Eine Straßenbahn fährt am Rostocker Rathaus vorbei. © dpa picture alliance Foto: Bernd Wüstneck
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AUDIO: Haushaltslage Rostock: Interview mit Eva-Maria Kröger (17 Min)

Rostock: Haushalt zwischen Kleckern und Klotzen

Stand: 06.01.2025 08:25 Uhr

Obwohl die Prognosen für die kommenden Jahre besser ausfallen als die Stimmung es vermuten lässt, soll mit Blick auf den neuen Doppelhaushalt 2026-2027 der Hansestadt Rostock "vorsorglich" gespart werden.

von Jürgen Opel

Auf der ersten Bürgerschaftssitzung im neuen Jahr (15. Januar) sollen die Fraktionen darüber informiert werden, wie Rostock finanziell dasteht. Noch im Dezember hatte der Städte- und Gemeindetag alarmierend den Finger gehoben. Es drohe eine deutliche Verschlechterung der Haushaltslage, hieß es. Nach letzten Zahlen ein Rückgang von mehr als 300 Millionen für die Städte und Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zum Vorjahr.

Hoffnungsschimmer Gewerbesteuer

Eine pessimistische Botschaft, die in Rostock so nicht angekommen ist. Jedenfalls nicht, wenn es um die Gewerbesteuer geht, so der Finanzsenator Chris von Wrycz Rekowski (SPD) im Gespräch mit NDR 1 Radio MV: "Also wir haben erfreulicherweise eine stabile Einnahmesituation. Das überrascht uns alle, weil die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland seit ein paar Jahren und Anlass zur Sorge gibt. Wir haben historisch hohe Steuereinnahmen. Das trägt uns auch ein bisschen durch die Zeit jetzt."

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Hohe Einnahmen

Bei der Gewerbesteuer sind das laut aktueller Prognose für 2024 rund 150 Millionen Euro. Tendenz, dezent steigend bis auf 154 Millionen Euro in drei Jahren. Soweit die gute Nachricht, zu finden in den Papieren zur sogenannten "Fortschreibung Haushaltssicherheitskonzept" für die Bürgerschaft. Doch das ist nur eine Seite, erklärt der Finanzsenator. Denn auch in Rostock hat der Zensus zugeschlagen und der Befragung zufolge hat die Stadt Einwohner verloren. Das kostet am Ende Geld, so von Wrycz Rekowski: "2024 sind wir mit 350.000 Euro Mindereinnahmen mit einem blauen Auge davongekommen. Nächstes Jahr sprechen wir über acht Millionen Euro.“ Und, in den kommenden vier Jahren könnten die Miesen auf bis zu 40 Millionen Euro anwachsen, so die vorsichtige Prognose. Jetzt komme es auf die neue Bundesregierung an. Der müsse es gelingen, die Wirtschaft "anzukurbeln".

Ausgaben runter

Sparen sei die Devise. Obwohl es in Rostock im Vergleich noch ganz gut läuft, so die Einschätzung der Stadtspitze. Bei einem Gesamthaushalt von etwa einer Milliarde Euro habe die Stadt bei den Pflichtausgaben keinen Spielraum, so Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Die Linke). Die gestiegenen Gehälter im Zuge neuer Tarifabschlüsse, die stetig zunehmenden Sozialkosten oder auch das Plus bei den Ausgaben für Energie in allen Bereichen. Das alles muss ohne "Wenn und Aber" bezahlt werden. Gerade einmal 70 Millionen Euro bleiben für die sogenannten "freiwilligen Leistungen" sagt Kröger. Eigentlich sei es immer zu wenig, was in Sport und Kultur fließt. Deshalb sei es ihr wichtig, an dem was geht, auch festzuhalten und nicht, wie in anderen Städten aktuell in der Diskussion, noch mehr zu sparen. "Wir glauben auch, dass es für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für den sozialen Frieden wichtig ist, erst recht in so angespannten Zeiten", so Kröger.

Keine Sparschraube

Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos - so könnten man die Analyse der Stadtspitze bezogen auf den Doppelhaushalt für 2026-2027 zusammenfassen. In der Beschlussvorlage für die Bürgerschaft heißt es dann auch: Ein Haushaltssicherungskonzept, also die Vollbremsung bei den Ausgaben, werde nicht gefordert. Aber: Es sei dennoch von einer "beschränkten Leistungsfähigkeit" der Stadt bei den Finanzen auszugehen. Es gehe jetzt nicht darum, so Finanzsenator von Wrycz Rekowski, den Rotstift anzusetzen, sondern da, wo es Spielräume gibt, diese beim Sparen auch zu nutzen. Und das meint, zu schauen, ob bei den Büros in der Verwaltung gespart werden kann, welche Energiekonzepte Geld sparen und ob nicht doch Gebühren für zum Beispiel Parkplätze oder die Hundesteuer erhöht werden müssen. Bislang Gedankenspiele, über die die Bürgerschaftsmitglieder befinden müssen. 

Also, Kleinvieh macht auch Mist, könnte man sagen. Doch mit rund 200 Millionen Euro für etwas mehr als 2.650 Mitarbeiter laut Plan für 2025 wäre theoretisch bei den Personalkosten am meisten zu holen. Zunächst heißt es: Wir wollen am Personalbestand festhalten. Das bedeutet aus Sicht des Finanzsenators aber auch: "Wir brauchen also schlankere, effizientere Prozesse, damit wir nicht noch mehr Personal in den nächsten Jahren brauchen, aber trotzdem eine hohe Qualität sichern können." Sparen, sei eine Sisyphusarbeit bei einem Milliardenhaushalt, so von Wrycz Rekowski - "viele, viele, viele kleine Schrauben, die zu drehen sind."

Klotzen beim Planen

Rund 170 Millionen Euro will Rostock 2025 investieren. In die Straßensanierung, Sportstätten und Schulen, am Stadthafen oder beim neuen Werftbecken in Warnemünde. Etwa die Hälfte sind Fördermittel. Doch das Geld allein baut nicht, meint der Finanzsenator. Denn mehr als 100 Millionen Euro im Jahr schaffe die Stadt nicht zu investieren. Auch weil die Genehmigungsverfahren zu lange dauerten. Ein gutes Beispiel aus seiner Sicht sei aber der Straßenbau. Gut 26 Millionen Euro seien da 2024 investiert worden. So viel wie nie zuvor. Dass die mehr als 200 Baustellen in der Stadt die Einwohner aber auch Nerven kosten, dass sei die andere Seite der Medaille.

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Von der Idee, auch bei den geplanten Großprojekten, wie zum Beispiel der Warnowbrücke, die immer teurer zu werden droht, zu sparen, hält Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger dagegen nichts: "Da muss man kein BWL studiert haben, um zu wissen, dass das negative Auswirkungen haben wird. Darunter leidet immer die lokale Wirtschaft. Darunter leidet auch die Bauwirtschaft. Ich glaube, dass wir an diesen Projekten festhalten sollten, auch wenn sie teurer werden. Solange die Politik mutig und optimistisch bleibt und keine anderen Beschlüsse fällt, machen wir weiter."

Skepsis in der Bürgerschaft

Für Rostocker Bund und Freie Wähler bestätige sich mit den neuen Zahlen nochmals die Tatsache, dass die Stadt derzeit kein Finanzproblem habe, so Sybille Bachmann vom Rostocker Bund zu Jahresbeginn. Sie könne nicht verstehen, weshalb dauernd vom drohenden Wegfall der Leistungsfähigkeit gesprochen werde. Und deshalb begrüße sie auch, dass nicht an Investitionen gespart werden soll. Ihr Fazit: Die Lage sei besser als die Stimmung. Anders sieht das die Fraktionschefin der CDU in der Bürgerschaft, Chris Günther. Sie adressiert ihre Kritik in Richtung Oberbürgermeisterin. In einer Stellungnahme heißt es: "Rostock steht vor massiven Herausforderungen: Wohnungsnot, geplante Wirtschaftsansiedlungen, die sich regelmäßig in Luft auflösen, und eine angespannte Haushaltslage, die schon bald jeden Bürger dieser Stadt treffen wird. In all diesen zentralen Fragen bleibt die Oberbürgermeisterin jedoch auffallend leise."

Aus Sicht der FDP sei 2024 ein Jahr der verpassten Chancen, erklärt der Kreisvorsitzende Christoph Eisfeld. Diese Defizite zeigten sich nun auch im Haushalt: Mit einem Minus von über 20 Millionen Euro und gleichzeitig ausbleibenden Investitionen bleibe die Stadt hinter ihren Möglichkeiten zurück. SPD-Fraktionschef Thoralf Sens kritisiert, dass wirtschaftlich nicht viel voran gegangen sei, sondern es sogar Rückschläge gegeben habe. So zum Beispiel die Absagen von Sixt und Toshiba bei den Plänen, sich in Rostock ansiedeln zu wollen. Christian Albrecht (Die Linke) erklärte dagegen, dass Rostock, trotz der bundesweit schwierigen wirtschaftlichen Lage, vorangekommen sei: "Trotz alledem: Der Haushalt der Stadt wird angespannter. Die Krise wird auch hier spürbarer. Auf die Bürgerschaft kommt deshalb eine große Verantwortung zu, zusammen mit der Verwaltung wichtige Errungenschaften wie das kostenlose Schülerticket zu erhalten“, so Albrecht. BSW, AfD und Grüne äußerten sich auf NDR Anfrage nicht zum Haushalt.

Im Jahresendspurt hat die Stadt ihr vorhergesagtes Defizit für 2024 von rund 30 Millionen noch auf geschätzte 10 Millionen Euro runterfahren können, so jedenfalls Finanzsenator von Wrycz Rekowski. Schulden, die aus Rücklagen bezahlt werden können. Die Mitglieder der Rostocker Bürgerschaft müssen jetzt darüber befinden, ob das mit Blick auf die Zukunft genug ist. 

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