Erste Erfolge, aber viele Sorgen: Rostocks OB Kröger zieht Bilanz
Ein Jahr von sieben hat Rostocks Oberbürgermeisterin Kröger im Amt hinter sich. Ihre Bilanz bisher: "Teure Sorgen, viele Probleme, dicke Bretter."
Als wäre es von einem Spindoctor termingenau zur Bilanz geplant worden, hat sich Rostock mit Jahresbeginn unter den Top Ten der lebenswertesten Städte Europas platzieren können. Absolut verdient und eine Mannschaftsleistung, findet die Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Die Linke).
Die Hansestadt landete auf dem 8. Platz bei der Befragung im Auftrag der Europäischen Kommission. 94 Prozent der befragten Einwohner leben gerne in Rostock, so die Kernaussage. Zürich heimste nur drei Prozentpunkte Zustimmung mehr ein und wurde zur lebenswertesten Stadt des Kontinents gekürt. Sicher auch eine schöne Stadt, doch lange kein Grund für einen Wohnortwechsel, meint Kröger schmunzelnd. "Zumal die Fischbrötchen dort garantiert nicht so gut sind wie in Warnemünde." Abgesehen von diesem kulinarischen Fazit fällt die eigene Bilanz der Oberbürgermeisterin prosaisch aus: "Natürlich ist es nicht so, dass nach zwölf Monaten überall Rosen blühen, aber wir können sagen, dass wir wieder ins Arbeiten gekommen sind."
Großes Budget: Ohne Moos nix los
Der Haushalt der Hansestadt fällt üppig aus: über den Daumen 900 Millionen Euro jeweils für das laufende und das kommende Jahr. Doch ohne Schulden zu machen, kann die Stadt das nicht stemmen. 30 Millionen Euro Kredite sind jährlich geplant. "Die Krise ist auch im Rostocker Haushalt angekommen", so die Einschätzung der Verwaltungschefin. Die Gefühlslage sei gemischt beim Blick in die Stadtkasse. Dennoch könne investiert werden. Mehr als 300 Millionen Euro für zwei Jahre stehen da auf dem Wunschzettel: unter anderem für Straßen, Brücken, Kitas oder auch ein neues Rechenzentrum - wenn die Planungskapazitäten und das Fachpersonal mitspielen.
Trotz "guter Steuereinnahmen", plagen die Oberbürgermeisterin "teure Sorgen": Die gestiegenen Personalkosten, stetig wachsende Sozialausgaben und erwartbar hohe Investitionen bei der Infrastruktur, beispielsweise der Wasser- und Energieversorgung. Und außerdem seien auch noch "viele Probleme" ungelöst liegen geblieben.
BUGA: "Teure Sorgen - Ich habe es euch doch gesagt"
Konkret geht es da um die städtischen Großprojekte, die nach dem Desaster mit der Bundesgartenschau (BUGA) mehr und mehr zu einem Erbe werden, das Kröger wohl viel lieber ausgeschlagen hätte. Denn schon als Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft hatte sie kassandragleich davor gewarnt, die BUGA mit so vielen teuren Prestigevorhaben zu planen. Und das wohl zu Recht, wie es heute aussieht. Mit Warnow-Brücke, Archäologischem Landesmuseum, dem Warnow-Wohn-Quartier, Hochwasserschutz, Binnenentwässerung oder einem tourismustauglichen Stadthafen scheint es nicht wirklich vorangegangen zu sein im vergangenen Jahr. Jedenfalls nicht so, dass die Oberbürgermeisterin damit punkten könnte.
Symptomatisch dafür ist die Warnow-Brücke für Fußgänger und Radfahrer. Viel zu spät war erkannt worden, dass im Falle einer Kollision die Statik nicht mitmacht. Zudem werden die Gutachten zur Nachbesserung nicht fertig und der Druck bei der Finanzierung des immer teurer werdenden Brückenschlages erhöht sich offenbar stetig. Die Frage: Kommen die Fördermittel für die Brücke vom geldklammen Bund tatsächlich oder doch eher nicht? Eine Antwort steht nicht nur für die Hansestädter im Berliner Sternenhimmel.
Selbstverordneter Optimismus, könnte man meinen, bei Kröger in Sachen Warnow-Brücke: "Wir warten auf den Anruf aus der Hauptstadt", sagt sie. Sollte der kommen und die vielen Millionen finden tatsächlich ihren Weg an die Warnow, dann sei Rostock willens, das Projekt umzusetzen. 2026 bleibe aber ein sportliches Ziel. Denn aktuell steht ja noch kein einziger Bagger am Warnowufer, bestätigt OB Kröger. Ob und wann sich da etwas ändert, das kann auch sie nach dem ersten Jahr im Amt nicht sagen.
"Viele Probleme": Einfach abhaken geht nicht
Dass der belgische Windparkzulieferer Smulders sich in Rostock ansiedelt, das wertet Kröger als großen Erfolg, den sich Stadt, Land und Bund gemeinsam anrechnen könnten. Beweis dafür sei der neue Sitz von "Neptun Smulders Engineering" in der Werftallee - ein Unternehmen, das aktuell nach Fachkräften sucht.
Auch was darüber hinaus in den letzten Monaten an Positivem zu konstatieren ist, hält sie sich doch eher als Bürgerschaftsmitglied gemeinsam mit ihren Ex-Kollegen und der Verwaltung zugute. Damit meint sie die neue Geburtsstation in der Südstadtklinik und auch den aufgehübschten Rosengarten. Ein Höhepunkt für sie war, dass ihr erklärtes Herzensprojekt, der Theaterneubau, durch die Bekräftigung der Beschlüsse in der Bürgerschaft, trotz oder gerade wegen aller Debatten, auf neue Füße gestellt wurde.
Dass beim Neubau am Bussebart bereits heute die ersten anhaltenden Verkehrseinschränkungen für die Magistrale an der Warnow geplant werden müssen, das sei nun mal nicht zu verhindern und gehe vorbei. Nicht zuletzt, so die ganz persönliche Bilanz, stehe jetzt das Kleingartenentwicklungskonzept für Rostock und auch der Ausbau des Straßenbahnnetzes sei beschlossene Sache. Doch klar scheint auch der Oberbürgermeisterin zu sein: Allen wohlgetan ist eine Kunst, die keiner kann. Die meisten Probleme werden ihr und der Stadt erhalten bleiben.
"Druck gehört dazu, fair muss es bleiben"
Ein bisschen Show im Rathaussaal darf sein. Zumal in einigen Wochen die Kommunalwahlen anstehen, findet Kröger. Dass die Bürgerschaft kritisch auf die Oberbürgermeisterin schaut und auch Druck macht, das gehöre zum demokratischen Miteinander. So etwas müsse man aushalten und da sei sie auch nicht empfindlich - solange es eben fair bleibt. Das habe sie 13 Jahre in der Bürgerschaft praktiziert und damit werde sie nicht aufhören. Fazit aus ihrer Sicht: "Ich bin zufrieden mit der Zusammenarbeit."
Der Chef der SPD-Fraktion Thoralf Sens gibt die Note "Gut" für das erste Amtsjahr. Die Kommunikation klappe. Hier zeige sich ein klarer Wandel mit Blick auf ihre Vorgänger. Es gebe zwar unterschiedliche Auffassungen, wie zum Beispiel bei den Kleingärten oder der Straßenbahnerweiterung, aber die Verwaltung werde gut geführt. Das sehen die Grünen auch so. Sie packe Sachen an und gehe aktiv auf die Bürgerschaft und die Stadtgesellschaft zu, meint die Fraktionsspitze Uwe Flachsmeyer. Man könne sich auf ihr Wort verlassen. Eva-Maria Kröger arbeite unaufgeregt und bürgernah, sie ist zugewandt und nicht abgehoben, sagt Sybille Bachmann vom Rostocker Bund.
Doch, wie auch nicht anders zu erwarten, gibt es auch Unwillen ob des Geleisteten: CDU-Chefin Chris Günther unterstellt, dass Kröger nur die Oberbürgermeisterin des eigenen Wählerkreises sei. Ihr fehle das Engagement für die Unternehmer und sie meint, es gebe bislang nur Lippenbekenntnisse ohne konkrete Fortschritte. Und nicht zuletzt die FDP in der Bürgerschaft: Die befindet, außer beim Theater sei kein Projekt vorangekommen. Fazit von Julia Kristin Pittasch: "Weniger Ideologie, mehr Anpacken." Also, es gibt auch Gegenwind in der Bürgerschaft. Die Frage, die sich vielleicht nicht nur der Verwaltungschefin stellen wird, ist, wie die Mehrheiten in der Bürgerschaft nach der Wahl im Juni aussehen. Nicht auszuschließen, dass die wirkliche Feuerprobe für die Oberbürgermeisterin erst noch bevorsteht.
"Dicke Bretter": Was ist zu hoffen, was zu befürchten
Was ansteht in den kommenden Jahren, das sind eine Vielzahl einzelner, eben auch sehr teurer, Projekte der Stadtentwicklung, bei denen man in Rostock dann irgendwann einen Haken machen kann. Oder aber eben auch nicht. Worum es aber gleichsam als Basis gehe, das sei eine vernünftige demokratische Mehrheit in der Bürgerschaft, findet Kröger mit Blick auf die kommenden Kommunalwahlen. Als Demokratin habe sie keine Lust auf rechtsextreme Mehrheiten. Das wäre gefährlich für die Stadt. Deshalb hofft sie, "dass die Menschen zur Wahl gehen werden und dabei daran denken, dass es bei der Bürgerschaftswahl letztlich um eine Stadt geht, in der vernünftig gearbeitet werden kann."