Pflanzenschützer in MV warnen: Gefahren bei privatem Samentausch
Das Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei, kurz LaLLF, warnt davor, Pflanzensamen privat zu tauschen. Über das Saatgut könnten Krankheiten weitergereicht werden.
In Deutschland gibt es nachweisbar nahezu 400 verschiedene Schadorganismen. Sie überleben mitunter Jahre, vor allem auch in Samen, die aus Pflanzen gewonnen werden. Um eine Ausbreitung zu verhindern, werden deshalb alle offiziell gehandelten Samen von Experten eingehend untersucht, inklusive der Böden, in denen sie später ausgebracht werden. Auch dort bestehen gute Überlebenschancen für die Schadorganismen. Der Klimawandel verstärkt dies noch, da die Winter hierzulande nun milder verlaufen und Frost nicht mehr garantiert mögliche Schaderreger tötet.
Jordan-Virus breitet sich europaweit rasant aus
Als ein besonders aggressives Virus wird beispielsweise das Jordanvirus klassifiziert. 2018 wurde es erstmals auch in deutschen Gewächshäusern nachgewiesen. Das Virus stammt ursprünglich aus Jordanien. Es befällt bevorzugt Tomaten, aber auch Gemüsepaprika. Darauf verweist der Dezernatsleiter Pflanzengesundheit im LaLLF, Armin Hofhansel. "Wir haben deutschlandweit mehrere Produktionsbetriebe, in denen das Virus nachgewiesen wurde und bis zu Totalausfällen geführt hat". Für Gemüseanbauende geht damit ein hoher wirtschaftlicher Verlust einher. Werden Tomatensamen unkontrolliert unter Kleingärtnern getauscht, könnte sich das wiederholen, so die Befürchtung.
Erhaltung der genetischen Vielfalt
Die vielen Saatgutbörsen hierzulande werden meist ehrenamtlich organisiert. Die Anbieter verweisen auf ein weltweites Anliegen. 2015 hatte die Weltgemeinschaft die Agenda 2030 verabschiedet. Dieser Fahrplan für die Zukunft soll ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, speziell auch Kleinbauern die Existenz sichern. Eines der 17 Nachhaltigkeitsziele umfasst den Wunsch, genetische Vielfalt von Saatgut und Kulturpflanzen zu erhalten. Schätzungsweise 90 Prozent aller in der Vergangenheit angebauten Sorten sind inzwischen aus dem Handelsangebot verschwunden. Um unabhängig von großen Konzernen zu bleiben, die hochgezüchtetes Saatgut anbieten, setzen viele Kleinstproduzenten weltweit auf selbst gewonnenes Saatgut. Und genau diese Idee haben die Samenbörsen hierzulande aufgegriffen. Unter den Initiatoren sind der BUND, einzelne Kommunen, die Universität Rostock, die Heinrich-Böll-Stiftung, Natur im Garten MV, RENN.nord und der Verein Fruchtwechsel.
Organisatoren halten an Saatgutbörsen fest
Stefanie Busch ist die Vorsitzende des Vereins Fruchtwechsel e.V.. Sie betreibt eine Gärtnerei mit eigener Saatgutgewinnung in Wilsen, im Landkreis Rostock. Auf Samenbörsen informiert sie über die Gefahren und versucht, zu sensibilisieren - genau hinzuschauen, ob Pflanzen beim Wachsen gesund aussehen oder nicht. Krankheiten ließen sich schnell erkennen, wenn der Aufwuchs ins Stocken gerät oder die Pflanzen zusammenbrechen, so Stefanie Busch. Denn für sie sind und bleiben die Saatgutbörsen ein wichtiges Angebot. "Zum einen gehört Saatgut schon immer in viele Hände und Menschen gaben es weiter. Man wird das nicht unterbinden können." Stefanie Busch setzt auf Aufklärung. Der Verein Fruchtwechsel dreht gerade Infofilme, die bei künftigen Tauschbörsen auf das Problem aufmerksam machen sollen.
Pflanzenschützer setzen auf Aufklärung
Gleichzeitig möchte die Aktivistin auch das Landesamt für Pflanzenschutz in Rostock verstärkt in die Aufklärungsarbeit mit einbinden - eine Idee, die im LaLLF gut ankommt. Auch dort plädieren die Experten für mehr Aufklärung und Sensibilisierung. Ein generelles Verbot des privaten Samentausches schließen beide Seiten aus. Dies sei nicht nur rechtlich schwierig, sondern auch praktisch kaum durchsetzbar.
Probleme mit Kartoffeln im Kleingarten melden
In diesen Tagen bringen viele Hobbygärtner Kartoffeln in den Boden. Auch hier warnen Pflanzenschutzexperten davor, die eigenen Kartoffeln der vergangenen Ernte zu nutzen. Hier sei die Gefahr besonders groß, dass Krankheiten sich ausbreiten. Das könnte auch verheerende Folgen für die Landwirtschaft haben, denn Kleingärten grenzen oft direkt an Felder, bzw. befinden sich in deren unmittelbarer Nähe. So könnten Viren oder auch Blattläuse sich uneingeschränkt ausbreiten und Bestände komplett befallen. Darauf verweist Dieter Ewald vom Saatgutverband MV. Mecklenburg-Vorpommern ist als klassisches Anbauland für Pflanzkartoffeln europaweit anerkannt. Namhafte Zuchtunternehmen hierzulande bringen ständig neue Sorten hervor. Dieses Bemühen sei akut gefährdet, wenn der unkontrollierte Anbau auf nur wenigen Quadratmetern im Garten anhält, appellieren auch die Experten aus dem Landespflanzenschutzamt an alle Kleingärtner. Sie bitten, auffällige Proben oder Probleme umgehend dem LaLLF in Rostock zu melden.
Für Landwirte bleibt es beim streng kontrollierten Anbau
Eine EU-Richtlinie schreibt detailliert vor, wie Saatgut auf seine Qualität zu prüfen ist, bevor es in den Boden kommt. Festgestellte Schadorganismen haben zur Folge, dass das Saatgut gesperrt, für den Handel nicht freigegeben wird. Das wird streng kontrolliert, auch in Mecklenburg-Vorpommern. Für den Geschäftsführer des Saatgutverbandes MV, Dieter Ewald, der einzig richtige Weg, um Natur und Umwelt zu schützen. "Wir in Mecklenburg-Vorpommern sind auf einem sehr hohen Level dieser rechtlichen Vorschriften". Das bedeutet: Saatgut, das in Mecklenburg-Vorpommern professionell vermehrt wird, hat mehrheitlich eine sehr gute Qualität.