Antisemitismus an Schulen in MV verstärkt Thema
Antisemitismus und die NS-Vergangenheit sollen im Unterricht an den Schulen in Mecklenburg-Vorpommern einen größeren Stellenwert bekommen. Dafür werden Lehrerinnen und Lehrer mit einem neuen Programm unterstützt, hat Bildungsministerin Simone Oldenburg (DIE LINKE) angekündigt.
Ist der Holocaust, die systematische Ermordung von mehr als sechs Millionen Jüdinnen und Juden, Unterrichtsstoff für die Grundschule? Nicht direkt, nicht mit seinen Grausamkeiten, sagt Katinka Meyer vom Anne Frank Zentrum Berlin, aber Kinder im Grundschulalter haben laut Meyer schon antisemitische Bilder im Kopf. Sie kennen Hakenkreuze, judenfeindliche Beleidigungen oder vermeintliche Witze. Deshalb sei es richtig, auch schon in der Grundschule über die NS-Vergangenheit und über Antisemitismus zu sprechen.
Unterrichtsmaterial für alle Schulen
Das Anne Frank Zentrum hat mit dem Landesbeauftragten für jüdisches Leben und dem Bildungsministerium eine sogenannte Handreichung für die Schulen im Land erarbeitet. Auf 84 Seiten finden sich umfangreiche Informationen über jüdisches Leben in Mecklenburg-Vorpommern, früher und heute. Das Unterrichtsmaterial ist so aufbereitet worden, dass es direkt angewendet werden kann, sagt Bildungsministerin Oldenburg. Erinnerungsorte, Bücher, Filmempfehlungen und Biografien von Jüdinnen und Juden aus Mecklenburg-Vorpommern sind in dem Material zusammengefasst.
Kinder und Jugendliche sensibilisieren
In den Grundschulklassen könnten die Lehrerinnen und Lehrer zum Beispiel das Leben von Yaakov Zur thematisieren. Der Ehrenbürger Rostocks wurde 1924 in Rostock als Alfred Jacques Zuckermann geboren. Seine Kindheit war in der Hansestadt von zunehmender antisemitischer Bedrückung und nationalsozialistischer Verfolgung geprägt. In dem Unterrichtsmaterial für die Grundschüler heißt es dazu: "Ich war der einzige jüdische Schüler in der Klasse. Ich galt als Mensch zweiter Klasse. Ich musste allein sitzen, ohne Banknachbarn. Meine Freunde von gestern kannten mich nicht mehr und beleidigten mich." Mit Hilfe Zurs Biografie könnten die Schülerinnen und Schülern für Ausgrenzung sensibilisiert werden, könnten sie für Solidarität und Menschenrechte gewonnen werden, sagt Katinka Meyer.
Hakenkreuze in Grundschulen
Zahlen über antisemitische Vorfälle an den Schulen in Mecklenburg-Vorpommern gibt es nicht. Erfasst sind aber extremistische Taten. Im vergangenen Schuljahr gab es laut Bildungsministerin Oldenburg 100 an den Schulen des Landes, zum Beispiel Hakenkreuzschmierereien. Das Material des Bildungsministeriums soll den Lehrkräften auch helfen, einen sicheren Umgang mit solchen Situationen zu erlernen. Zudem gibt es regelmäßige Fortbildungsangebote. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es zwei jüdische Gemeinden in Rostock und Schwerin mit insgesamt 1.100 Mitgliedern.
