Flüchtlingsgipfel: Wenig Freude, viel Missmut über Beschlüsse
Der Bund hat den Ländern eine Milliarde Euro mehr für die Versorgung von Geflüchteten zugesagt. Über das Geld ist man in den Kommunen zwar froh - es gibt aber auch scharfe Kritik an der Bundesregierung.
Zwar hatte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gesagt, dass die Diskussion mit dem Bund über die Finanzierung nicht zu Ende sei, sondern "sehr vertieft" fortgesetzt werde - aber eben erst bei einem weiteren Treffen im November. Er sei aber zuversichtlich, zu weiteren Ergebnissen zu kommen.
Weil: Ergebnis besser als erhofft
Die Ministerpräsidenten und -präsidentinnen sowie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatten bei ihrem Treffen am Mittwoch in Berlin beschlossen, dass die 16 Länder eine Milliarde Euro zusätzlich für die Versorgung der Flüchtlinge erhalten. Eine Grundsatzentscheidung über dauerhaft höhere Bundesmittel für die Flüchtlingskosten haben die Verhandler auf den Spätherbst vertagt. Weil wertete den Beschluss als besser als das, was er noch vor ein oder zwei Tagen für möglich gehalten habe. "Wir sind uns, Bund und Länder, der gemeinsamen Verantwortung bewusst", sagte er als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK).
Landrätin Kebschull: Geldfrage muss schneller geklärt werden
In den betroffenen Kommunen, die vor allem für die Unterbringung der Geflüchteten zuständig sind, ist man nur zum Teil zufrieden. Die Landkreise Grafschaft Bentheim und Osnabrück etwa begrüßen zwar die Milliarden-Zusage des Bundes. Das Geld könne beim Finanzieren der Flüchtlingsunterkünfte helfen, sagt der zuständige Grafschafter Dezernent Gert Lödden. Die Osnabrücker Landrätin Anna Kebschull (Grüne) betonte aber, dass die Geldfrage langfristig geklärt werden müsse - und zwar nicht erst im November. Es brauche Geld, um Versorgungs-Kapazitäten auch ohne Notlage vorhalten zu können, so Kebschull.
NSGB: Bund lässt die Kommunen im Stich
Der Niedersächsische Städte-- und Gemeindebund (NSGB) ist mit seiner Kritik deutlicher und erklärte den Gipfel gar für "gescheitert". NSGB-Präsident Marco Trips sagte: "Erwartet werden je nach Schätzung 30.000 bis 40.000 Flüchtlinge für Niedersachsen. Das Geld reicht höchstens für die Hälfte. Der Bund lässt die Länder hängen und die Kommunen im Stich."
Städtetags-Präsident Klingebiel: Aufgabe längst nicht gelöst
Auch der Präsident des Niedersächsischen Städtetags (NST), Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU), hält sich mit Kritik nicht zurück und wirft dem Bund vor, die angespannte Lage der Kommunen nicht wahrhaben zu wollen. "Es kann doch nicht sein, dass wir im Halbjahresrhythmus nach Berlin kriechen müssen, um der Bundesregierung die Lage vor Ort zu erklären", sagte Klingebiel. Und weiter: "Nur, weil der hohe Zuwanderungsdruck aus der Ukraine nachgelassen hat und die zu uns geflüchteten Menschen ein Dach, ein Bett und Essen haben, sind die Aufgaben doch nicht gelöst." Die Finanzierung der Unterbringung, Versorgung und Integration müsse dauerhaft geregelt werden.
Regionspräsident Krach: "Kein großer Wurf"
Der Präsident der Region Hannover, Steffen Krach (SPD), sagte: "Was in Berlin beschlossen wurde, ist kein großer Wurf." Es brauche Planungssicherheit, um nachhaltige Strukturen aufbauen zu können. "Der Dauerzustand, dass Kommunen quasi über Nacht Unterbringungsmöglichkeiten oder Integrationskurse schaffen müssen, muss beendet werden." Erforderlich seien feste Strukturen, die die Kommunen entlasten, betonte Krach.
CDU-Chef Lechner: Land muss Geld an Kommunen weiterreichen
Die oppositionelle CDU kritisierte die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels ebenfalls. Für CDU-Landes-Chef Sebastian Lechner ist es ein Fehler, dass die Frage nach einer dauerhaft anderen Systematik der Kostenaufteilung vertagt wurde. "Wer die Kommunen und die Hilferufe der Oberbürgermeister hört, der weiß, dass dort wirklich Not am Mann ist." Er fordert die Landesregierung auf, nun erst einmal das zusätzliche Geld vom Bund in Gänze an die Kommunen weiterzureichen.
Flüchtlingsrat und Pro Asyl enttäuscht und schockiert
Kritik an einem ganz anderen Punkt des Beschlusses vom Mittwoch kommt von Flüchtlingsverbänden. Ein Sprecher des niedersächsischen Flüchtlingsrates nannte den Kompromiss von Bund und Ländern frustrierend und enttäuschend. Vor allem der Plan, Asylverfahren auch an den EU-Grenzen durchzuführen, stößt hier auf Kritik. Der Bund hat den Ländern zudem auch zugesagt, Abschiebe-Verfahren zu beschleunigen. Die Flüchtlingsorganisation "Pro Asyl" nannte die Ergebnisse "schockierend". Dass die zusätzliche Geldsumme vom Bund aber auch für die Digitalisierung der Ausländerbehörden genutzt werden soll, begrüßt der Flüchtlingsrat.
Länder wollen vollständige Kostenübernahme für Unterbringung
Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen wurde am Mittwoch im Kanzleramt bis zum Abend in unterschiedlich besetzen Runden verhandelt. Zwischenzeitlich berieten beide Seiten über die Finanzfrage getrennt voneinander. Ministerpräsident Weil sowie seine Kolleginnen und Kollegen der anderen Bundesländer hatten vor Beginn des Gipfels betont, sie wollten mehr als eine Einmalzahlung. "Aus Sicht der Länder bedarf es eines atmenden Systems, bei dem sich die finanzielle Unterstützung des Bundes an den Zugangszahlen der Geflüchteten orientiert", hieß es dazu in einem Papier. Neben einer monatlichen Pro-Kopf-Pauschale solle darin unter anderem eine vollständige Erstattung der Kosten der Unterkunft enthalten sein. Der Bund verwies seinerseits auf bereits geleistete Beiträge in Milliardenhöhe.