LNG in Mukran: Sassnitz sieht Chance in Bundesentscheidung
Das Kabinett hat nun erste Fakten geschaffen: Rügen steht in der Novelle des LNG-Beschleunigungsgesetzes. Das sorgt in Binz erneut für Unmut und Zweifel an der versprochenen Dialogbereitschaft aus Berlin. In Sassnitz fällt die Reaktion auf die Bundesentscheidung gelassener aus. Zweifel an der versprochenen Dialogbereitschaft aus Berlin werden laut. Vom zuständigen Bundesministerium heißt es hingegen auch jetzt noch: Es stehe weiterhin nichts fest.
Innerhalb weniger Stunden und ohne vorherige Ankündigung hat die Mehrheit der Bundesminister und -ministerinnen am Mittwoch schriftlich dem Vorschlag aus dem Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) grünes Licht gegeben. Damit steht der Kabinettsbeschluss zur Aufnahme Rügens ins LNG-Beschleunigungsgesetz. Der Startschuss für das Gesetzgebungsverfahren ist damit offiziell gefallen. In einer Mitteilung schreibt das Ministerium zu Mukran: "Der Hafen ist ein ausgewiesenes Gewerbe- und Industriegebiet, sodass Baumaßnahmen sowie die Verankerung industrieller Anlagen wie FSRUs hier verträglicher umsetzbar sind." FSRU ("Floating Storage and Regasification Unit") ist die englische Bezeichnung für ein schwimmendes LNG-Terminal.
Landesminister hatten um Aufschub gebeten
Nur wenige Stunden vor Beginn der Abstimmung in den Reihen der Bundesregierung hatten Landeswirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) und Landesumweltminister Till Backhaus (SPD) den Bund noch darum gebeten, mit eben solchen Schritten abzuwarten. Sie argumentierten am Dienstagabend: Es brauche mehr Zeit für Gespräche und Erörterungen, um Akzeptanz vor Ort für das Projekt zu schaffen. Dieser Bitte hat der Bund nun offenbar einen Korb erteilt.
Vorwurf aus Binz: Kabinett beschließe am Bürgerwillen vorbei
Für dieses Vorgehen erntet der Bund harsche Kritik wie etwa vom Binzer Tourismusdirektor, Kai Gardeja: "Die Bundesregierung stellt erneut ihr rigides und demokratieschädigendes Vorgehen unter Beweis." Er wirft dem Bund vor, "erneut klammheimlich Fakten an den Bürgern vorbei" geschaffen zu haben. Gardeja und auch der Binzer Bürgermeister, Karsten Schneider (parteilos), bemängeln: Noch immer habe der Bund keinen plausiblen Bedarfsnachweis für ein solches Terminal erbracht. Schneider wertet den Kabinettsbeschluss wie folgt: "Die Bundesregierung hat sich nun scheinbar endgültig entschlossen, die Insel Rügen, ihre Natur, den Tourismus und den Lebensraum der Menschen irreparabel zu zerstören." Die beiden Binzer kündigen erneut an, mit allen Mitteln gegen ein solches LNG-Terminal vorzugehen.
Entsetzen und Enttäuschung über Bundesvorgehen
Der Initiator der Bundestagspetition gegen ein LNG-Terminal auf Rügen, der SPD-Gemeindevertreter Marvin Müller, zeigte sich entsetzt von dem Vorgehen. "Man kann sich nicht am Freitag in Mukran hinstellen und sagen „Wir machen alles besser“ und dann so etwas abziehen." Müller ist sich sicher, dass der Bund so das Vertrauen und die Akzeptanz vor Ort verspiele. Ähnlich sieht das auch die Bundestagsabgeordnete, Anna Kassautzki (SPD), die ihren Wahlkreis auf Rügen hat. Sie sei enttäuscht, da man sich eigentlich auf einen transparenten und rücksichtvollen Umgang geeinigt habe. "Die Änderung des LNG-Gesetzes im Umlaufverfahren im Kabinett durchzudrücken ist das genaue Gegenteil. Klar ist aber auch: Kein Bau ohne Genehmigung. Und die Prüfungen werden vom Land ordentlich gemacht", so Kassautzki zum NDR.
Bundeswirtschaftsministerium: Gespräche laufen noch
Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums unterstreicht nach dem Kabinettsbeschluss auf NDR-Anfrage: "Damit steht noch nichts fest." Auch wenn Mukran nun Teil der Gesetzesnovellierung sei, würden die Gespräche mit der Landesregierung zum Standort eines LNG-Terminals in der Ostsee weiterlaufen. Zusätzlich stellt das Ministerium in einer Mitteilung fest: "Natürlich müssen die zuständigen Landesbehörden die konkreten Planungsunterlagen im Rahmen des Genehmigungsverfahren umfassend prüfen." Der Startschuss für die politischen Abstimmungen sei nur deshalb jetzt notwendig geworden, um den gewünschten Zeitplan überhaupt noch halten zu können, so die Sprecherin. Noch vor der Sommerpause will das Bundeswirtschaftsministerium das Gesetzesverfahren abschließen. Dafür sind noch Beratungen und Abstimmungen sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat nötig. Die letzte mögliche Sitzung ist Anfang Juli.
Stadtpräsident Sassnitz: "Mehrheit in der Stadtvertretung ist für Terminal"
Versöhnlichere Töne schlägt hingegen der Sassnitzer Stadtpräsident, Norbert Benedict (SPD), an. Er reagiere gelassen auf den Kabinettsbeschluss aus Berlin, sagte er dem NDR. Solch eine Abstimmung in der Bundesregierung gehöre eben zum Verfahren und sei nicht überraschend, so der Sozialdemokrat aus der Hafenstadt. Weiter sagt er: "Der Bundesregierung geht es doch nicht darum, uns hier einfach ein Terminal hinzusetzen. Es geht um die Energiesicherheit Deutschlands. Da müssen wir nach vorne blicken, den Prozess mit unseren Argumenten mitgestalten und unseren Beitrag leisten." Der Stadtpräsident erklärte, die Mehrheit in der Stadtvertretung sei für das Terminal und verstehe die Pläne des Bundes als Chance. Es beschleunige die ohnehin in Sassnitz geplante Transformation des Standortes in einen Energiewirtschaftshafen. Davon verspricht sich Benedict unter anderem gut bezahlte Jobs mit Zukunftsperspektive.
CDU will Habeck im Ausschuss befragen
Das Kommunikationsverhalten des Bundeswirtschaftsministeriums in Sachen LNG rund um Rügen könnte unterdessen ein Nachspiel für Robert Habeck haben. Hintergrund ist die öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss in der Angelegenheit. Bei der Sitzung Anfang Mai hatte der parlamentarische Staatssekretär, Stefan Wenzel (Bündnis 90/Die Grünen), auf Nachfragen mehrfach angegeben, die LNG-Standortsuche in der Ostsee sei ein noch offenes Verfahren. Wenzel erklärte in der Sitzung, niemand habe sich bislang auf Mukran festgelegt. Doch nach dem Termin wurde bekannt, dass Robert Habeck bereits drei Tage vorher in einem Brief der Landesregierung in Schwerin mitgeteilt hatte, dass der Bund ein neues LNG-Terminal im Hafen von Mukran errichten wolle. Deshalb will die CDU im Bundestag bei der Petitionsausschusssitzung am kommenden Mittwoch in Berlin darüber abstimmen lassen, ob der Bundesminister selbst in den Ausschuss geladen wird. "Wenn der Staatssekretär nicht in der Lage ist, den Ausschuss umfassend zu informieren, dann muss der Minister Rede und Antwort stehen", sagte der CDU-Abgeordnete, Andreas Mattfeldt, dem NDR. Ob es im Ausschuss eine Mehrheit für diesen Antrag geben wird, ist noch nicht abzusehen.