Grevesmühlen: Staatsschutz ermittelt zu rassistischer Attacke auf zwei Mädchen
Nach dem Angriff auf zwei Mädchen einer Familie mit ghanaischer Abstammung und deren Vater in Grevesmühlen am Freitag können Zeugen der Polizei nun über eine Internetseite ihre Beobachtungen mitteilen. Die Ermittlungen führt der Staatsschutz.
Die Ermittlungen zu dem rassistischen Angriff auf zwei Mädchen aus einer Familie mit ghanaischer Abstammung und ihren Vater in Grevesmühlen werden bereits von Beginn an vom Staatsschutz geführt. Das teilte das Polizeipräsidium Rostock am Montag auf Nachfrage mit. Eine extra eingerichtete Ermittlungsgruppe werte unter Hochdruck Zeugenaussagen und Bildmaterial aus und habe unter der Internetseite https://mv.hinweisportal.de eine weitere Möglichkeit für Zeugen eröffnet, ihre Beobachtungen oder ihr Wissen mitzuteilen. Zeugen könnten sich weiterhin auch an jede Polizeidienststelle wenden.
Achtjähriger ins Gesicht getreten
Am Freitagabend war es in Grevesmühlen offenbar zu einem rassistisch motivierten Angriff auf zwei acht und zehn Jahre alte Mädchen aus einer Familie mit ghanaischer Abstammung gekommen. Wie die Polizei am Sonnabend mitteilte, sollen die Täter dabei dem jüngeren Mädchen unter anderem ins Gesicht getreten haben. Bei den Angreifern soll es sich um bis zu acht Personen aus einer Gruppe von insgesamt 20 Jugendlichen handeln. Sie sollen den beiden Mädchen gegen 19.30 Uhr am Ploggenseering Gewalt angetan haben, als diese vom Sport auf dem Weg nach Hause waren.
Ermittlungen wegen Körperverletzung und Volksverhetzung
Als der Vater der beiden Mädchen die Jugendlichen zur Rede stellte, sei auch er angegriffen worden. Der Vater und seine jüngere Tochter wurden leicht verletzt ins Krankenhaus gebracht. Ein Unbekannter soll die Opfer der Attacke außerdem rassistisch beleidigt haben. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch, gefährlicher Körperverletzung, Volksverhetzung und Beleidigung und sucht Zeugen.
Mutmaßlich rassistische Parolen auf dem Stadtfest
Auf dem Stadtfest in Grevesmühlen sollen zudem am Freitag Unbekannte zum Lied "L'Amour toujours" rassistische Parolen gegrölt haben. Ob es einen Zusammenhang mit dem Angriff auf die Mädchen besteht, werde geprüft, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Rostock gegenüber NDR 1 Radio MV.
Baerbock: Dagegen aufzustehen, ist Aufgabe für uns alle
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zeigte sich entsetzt über den Angriff auf die Familie in Mecklenburg-Vorpommern. "Wie hasserfüllt muss man sein, selbst Kinder anzugreifen?", schrieb sie am Sonntag im Onlinedienst X. "Rassismus ist menschenverachtend und will unsere Gesellschaft spalten." Die gesamte Gesellschaft müsse dagegen kämpfen.
"Dagegen aufzustehen, ist Aufgabe für uns alle, jeden Tag aufs Neue - egal ob in der Schule, dem Job oder beim Sport", schrieb Baerbock.
"Dumpfer Hass und unfassbare Unmenschlichkeit"
Auch die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) teilte auf X am Sonntagnachmittag mit: "Kinder rassistisch zu beschimpfen und brutal zu attackieren, zeugt von dumpfem Hass und unfassbarer Unmenschlichkeit. Meine Gedanken und Solidarität gelten den Kindern und ihren Familien."
Schwesig: Abscheuliche Tat muss Konsequenzen haben
Zuvor zeigte sich schon Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) entsetzt über den mutmaßlich rassistischen Angriff. "Das verletzte Mädchen ist acht Jahre alt - so jung wie meine Tochter." Schwesig schrieb auf der Plattform X, man dürfe nicht zulassen, dass Hass und Hetze unsere Gesellschaft vergiften und Gewalt unsere Kinder bedroht. Ihre Gedanken und ihr Mitgefühl seien bei den betroffenen Kindern und ihrer Familie. "Diese abscheuliche Tat muss rasch Konsequenzen haben. Rassismus und Gewalt sind widerlich. Das gilt erst recht, wenn Kinder angegriffen werden", hieß es in dem Beitrag weiter.
Innenminister Pegel verurteilt Attacke
Auch Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD) verurteilte den Angriff auf die zwei ghanaischen Mädchen aufs Schärfste. "Man greift keine Menschen an, erst recht keine Kinder und schon gar nicht aus rassistischen Motiven", sagte Pegel. Für Rassismus sei in der Gesellschaft kein Platz.
Bürgermeister: Tat lässt sich nicht entschuldigen
Der Bürgermeister von Grevesmühlen, Lars Prahler (parteilos), reagierte am Sonnabend erschüttert auf den Angriff. "Diese rassistisch motivierte Tat macht mich einfach fassungslos. Das zeugt von bodenlosem Hass und enthemmter Unmenschlichkeit und lässt sich nicht entschuldigen. Auch nicht dadurch, dass es [die Täter] Jugendliche sind", so Prahler im Interview mit NDR 1 Radio MV. Er besuchte die betroffene Familie am Sonnabend. Diese lebe seit etwa 2016 in Grevesmühlen. "Die Tat hat natürlich Spuren hinterlassen - körperlich und in den Köpfen, insbesondere der Kinder."
Zeichen setzen in schwierigen Zeiten
"Ich glaube, wir leben gerade in sehr schwierigen Zeiten, wo komplexe Probleme auf der Straße liegen und diejenigen es einfach haben, die mit dumpfen Parolen und einfachen Lösungen Leute einfangen, als Menschenfänger", führte Prahler weiter aus. Es sei auch an der Zeit, dass die Mehrheitsgesellschaft, die das Abdriften in rassistische Menschenbilder ablehne, sich Gehör verschaffe und Zeichen setze.
Integrationsbeauftragte Michael appelliert an Jugendliche
Die Integrationsbeauftragte des Landes, Jana Michael, sprach von einer "abscheulichen und schockierenden Tat". Sie appellierte an die Mitglieder der Jugendgruppe, die Täter zu benennen und nicht aus Gruppendruck zu schweigen. "Jeder Zeuge, der schweigt, macht sich mitschuldig und verhindert die Aufklärung dieser widerlichen Gewalt an Kindern." Ihre Gedanken seien bei der angegriffenen Familie. "Dem verletzten achtjährigen Mädchen und ihrem Vater wünsche ich eine schnelle Genesung."
Landrat: Verhalten ist nicht zu tolerierender Grenzübertritt
Am Sonnabendnachmittag verurteilte auch Landrat Tino Schomann (CDU) die Tat aufs Schärfste: "Verabscheuungswürdige Taten wie diese lassen mich sprachlos zurück." Dass die Täterinnen und Täter noch im jugendlichen Alter waren, sei keine Entschuldigung. Auch sie müssten zur Rechenschaft gezogen werden. "In meinem Landkreis ist kein Platz für Gewalt", stellte Schomann klar. "Taten wie diese sind eine Schande. Aus einer Gruppe heraus auf die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft loszugehen ist an Feigheit kaum zu übertreffen." Er hoffe inständig, dass die Polizei die Täter ermittelt und angemessen bestraft. Denn so ein Verhalten sei in Nordwestmecklenburg ein nicht zu tolerierender Grenzübertritt, erklärte Schomann.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels war die Rede von zwei Mädchen aus Ghana. Richtig ist, dass die attackierte Familie in Grevesmühlen lebt und ghanaischer Abstammung ist. Wir haben die entsprechenden Passagen korrigiert.