SPD-Fraktionsgelder: "Anschein der Vorteilsnahme"
Die Landtags-SPD gerät wegen ihres Umgangs mit den eigenen Fraktionsgeldern stärker in die Kritik. Die Antikorruptionsorganisation Transparency International spricht von "einem Anschein der Vorteilsnahme".
Der Wochenstart verlief für den Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Philipp da Cunha, eher ungemütlich. Er versuchte im NDR Nordmagazin wortreich und gebetsmühlenartig seine umstrittene Entscheidung zugunsten seiner Fraktionskollegin Christine Klingohr und ihrem Ehemann Jörg zu verteidigen. Die Fraktion hatte für eine Großveranstaltung einen Saal in der Ferienanlage "Golchener Hof" angemietet, die dem Ehemann der Vize-Fraktionschefin Klingohr gehört.
Keine Transparenz bei Kosten für Großveranstaltung
Wie teuer das auch "Bürgerforum" genannte Format war und wie viel Geld dafür aus der mit Steuermitteln finanzierten Fraktionskasse an die Klingohrs floss, das wollte da Cunha nicht offenbaren. Auch auf mehrfache Nachfragen wiederholte er vorbereitete Textbausteine. Die SPD veranstalte die Bürgerforen schon seit 15 Jahren und wolle mit Menschen ins Gespräch kommen, erklärte der Abgeordnete. Zum Golchener Hof habe es am Ende keine Alternative gegeben. Obwohl die SPD erklärte, sie sei um Transparenz bemüht, machte sie am Ende um die Kosten der Veranstaltung mit mehr als 200 Gästen ein Geheimnis. Das Bild, das da Cunha in dem Interview abgab, beschreiben Beobachter als "unglücklich".
Transparency: Anschein der Vorteilsnahme muss vermieden werden
Die SPD-Fraktion verstoße mit ihrem Verhalten wohl nur deshalb nicht gegen Regeln, weil es dafür in Mecklenburg-Vorpommern keine Regeln gebe, so Norman Loeckel von Transparency International. Das Bundesland liege beim Umgang mit Interessenkonflikten in der Politik und deren Vermeidung im Vergleich weit zurück, mahnte er. Immer wenn Steuergelder im Spiel seien, müsse der Anschein der Vorteilsnahme vermieden werden - deshalb äußerte Loeckel Zweifel an der Legitimität des Verhaltens und er sieht Ähnlichkeiten zu einem Vorgang in Bayern, bei dem Landtagsabgeordnete Ehegatten auf Steuerzahlerkosten beschäftigten.
Rechnungshofpräsidentin verlangt "stichhaltige Begründung"
Die Antikorruptionsorganisation fordert strengere Regeln - auch innerhalb der Fraktion. Zu schon bestehenden Regeln der Bundes-SPD blieben die Sozialdemokraten im Landtag zurück. Auch der Landesrechnungshof sieht den Vorgang kritisch. Wenn familiäre Verbindungen zum Veranstaltungsort bestehen, müsse stichhaltig begründet werden, "warum eine Veranstaltung nur dort abgehalten werden kann", so Präsidentin Martina Johannsen. Die obersten Finanzprüfer kontrollieren regelmäßig die Fraktionsgelder. Sie hatten sich in der Vergangenheit kritisch zu den Ausgaben für die Öffentlichkeitsarbeit geäußert.
FDP-Fraktionschef sieht Verbesserungsbedarf
Die SPD-Fraktion verteidigte die Entscheidung, Mittel der Fraktion für den "Golchener Hof" auszugeben. Branchenkenner rechnen mit Ausgaben von 15.000 bis 20.000 Euro für Saalmiete, Essen und Getränke. Da Cunha erklärte, man sehe keinen akuten Handlungsbedarf für schärfere Regeln im Umgang mit Fraktionsgeldern. Man wolle sich dennoch anschauen, ob "es Vorschläge für Verbesserungen geben kann". Die sieht FDP-Fraktionschef René Domke als unbedingt nötig an. Für seine Fraktion käme es nicht infrage, für eine eigene Veranstaltung auf familiäre Verbindungen zurückzugreifen. "Wir würden das nicht dulden, weil wir von Anfang kein Geschmäckle erzeugen wollen." Die SPD müsse den Vorgang jetzt aufarbeiten.
Keine Stellungnahme von Fraktionsvize Klingohr
Die SPD-Fraktionsvize Klingohr reagierte trotz mehrfacher Anfragen nicht. Ein Mitarbeiter begründete das mit "Terminen". Es bleibt also unklar, wie Klingohr die Veranstaltung rechtfertigte. Sie ist offiziell keine Inhaberin des Veranstaltungskomplexes - das ist ihr Mann. Christine Klingohr beteiligt sich neben ihrer politischen Arbeit und der Geschäftsführung der "Sozialen Dienste Golchen GmbH" aber offenbar aktiv am Betrieb der Hotelanlage. Auf ihrer offiziellen SPD-Landtags-Internetseite erklärt sie, "Planungen und Veranstaltungen bestimmen hier meinen Alltag".
Offenbar nicht alle Beteiligungen veröffentlicht
Laut Wirtschaftsauskunft Creditreform ist Klingohr an der Unternehmensgesellschaft ihres Mannes "Korl Event" als Gesellschafterin beteiligt. Gatte Jörg Klingohr tritt auch im heimischen Golchen immer wieder als Comedian "Bauer Korl" auf, die Firma organisiert offenbar die Auftritte. Die Firmenadresse stimmt mit der des Golchener Hofs überein. Die Gesellschafter-Rolle von Christine Klingohr wird im Landtags-Handbuch nicht veröffentlicht. Sie äußerte sich zu der Beteiligung auf Nachfrage ebenfalls nicht.
Transparenzvorhaben noch nicht umgesetzt
Auch ihre Einkünfte aus ihren Tätigkeiten neben dem Mandat bleiben geheim. Laut Abgeordnetengesetz müssten Einnahmen ab einer Summe von mehr als 1.000 Euro pro Jahr eigentlich angegeben werden. Allerdings ist diese Lücke nicht Klingohrs Schuld. Die Landtagsverwaltung hat offenbar Schwierigkeiten, die Transparenzvorhaben für alle 79 Abgeordneten umzusetzen - mehr als anderthalb Jahre nach der Wahl fehlen die noch immer.