Weite Wege im Rettungsdienst: Hilft die Krankenhausreform?

Stand: 25.07.2023 14:34 Uhr

Im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern sind die Wege zum nächstgelegenen Krankenhaus weiter als in anderen Bundesländern. Die geplante Krankenhausreform soll zum einen die Versorgungsqualität verbessern. Die könnte auf der anderen Seite aber für noch weitere Wege bei der Rettung akuter Notfälle sorgen.

Rettungswagen im Einsatz mit eingeschaltetem Blaulicht. © picture alliance Foto: Daniel Bockwoldt
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von Konrad Buchwald

Mehr als 27.000 mal pro Jahr klingelt in der Leitstelle in Greifswald das Telefon - also etwa 75 mal am Tag. Die Anrufer kommen aus ganz Vorpommern: von der Insel Usedom bis zur brandenburgischen Grenze im Süden. Und etwa 10.000 mal werde auch ein Rettungswagen losgeschickt, erklärt Dr. Timm Laslo. Er ist im Landkreis Vorpommern-Greifswald für den öffentlichen Rettungsdienst verantwortlich.

Der Rettungsmediziner Timm Laslo steht vor einem Monitor in der Einsatzzentrale in Greifswald © NDR Foto: Konrad Buchwald
Auch für Rettungsdienstleister Laslo ist noch unklar, wie sich die Krankenhausreform auswirken wird.

Wie lange der Rettungswagen dann vom Unfallort zum nächstgelegenen Krankenhaus braucht, ist ganz unterschiedlich. "Auf der Insel Usedom ist es besonders in den Sommermonaten eine tägliche Herausforderung, weil durch den Tourismus viele Autos unterwegs sind." Von Heringsdorf nach Wolgast könne es da schon bis zu einer Stunde dauern.

Reduziertes Leistungsportfolio bedeutet längere Wege

Welche Auswirkungen die geplante Krankenhausreform für den Rettungsdienst hätte, könne man noch nicht seriös sagen, betont Rettungsdienstleiter Laslo. Die Reform sieht vor, dass Kliniken nur noch die Leistungen erbringen und vergütet bekommen, für die sie auch personell und technisch ausreichend ausgestattet sind.

An vielen Häusern könnte also das Leistungsportfolio reduziert werden. "Wir wissen ja noch nicht, was passiert. Aber wenn weniger Leistungen angeboten werden, heißt das einerseits: Der Rettungsdienst wird weiter fahren. Andererseits wird auch die Auslastung der Fahrzeuge zunehmen." Das würde wiederum bedeuten, dass die Landkreise und kreisfreien Städte mehr Rettungsmittel vorhalten müssten, führt Laslo weiter aus. "Und das würde natürlich einen erhöhten Personalbedarf bedeuten. Und wir haben jetzt schon mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen."

Ungewissheit auch bei Krankenhäusern

Alle 37 Krankenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern sollen auch nach der Reform bestehen bleiben. Das hatte vor Kurzem Landesgesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) erklärt und davon geht auch die Krankenhausgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern aus. Notaufnahmen mit entsprechenden Stationen müssten in angemessener Entfernung erreichbar sein.

Das freut unter anderem Kai Firneisen. Er ist Geschäftsführer des Kreiskrankenhauses Demmin. Sein Haus bietet eine umfangreiche innere Medizin und zahlreiche chirurgische Fächer an. Was die Krankenhausreform für Demmin bedeuten würde, sei noch völlig unklar. Vor allem, in welche Leistungsgruppen das Kreiskrankenhaus eingeordnet wird "Bedeutet das, dass wir unsere Kardiologie weiterführen und Notfallendoskopien weitermachen können? Wir wissen noch nicht, welche Leistungsgruppen wir dann anbieten dürfen."

Kerstin von der Decken spricht auf einer Pressekonferenz. © NDR
AUDIO: Von der Decken zur Krankenhausreform: "Der Ansatz ist richtig" (6 Min)

Weitere Wege können sinnvoll sein

Wenn in Demmin entsprechende Leistungen nicht mehr angeboten werden, würde das zum Beispiel für Patienten mit Herzinfarkt bedeuten, dass sie mindestens 40 Minuten länger unterwegs wären bis nach Greifswald, Karlsburg oder Demmin. "Aber gerade bei der Rettung gibt es gute Gründe dafür, dass es richtig ist, bestimmte Patienten zu bestimmten Einrichtungen zu bringen. Das kann dann auch mal ein bisschen länger sein", sagt Professor Wolfgang Hoffmann. Er leitet das Institut für Community Medicine in Greifswald und beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit der Frage, wie das Gesundheitssystem in Deutschland verbessert werden kann.

"Es hat heutzutage wirklich keinen Sinn mehr, einen Patienten mit Schlaganfall in eine Klinik zu fahren, die keine Stroke Unit hat. Und da braucht es ein System, wo man sieht, welches Krankenhaus mit welcher Leistung verfügbar ist, damit der Patient dahin kommt, wo es für ihn am besten ist." Und das, so Wolfgang Hoffmann weiter, sei nun mal nicht immer das dichteste Krankenhaus.

Rettungshubschrauber werden wichtiger

"Wir müssen abwägen zwischen Wohnortnähe und Qualität. Man kann nicht an allen Stellen beides haben", erläutert Hoffmann. Laut Krankenhausgesellschaft achtet der Rettungsdienst in Mecklenburg-Vorpommern schon heute darauf, dass die verschiedenen Notfälle zu den richtigen Anlaufstellen gebracht werden.

Und um weite Wege schnell zu überbrücken sind im Land drei Rettungshubschrauber unterwegs – an den Standorten Greifswald, Neustrelitz und Güstrow. Wenn die Wege noch länger werden würden, dann bekämen die Hubschrauber im Flächenland eine noch größere Bedeutung, davon ist auch Rettungsdienstleiter Timm Laslo überzeugt. Seit Jahren ist auch ein vierter Hubschrauber, möglicherweise am Standort Schwerin im Gespräch. Bisher ist es aber nur bei Gesprächen geblieben.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Aktuell | 25.07.2023 | 07:38 Uhr

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