Warum hakt es beim Windkraftausbau an Land in MV?
Mecklenburg-Vorpommern kommt beim Windkraftausbau an Land nicht recht voran. Projektentwickler klagen über teils mehrjährige Genehmigungsverfahren - trotz Versuchen der Politik, die Rahmenbedingungen zu vereinfachen. Dabei kollidierten häufig verschiedene Rechtsbereiche, sagen Experten.
Der Windkraftausbau an Land in Mecklenburg-Vorpommern stockt. 2022 wurden lediglich 15 neue Windräder aufgestellt. Zum Vergleich: In Schleswig-Holstein waren es 134. Der Vorsitzende des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE), Johann-Georg Jaeger, kritisierte bereits, die Ausbauzahlen würden "hinten und vorne nicht reichen, um unsere Klimaziele zu erreichen". Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) hat angekündigt, dem Ausbau an Land mehr Schub zu verleihen. So sollen die Hürden für die Genehmigungen gesenkt und die Antragsverfahren beschleunigt werden. Unter anderem soll der Einfluss des Denkmalschutzes beschnitten werden. Außerdem sollen mehr Mitarbeiter für eine zügigere Bearbeitung sorgen.
"Stellungnahmen werden zu spät abgegeben"
Marcus Heinicke, Geschäftsführer Voss Energy aus Rostock, hat schon viele Windenergie-Projekte in Mecklenburg-Vorpommern betreut. Ein Projekt in Lübz (Kreis Ludwigslust-Parchim) begleitet er schon besonders lange - seit rund sieben Jahren. Trotzdem kommt es nicht so recht in Schwung. Laut Heinicke liegt das vor allem an den komplexen Genehmigungsverfahren. "Es liegt immer wieder auch daran, dass Stellungnahmen, die bei den Genehmigungsbehörden eingehen müssen, nicht oder zu spät abgegeben werden", sagte Heinicke NDR MV Live.
Projektplaner: Genehmigungsverfahren dauern mehrere Jahre
So komme es, dass sich Genehmigungsverfahren, die eigentlich nur ein halbes Jahr Zeit in Anspruch nehmen sollen, über mehrere Jahre hinziehen. "Wir gehen wir momentan davon aus, dass landesweit 3.000 Megawatt an Leistung, die wir eigentlich dringend bräuchten, in den Genehmigungsverfahren stecken bleiben." Ein Genehmigungsstau, der von der Leistung mehreren Atomkraftwerken entspricht.
LNG-Terminal in Lubmin als positives Beispiel
Heinicke moniert, dass die Verwaltungspraxis dem aktuellen Gesetzesstand hinterherhinke. "Da würde schon Vieles möglich sein. Wir sehen in anderen Bundesländern, dass es funktionieren kann. Wir sehen auch, dass es auch bei uns funktionieren kann, wie jüngst beim LNG-Terminal in Lubmin." Die Anlage dort war innerhalb weniger Monate genehmigt und in Betrieb genommen worden.
"Planungsregionen müssen nun schnell handeln"
Am 1. Februar tritt ein neues Windenergie-an-Land-Gesetz des Bundes in Kraft. Es beinhaltet klare Vorgaben an die Länder. Mecklenburg-Vorpommern muss bis 2032 2,1 Prozent an Landesflächen als Windeignungsgebiete ausweisen. "Da sind wir aber weit hinterher", so Heinicke. "Wir sind bei weit unter einem Prozent." Das bedeute für die vier Planungsregionen im Nordosten, dass sie nun schnell handeln müssten und solche Gebiete ausweisen.
Verwaltungsrechtlerin: "Haben einen Konflikt zwischen Klimaschutz und Artenschutz"
Sabine Schlacke ist Direktorin des Instituts für Energie, Umwelt und Seerecht an der Universität in Greifswald. Die Verwaltungsrechtlerin weist auf weitere Probleme hin. Sie sagt, dass es in der Vergangenheit schon viele Beschleunigungsgesetze gegeben habe. Es zeige sich nun, dass eine Verkürzung von Beteiligungsfristen der Öffentlichkeit gar nicht das Problem sind. "Die haben wir schon so weit runtergekürzt, dass es nicht weiter geht, um noch europarechtskonforme Verfahren durchzuführen", so Schlacke bei NDR MV Live. Sie sieht das Hauptproblem in einem anderen Bereich: "Der Haupt-Hemmschuh ist wohl, dass wir einen Konflikt haben zwischen Klimaschutz und Artenschutz." Es würden sehr hohe Anforderungen an den Artenschutz gestellt. "Ausnahmen davon zu erteilen - etwa zugunsten einer Errichtung einer Windkraftanlage - das ist sehr schwierig."
Abstandsregeln, Klagen, Personalengpässe in den Behörden
Laut Schlacke kommen weitere Hemmnisse hinzu - etwa die Abstandsregelungen und die Klageverfahren, die den Windenergieausbau ebenfalls behindern würden." Und wir haben auch - das muss man ganz offen sagen - teilweise eine sehr dünne Personaldecke." Deshalb blieben in den Genehmigungsbehörden und den Naturschutzbehörden Verfahren auch mal liegen. "Und als Drittes wir haben im Grunde ein sehr hohes Anforderungsprofil für Konzentrationszonenausweisungen für Windkraftanlagen." All das erschwere die Ausweisung von Eignungs- und Konzentrationsgebieten.
Die Länder sind weiter gefordert
Der Bund habe zwar schon auf diese Probleme reagiert - etwa indem die Abstände im Naturschutzrecht standardisiert worden seien, "aber auch da wird sich in der Praxis erst erweisen, ob das wirklich zu einer Beschleunigung führt", so Schlacke. Doch für die Expertin ist auch klar, dass nicht nur der Bund, sondern auch die Länder weiter gefordert sind - damit es für die Investoren leichter wird. "Gerade die Flächenziele für den Windenergieausbau müssen in das Raumordnungsrecht des Landes übertragen werden. Das ist noch nicht passiert. Das muss getan werden. Und deshalb ist das für Investoren immer noch eine recht unsichere Lage."