehe hätten im Hochwasser keine sicheren Rückzugsorte finden können, hieß es vonseiten der Jägerschaft. Und dann würden sie immer wieder von Spaziergängerinnen und Spaziergängern mit und ohne Hunde aufgescheucht. In einem Fall flohen die aufgeschreckten Tiere auf einen zugefrorenen Acker, brachen durch das dünne Eis - und verendeten.
Flüsse und Kanäle müssen wieder befahrbar gemacht werden
In vielen Gebieten laufen seit Tagen die Aufräumarbeiten, etwa an und in der Weser. So müssten im Fluss Hindernisse beseitigt und Schäden behoben werden, teilte das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Weser mit Sitz in Hann. Münden mit. Ansonsten könnten beispielsweise umgestürzte Bäume die Schifffahrtsrinne blockieren. Und im Emsland stauten sich auf dem Dortmund-Ems-Kanal zwischenzeitlich etwa 40 Binnenschiffe. Das Hochwasser führte zu verstärkten Sedimenteintreibungen. Auch dies musste beseitigt werden, damit wieder eine ausreichende Wassertiefe zur Verfügung steht.
Das Hochwasser am Beispiel Oldenburg
Viele Kommunen hatten über Wochen gegen das Wasser zu kämpfen. Die Stadt Oldenburg etwa sprach von einer "noch nie da gewesenen Flächenlage". Im Durchschnitt kämpften 152 Einsatzkräfte gegen die Wassermassen, in der Spitze am 4. Januar seien 256 Menschen im Einsatz gewesen, teilte die Stadt kürzlich mit. Rund 95.000 Sandsäcke hätten die Stadt vor dem Hochwasser geschützt. Zwei Gebiete waren besonders betroffen: der Bereich Achterdiek und das Gebiet westlich der Sandkruger Straße. Die Stadt lobte die Hilfsbereitschaft: Etwa 280 Menschen boten über ein Online-Formular der Stadt ihre Hilfe an, spendeten Kaffee, Kuchen und Geld. Das technische Hilfswerk unterstützte mit Einheiten aus Emden, St. Peter Ording und Berlin. Aus Hagen, Hanau, Duisburg, Augsburg und Rostock lieferten Feuerwehren Equipment für einen mobilen Deich.
"Rückbau der mobilen Deiche ein großer Kraftakt"
Die mobilen Deiche zum Hochwasserschutz in Oldenburg sollen Ende Januar abgebaut werden. "Der Rückbau ist nochmals ein großer Kraftakt", meinte Sönke Wendt von der Berufsfeuerwehr Oldenburg. Schließlich seien die Helfer wegen des Hochwassers seit Wochen im Dauereinsatz. Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren, des Technischen Hilfswerks (THW), des Roten Kreuzes (DRK) sowie Mitarbeitende der Berufsfeuerwehr und der Stadt werden an den Arbeiten beteiligt sein, wie es hieß.
Flüsse im Emsland sollen wieder mehr Platz bekommen
Auch im Emsland geht es ans Aufräumen. Nach dem Absinken der Pegelstände werden die Deiche kontrolliert und Schäden bilanziert, wie der Landkreis Emsland mitteilte. Danach sollen nötige Arbeiten zur Instandsetzung und Sicherung der Deiche beginnen. "Die jüngste Hochwasserlage bestärkt den Landkreis zudem in seinem Vorgehen, den Flüssen mehr Raum zu geben, die Auen wieder anzubinden und mehr Überflutungsflächen zu schaffen", so die Sprecherin.