Schwesigs Ukraine-Reise endet mit Koalitionskrach in MV

Stand: 27.06.2024 14:22 Uhr

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hat mit ihrem Besuch in der Ukraine neuen Streit in der rot-roten Koalition ausgelöst. Ihr Regierungspartner Die Linke distanzierte sich deutlich von Schwesigs Aussage, die Ukraine müsse den Krieg gewinnen.

von Stefan Ludmann

Schwesigs Staatskanzleichef Patrick Dahlemann (SPD) drehte am Dienstag noch kleine Instagram-Videos zu den bevorstehenden Feiern am Tag der Deutschen Einheit in Schwerin. Mitarbeiter ließen Dahlemann hinter einer Gold-Folie erst verschwinden und dann jubelnd wieder auftauchen. Die Fangemeinde auf Social-Media staunte über ausgelassene Freude anlässlich der Präsentation eines Großplakats zu den Einheitsfeiern, über einen Spaß also, der so gar nicht zum übrigen Ernst der Lage passen wollte, den Dahlemanns Chefin als Bundesratspräsidentin zeitgleich in Kiew erlebte. Schwesig führte in dem Land, das sich seit zwei Jahren gegen den russischen Überfall wehrt, wichtige Gespräche - unter anderem mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj - fern von Goldfolie und Schabernack.

Schwesig erste Bundesratspräsidentin auf Besuch in Ukraine

Schwesig gab sich in den drei Tagen in ihrer Paraderolle als Staatsfrau mit einer besonderen Mission. Die SPD-Politikerin sagte mehrfach, ihr Besuch sei ein Zeichen der Solidarität aller 16 Bundesländer. Ihre Pressestelle legte Wert auf die Feststellung, dass Schwesig die erste Bundesratspräsidentin auf Besuch in dem Land sei - Bundesratspräsidenten mit eingeschlossen. Deutschland werde der Ukraine weiter helfen und zwar militärisch, finanziell und humanitär, betonte die Sozialdemokratin. Gleichzeitig formulierte sie auch klare innenpolitische Botschaften: Mit Blick auf die Gegner der Ukraine-Hilfe in Deutschland sagte sie, die Ukraine werde tagtäglich neu angegriffen, Menschen würden um ihr Leben bangen, das Land habe ein Recht darauf, sich zu schützen - das sei Realität. Niemand sollte der russischen Propaganda glauben.

Weitere Informationen
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig trifft Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine in Kiew. © Volodymyr Sherbak/Staatskanzlei MV/dpa

Schwesig in Kiew von Präsident Selenskyj empfangen

Der Wiederaufbau der Ukraine und die beginnenden EU-Beitrittsgespräche standen im Zentrum der Zusammenkunft am Dienstag. mehr

Schwesig: "Die Ukraine muss den Krieg gewinnen"

Die Bundesratspräsidentin wurde auch mit einem Satz zitiert, der bei ihrem Koalitionspartner überhaupt nicht gut ankam. "Die Ukraine muss den Krieg gewinnen, Russland darf mit seiner Aggression nicht durchkommen" sagte Schwesig. Der Linken-Vorsitzende Peter Ritter und sein Landtagskollege Torsten Koplin, seines Zeichens friedenspolitischer Sprecher, reagierten mit "Bestürzung". Schwesigs Einschätzung sei völlig unverständlich, im Krieg könne es keine Gewinner geben.

Zweiter Ukraine-Gipfel in MV wäre laut Linke gut

Beide Linken-Politiker erklären, sie hätten erwartet, "dass sich die Ministerpräsidentin einer aktiven Friedenspolitik verpflichtet sieht". Es wäre deshalb gut gewesen, wenn die Regierungschefin in der Ukraine einen zweiten Ukraine-Gipfel in Deutschland vorgeschlagen hätte, der hätte in Mecklenburg-Vorpommern stattfinden können. Es gehe jetzt um friedenspolitische Initiativen, erklärte das Linken-Duo, das damit auf einer Welle mit AfD und BSW liegt.

Koplin war 2014 "Wahlbeobachter" bei sogenanntem Referendum auf der Krim

Pikant: Der Linken-Abgeordnete Koplin fungierte 2014 als "Wahlbeobachter" bei einem sogenannten Referendum, das die völkerrechtliche Annexion der Krim durch Putin absegnen sollte. Koplin attestierte Russland ein sauberes Vorgehen, er habe keine Unregelmäßigkeiten feststellen können, sagte er dem "Neuen Deutschland". Die CDU warf ihm vor, er lasse sich für russische Interessen einspannen. In der aktuellen Debatte hatte Schwesig dagegen erklärt, Russland müsse sich vollständig aus der Ukraine zurückziehen, Putin müsse den Krieg stoppen.

Zweiter Koalitionsstreit in Folge

Der erneute Koalitionsstreit ist bereits der zweite in kurzer Folge. In der vergangenen Woche provozierte Schwesig mit harten Aussagen zur Asyl- und Migrationspolitik den Widerspruch des Koalitionspartners. Offenkundig hat die Niederlage bei den Europa- und Kommunalwahlen die Fliehkräfte innerhalb des Bündnisses beschleunigt. Die CDU-Fraktion erklärte, Schwesig sollte die Linke "an die Luft setzen". Die Linke will es dagegen nicht zum offenen Zerwürfnis kommen lassen. Es bringe nichts, meinte Ritter, ständig mit Koalitionsbruch zu drohen.

Weitere Informationen
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) bei einer Veranstaltung ihrer Partei. © Screenshot

Analyse zur Kommunalwahl in MV: Debakel für Rot-Rot, Sieg für AfD

Die rot-rote Koalition muss in allen Kreistagen herbe Verluste einstecken, die AfD ist in Rostock und Schwerin auf Platz 1. mehr

Blick auf den Landesparteitag der SPD Mecklenburg Vorpommern am 20. August 2022 in der Hanse- und Universitätsstadt Rostock. © IMAGO / BildFunkMV Foto: IMAGO / BildFunkMV

MV-SPD sucht nach Wegen aus der Ergebniskrise

In der Partei wird über das schlechte Wahl-Abschneiden debattiert. Intern hofft man auf einen offenen Umgang mit Fehlern. mehr

Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) ziehen im Rahmen der Landespressekonferenz in Schwerin Halbzeitbilanz ihrer Regierungsarbeit. © Screenshot

Rot-rote Landesregierung sieht MV trotz Krisen auf Kurs

Die SPD/Linke-Koalition hat in Schwerin ihre Bilanz zur Halbzeit der Legislaturperiode vorgelegt. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 27.06.2024 | 07:00 Uhr

Mehr Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern

Zwei Männer attackieren in dem Neustrelitzer Wohngebiet eine 17-Jährige in einer und fügen ihr schwere Verletzungen zu. Die Polizei spricht von einem versuchten Tötungsdelikt. © dpa-Bildfunk Foto: Stefan Sauer/dpa

Versuchter Mord: Haftbefehle nach Angriff auf 17-Jährige in Neustrelitz

Die zwei 18 und 19 Jahre alten Männer aus Neustrelitz, die am Montag eine Bekannte schwer verletzt haben, müssen in Untersuchungshaft. mehr

Die Applikation App WhatsApp ist auf dem Display eines Smartphones zu sehen. © picture alliance/dpa Foto: Silas Stein

Im Handy abonnieren: Die NDR MV Nachrichten bei Whatsapp

Im NDR MV Whatsapp-Kanal gibts die wichtigsten Themen für Mecklenburg-Vorpommern kompakt und schnell zusammengefasst. extern