SPD-Fraktionsgelder: Auch Steuerzahlerbund fordert Konsequenzen
Neuer Gegenwind für die Landtags-SPD wegen ihrer fragwürdigen Auftragsvergaben an den Ehemann der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Christine Klingohr. Der Bund der Steuerzahler fordert mehr Transparenz und eine Offenlegung der Ausgaben. Anlass ist eine Großveranstaltung der SPD-Fraktion im Golchener Hof von Jörg Klingohr, der auch als Comedian "Bauer Korl" bekannt ist.
Dienstag vor einer Woche: Die Landtags-SPD zahlte für eine Sitzung ihrer Abgeordneten und einem anschließenden Bürgerforum mit rund 250 Gästen etwa 15.000 Euro aus der Fraktionskasse - Geld des Steuerzahlers. Wegen der engen familiären Verbindung zwischen dem Hotel-Besitzer und der Fraktions-Vize Klingohr hagelt es seit Wochenbeginn Kritik. In die reiht sich jetzt auch der Bund der Steuerzahler in Mecklenburg-Vorpommern ein.
Laut SPD keine Alternativen
Geschäftsführer Sascha Mummenhoff spricht von einem Geschmäckle. Er fordert klare Regeln, die eine Auftragsvergabe, bei der Verwandte begünstigt werden, ausschließen und mindestens offenlegen. Die SPD-Fraktion legte erneut Wert auf die Feststellung, dass die Bürgerforen "seit 15 Jahren" durchgeführt würden. Sie seien wichtig, um beispielsweise auch mit Ehrenamtlichen ins Gespräch zu kommen. Zu der Veranstaltung am Golchener Hof der Klingohrs habe es keine Alternative gegeben. Man habe etliche andere Hotels angefragt und nur Absagen bekommen, erklärten unabhängig voneinander Fraktionschef Julian Barlen und sein Parlamentarischer Geschäftsführer Philipp da Cunha.
Keine Auskunft von der SPD
An der Darstellung der Fraktionsspitze ergeben sich allerdings Zweifel. Nach NDR-Recherchen hat die SPD zwei naheliegende Hotels gar nicht erst angefragt und sich bei einem weiteren auf dessen Nachfragen zu den Wünschen nicht wieder gemeldet. Die SPD mauert möglicherweise auch deshalb zu den Details der Auftragsvergabe. Eine Liste der angeblich angefragten Hotels wollte die SPD nicht herausgegeben, ebenso wenig gewährte sie einen Einblick in die Schlussrechnung des Golchener Hofes. Die Regierungspartei wollte auch nicht sagen, an welchen Orten die vergangenen zehn Bürgerforen veranstaltet wurden. "Wir haben nichts Weiteres mitzuteilen", hieß es aus der Fraktion.
Stichhaltige Begründung nötig
Klar ist, die SPD-Fraktion kann mit Geld aus der Fraktionskasse Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Für ihre parlamentarische Arbeit stehen der SPD rund 2,5 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Eine Offenlegungspflicht besteht nur gegenüber der Landtagsverwaltung und dem Landesrechnungshof. Der hat die Situation offenbar bereits im Blick. Auf Anfrage teilten die obersten Finanzprüfer mit, wenn familiäre Verbindungen zum Veranstaltungsort bestehen, müsse stichhaltig begründet werden, so Präsidentin Martina Johannsen, "warum eine Veranstaltung nur dort abgehalten werden kann".
Auch AfD fordert klare Regeln
Der Rechnungshof hatte sich in der Vergangenheit kritisch zu den Ausgaben für die Öffentlichkeitsarbeit geäußert. Nach Angaben der SPD sind die Kosten für die Bürgerforen nie moniert worden. Die AfD-Fraktion will den Fall dennoch zum Thema in der nächsten Landtagssitzung machen. Auch sie fordert klare Regeln. Es gelte "jede Form der Günstlings- und Vetternwirtschaft" zu unterbinden, teilte die Oppositionspartei mit.
Enge Verbindung auch zu Unternehmen
Unterdessen wird immer deutlicher, dass der Golchener Hof und weitere Unternehmen des Ehemanns der Fraktionsvize Klingohr geschäftlich eng mit der Landesregierung und den SPD-geführten Ministerien verbunden sind. So moderierte Jörg Klingohr nach Angaben des Innenministeriums im vergangenen Jahr die Veranstaltung "Landesregierung vor Ort" in Rostock. Als ausgebildeter Psychologe war er mit seinem Unternehmen "wi.ps" unter anderem für die Staatskanzlei tätig und beriet diese bei Auswahlverfahren und Mitarbeiter-Fortbildung.
Fördermittel für Unternehmen des Ehemanns
In gleicher Funktion trat er auch im Landwirtschaftsministerium auf - von dort bekommt sein Unternehmen Fördermittel. 2019 und 2020 beliefen sich die Unterstützungen nach Angaben des Ministeriums auf mehr als 350.000 Euro. Auch die Staatssekretärin im Agrarministerium, Elisabeth Aßmann (SPD), kennt den Ferien-Komplex offenbar gut: Anfang Juni feierte sie auf dem Golchener Hof ihre Hochzeit und teilte das anschließend werbewirksam auf Social-Media mit.
Weitere Einnahmen durch Landkreis
Eine weitere Einnahmequelle der Klingohrs ist der SPD-geführte Landkreis Ludwigslust-Parchim. Christine Klingohr bekommt als Geschäftsführerin der "Sozialen Dienste Golchen GmbH" Zahlungen aus der Kreiskasse. Das Kreistagspräsidium und Landrat Stefan Sternberg (SPD) ließen 2020 und 2021 wegen der Pandemie-Lage acht Sitzungen des Kreistages am Golchener Hof durchführen. Kostenpunkt nach Angaben des Landratsamtes allein für Saalmiete und Technik: jeweils 7.000 Euro. Für Christine Klingohr waren immerhin drei Sitzungen ein "Heimspiel": Im Dezember 2020 wurde sie SPD-Kreistagsmitglied - sie tagte einen Tag nach ihrer Mandatsübernahme schon "zu Hause" in Golchen - bezahlt aus der Kreiskasse.
Auftritt von Schwesig im Golchener Hof
Klingohr rückte seinerzeit für den damaligen SPD-Kreisvorsitzenden Pascal Winkler nach. Das war nötig, da Winkler als Büroleiter in die Staatskanzlei von Manuela Schwesig (SPD) wechselte. Da schließt sich der Kreis: Hauptperson beim "Bürgerforum" der SPD-Fraktion in der vergangenen Woche war die Regierungschefin. Schwesig nutzte den Auftritt im Golchener Hof, um für die Leistungen der SPD in der Koalition zu werben. Einige Fraktionsmitarbeiter - so heißt es - hatten sich vor der Rede der Ministerpräsidentin allerdings schon auf den Heimweg gemacht.