Kriminalität: So sicher fühlen sich die Menschen in Bus und Bahn
Der Messerangriff in Brokstedt Anfang des Jahres hat die Diskussion um die Sicherheit in Bus und Bahn neu entfacht. Daten der #NDRfragt-Community zeigen, wie sicher sich die Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln fühlen.
Die mediale Aufmerksamkeit, aber auch die Betroffenheit und Anteilnahme der Bevölkerung waren groß, als im Januar 2023 ein Mann in einem Regionalzug in Schleswig-Holstein zwei Menschen mit einem Messer tödlich verletzte. Wie sicher fühlen sich die Menschen im Norden heute, gut ein halbes Jahr nach dem schrecklichen Ereignis, in Bus und Bahn?
Gut 15.000 Menschen aus Norddeutschland haben an einer nicht repräsentativen, aber gewichteten Umfrage unter der #NDRfragt-Community zum Thema teilgenommen. Das Ergebnis: Nur etwa 13 Prozent der Befragten gaben an, sich unsicher in Bus und Bahn zu fühlen. Eine Mehrheit von 58 Prozent der Befragten fühlt sich hingegen sicher. Allerdings: Fast ein Viertel fühlt sich teils sicher, teils unsicher. Das Sicherheitsgefühl hängt also für einige von der Situation ab. Außerdem empfinden die Menschen aus der #NDRfragt-Community die Lage in den norddeutschen Regionen durchaus unterschiedlich.
Es lassen sich deutliche Unterschiede erkennen, auch wenn die Teilnahme-Quoten in den Landkreisen unterschiedlich hoch sind. So fühlen sich nur knapp sieben Prozent der Befragten im Landkreis Gifhorn unsicher in Bus und Bahn, während sich in den Landkreisen Osterholz, Leer und Stade über 20 Prozent nicht sicher fühlen. Der Kreis Steinburg, in dem sich die Messerattacke von Brokstedt ereignete, liegt nur leicht über dem norddeutschen Schnitt. Doch das Ereignis ist den Menschen in der #NDRfragt-Community auch über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus nach wie vor präsent.
"Ich habe Angst vor zum Beispiel Messerstechereien (wie zuletzt in Schleswig-Holstein mit zwei Toten). In einer geschlossenen Bahn kann man nicht flüchten und ist solchen Leuten hilflos ausgeliefert." Daniela (42) aus Niedersachsen
Eine deutschlandweite Auswertung der Bundespolizei zu Messerattacken in Zügen und Bahnhöfen zeigt, dass die Anzahl der Gewaltdelikte, bei denen ein Messer mitgeführt oder gegen Menschen eingesetzt wurde, im Jahr 2022 tatsächlich deutlich höher war als in den Vorjahren. Dabei ist allerdings zu beachten: In den Pandemiejahren seit 2020 waren die Fahrgastzahlen deutlich niedriger. Dass die Zahl der Vorfälle hier ebenfalls niedriger war, überrascht also nicht. Der Wert für das vergangene Jahr liegt allerdings auch deutlich über dem des Vor-Corona-Jahrs 2019. Eine Erklärung dafür hat die Bundespolizei zum jetzigen Zeitpunkt auf Anfrage nicht parat. Ob sich hinter den jüngst höheren Zahlen ein anhaltender Trend verbirgt, bleibt abzuwarten, denn die Zahlen werden in dieser Form erst seit 2019 erhoben.
Ein Großteil der Taten passiert nicht während der Fahrt, sondern in Bahnhöfen, an Haltepunkten und S-Bahn-Haltestellen. Dass dies nicht nur für Messerattacken gilt, bestätigt eine Sprecherin der Deutschen Bahn. "Häufig gehen Tätlichkeiten von Personen unter Alkoholeinfluss sowie von Reisenden ohne gültige Fahrkarte aus", so die Sprecherin. "Situationen eskalieren vor allem dann, wenn es um die Einhaltung von Regeln geht."
Erhöhtes Unsicherheitsgefühl bei nicht-binären Menschen
Ein stark unterschiedliches Sicherheitsgefühl bei Männern und Frauen lässt sich aus der #NDRfragt-Umfrage nicht ableiten. Deutlich unsicherer fühlen sich hingegen Personen, die ihr Geschlecht als divers definieren. Zumindest lassen sich die vergleichsweise wenigen Antworten von nicht-binären Personen als ein Indiz dafür werten: Rund 25 Prozent von ihnen gaben an, sich sehr unsicher (10,7 Prozent) oder eher unsicher zu fühlen - also ein deutlich höherer Anteil als bei Männern und Frauen.
"Als sichtbar queere Person habe ich schon unangenehme Situationen erlebt." Jakob (27) aus Niedersachsen
Die Deutsche Bahn setzt nach eigener Aussage für die Sicherheit ihrer Kunden und Mitarbeitenden vor allem auf zwei Komponenten: Video-Überwachung und Sicherheitspersonal. Aktuell seien bundesweit über 9.000 Kameras an Bahnhöfen im Einsatz heißt es, bis 2024 soll sich die Zahl auf 11.000 erhöhen. 4.300 Sicherheitskräfte der Deutschen Bahn unterstützen bundesweit täglich die Arbeit der Bundespolizei. Die Deutsche Bahn gibt an, jährlich mehr als 180 Millionen Euro für die Sicherheit von Fahrgästen und Mitarbeitenden auszugeben.
Geringes Risiko, gemessen an der Zahl der Reisenden
"Gemessen an der Zahl der Reisenden, Passanten und Besucher ist das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, weiter sehr gering", sagt eine Sprecherin der Deutschen Bahn. "Am Hauptbahnhof in Hamburg sind täglich bis zu 550.000 Menschen unterwegs, natürlich kommt es dort zu auch zu Straftaten", meint dazu Detlef Neuß, Bundesvorsitzender des Fahrgastverbands PRO Bahn. Zudem sieht er beim Thema Sicherheit auch die Medien in der Pflicht: "Das subjektive Unsicherheitsempfinden wird auch durch die mediale Berichterstattung verstärkt."
PRO Bahn: Messerverbot schürt unnötig Angst
Von Messerverboten im öffentlichen Personenverkehr, wie zuletzt im Juni von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgeschlagen, hält Neuß nichts: "So eine Maßnahme stellt die Fahrgäste unter Generalverdacht und schürt unnötig die Angst vor der Nutzung des öffentlichen Personenverkehrs." Außerdem sei die Bundespolizei bereits überlastet und könne die Einhaltung eines solchen Verbots nicht auch noch leisten, gibt Neuß zu bedenken.