MV-SPD sucht nach Wegen aus der Ergebniskrise
In der Landes-SPD wird über die Folgen des schlechten Abschneidens bei der Europa- und Kommunalwahl debattiert. Intern setzen Genossen darauf, dass die Parteispitze offener mit eigenen Fehlern umgeht.
Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus, bekennender Instinktpolitiker und SPD-Haudegen, kam am Montag mit einer ganz handfesten Nachricht. Seine SPD lag nach der desaströsen Wahlnacht noch in den Seilen, Backhaus aber lieferte: "Bier aus Schankanlagen in MV kann bedenkenlos getrunken werden", betitelte seine Pressestelle eine Nachricht über sauberen Gerstensaft in den Gaststätten des Landes. Die kaum versteckte Botschaft: Alle reden über die Niederlage, Backhaus geht voran und sorgt dafür, dass es läuft.
Ergebnisse so schlecht wie nie
Trotzdem: Der zuletzt erfolgsverwöhnten Regierungspartei liegt das Wahl-Debakel schwer im Magen. Bei der Europawahl kam die Partei von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig auf gerade mal 10,3 Prozent - hinter AfD, CDU und dem BSW, das in Mecklenburg-Vorpommern noch nicht einmal einen Landesverband gegründet hat. Bei der Kommunalwahl reichte es mit 12,7 Prozent noch für Platz drei - hinter AfD und CDU. Bei beiden Wahlen hat die Landes-SPD so schlecht abgeschnitten wie nie.
Schwesig macht Ampel für Desaster verantwortlich
Die Genossen sind komplett ratlos. Auch in einer Videoschalte des Landesvorstands mit den Spitzen der Kreisverbände am Montagmorgen war eher Ernüchterung angesagt. Viele aber schütteln nur den Kopf über die Parole der Parteispitze. Die macht den Bund und die Ampel-Koalition für das Desaster verantwortlich und gibt die Hoffnung aus, bei der Landtagswahl in zwei Jahren werde es wieder besser. Schwesig präsentierte ihre rot-rote Koalition bereits als eine Art Gegenentwurf zur Ampel. "Wir machen das, was die Bundesebene nicht hinbekommt", sagte sie angriffslustig im NDR Nordmagazin.
Repp richtige Kandidatin?
Sündenböcke würden nicht weiter helfen, heißt es allerdings immer wieder. Genossen wollen eine offene und ehrliche Diskussion auch im Landesverband. Als Beispiel wird die Kandidatenauswahl genannt. Es müsse gefragt werden, ob die eigene Bewerberin für die Europawahl, die 25-jährige Sabrina Repp, die richtige gewesen sei. Der Hintergrund: Die Landes-SPD hat bei der Europawahl ein noch schlechteres Ergebnis eingefahren als die Bundes-Partei. Repp, meinen einige, sei im Wahlkampf farblos geblieben, sei auch nicht die Frau, die in den nächsten Jahre in Brüssel "etwas reißen" könne und packe die echten Themen nicht an.
Keine offene Kritik
Die Furcht geht um, dass die SPD die Verbindung zu den Wählern und Wählerinnen verliert. Im Wahlkampf immer gegen Rechtsextremismus aufzutreten und die Nazikeule gegen die AfD zu schwingen, heißt es, habe offenkundig nichts gebracht. Und dazu kommt die Enttäuschung über die anderen: Die Bundestagsabgeordneten Erik von Malottki, Anna Kassautzki oder Katrin Zschau seien kaum wahrnehmbar. Offen aber wagen sich Genossen nicht aus der Deckung, es traut sich keiner, gegen die Parteiführung aufzumucken.
Fehlerkultur unerwünscht
Die Begründung: Eine echte Fehlerkultur sei nicht gewünscht. Schwesig sei abgeschottet von ihren beiden Spitzenvertrauten Patrick Dahlemann, dem Staatskanzlei-Chef, und SPD-Generalsekretär Julian Barlen, gleichzeitig Chef der Landtagsfraktion. Der Frust äußert sich bisher oft nur in internen WhatsApp-Gruppen. Einen Anlass dafür lieferte ausgerechnet Dahlemann. Der bezeichnete sein Ergebnis bei der Kommunalwahl in seinem Heimatort Mönkebude (Landkreis Vorpommern-Greifswald) als "Hoffnungsschimmer". Dahlemann trat in dem Ort nicht für seine SPD, sondern für eine Wählergruppe an und schaffte den Sprung in die Gemeindevertretung.
Genossen empfinden Parteispitze als abgehoben
Eine "freudige Nachricht" sei das, meinte Dahlemann auf Instagram an einem Wahlabend, der für seine Genossen kaum Freude brachte. Einigen kam der Post deshalb als unpassende Jubelmeldung vor. In einem internen SPD-Social-Media-Kanal kommentiere das einer mit einer Aussage, die viel mit Brechreiz zu tun hat. Viele Genossen haben den Eindruck, die Parteispitze sei einfach abgehoben. Intern könnte das zum Thema werden. Die Wahlauswertungen in den Kreisverbänden stehen an. Die Landesvorsitzende Schwesig soll eine Runde mit allen Kreis- und Ortsvereinsvorsitzenden vorgeschlagen haben, um Schlüsse aus der Niederlage zu ziehen. Wann es die gibt, ist offen. Fest steht nur, die Basis hat viel Gesprächsbedarf in diesen Tagen.