LNG-Terminal auf Rügen: Das beeindruckt die Touristen
Seit der Eröffnung im Frühjahr liefen das LNG-Terminal auf der Insel Rügen viermal große LNG-Tanker an, um Flüssigerdgas zu entladen. Damit bleibt das Terminal weit hinter den Erwartungen zurück. Wird es also gar nicht benötigt? In der neuesten Podcastfolge "MV im Fokus" geht ausführlich um das Terminal.
Andreas Küstermann ist Reiseführer auf der Insel Rügen. Seit anderthalb Jahren sind bei seinen Führungen nicht nur die Kreidefelsen und Seebäder ein Thema, sondern auch das LNG-Terminal, das bundesweit in die Schlagzeilen geriet. Emotionen, so wie auf Rügen, treibt das Terminal bei den Urlaubern nicht hoch.
"Die Urlauber sind eher neugierig, die wollen Wissen mitnehmen, die registrieren, da passiert was. Ich erzähl natürlich auch ein bisschen die Konflikte da drum, was da passiert. Und da ist selten jemand aggro. Die finden es eher spannend, Interna mitzukriegen", sagt Küstermann.
"Nur eine Mini-Anlage im Verhältnis zur Größe der Insel"
Peter Rathai, pensionierter Polizist aus Peine (Niedersachsen), lauscht den Ausführungen Küstermanns auf der Insel-Tour. Der Schönheit Rügens schade das Terminal in keiner Weise, meint er. "Weil es ist ja nur eine kleine Mini-Anlage im Verhältnis zur Größe der Insel. Von daher stört mich das gar nicht."
Die Befürchtungen von Rüganern, das Terminal werde dem Tourismus nachhaltig schaden, haben sich bislang nicht bestätigt. Die Urlauberzahlen bewegen sich nicht nur auf Vorjahresniveau, sondern liegen sogar leicht darüber. Während für die Touristen das Terminal lediglich ein spannender Anlaufpunkt während einer Insel-Rundfahrt ist, müssen die Rüganer dauerhaft damit leben.
Stadtvertreter über Lärm: "Wer das nicht wahrnimmt, sollte zum Ohrenarzt gehen"
Stefan Grunau führt in Sassnitz eine Pension. Er sitzt für die CDU in der Stadtvertreterversammlung und ist auch Mitglied im Aufsichtsrat des Fährhafens. Für ihn haben sich erste Erwartungen an das Terminal erfüllt: Die schnelle Vertiefung des Hafenbeckens - das sei ohne das LNG-Terminal undenkbar. Kommt der Hafen in Fahrt, könnte die Abwärme von dort für die Fernwärme der Häuser in Sassnitz genutzt werden. Ein Schub für die kommunale Wärmeplanung, so Grunau. Aber er sagt auch: "Die Gasmangellage in Deutschland ist kein Thema, was die Menschen hier interessiert. Die Menschen interessiert das aktuelle Thema, und das ist der Lärm. Der Lärm tritt in der Tat phasenweise auf, temporär. Aber er ist doch zu bemerken. Wenn sich jemand hinstellt und sagt, er nimmt es nicht wahr, er sollte zum Ohrenarzt gehen."
Nach Angaben des Umweltministeriums in Schwerin wurden seit Inbetriebnahme des Terminals in vier Nächten Überschreitungen der Immissionsrichtwerte gemessen. Aktuell werde geprüft, ob deswegen ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werde, so eine Sprecherin. Laut Ministerium stammen die Geräusche von einer technischen Anlage, der GCU (Gas Combustion Unit = Gasverbrennungsanlage). Aufgrund von Verunreinigungen in den Filtern der Gasbehandlungsanlage sei es zum wiederholten Einsatz dieser Anlage gekommen - zumindest habe das der Terminalbetreiber Deutsche Regas so der Genehmigungsbehörde mitgeteilt, heißt es aus dem Ministerium.
Sondersitzung zum Lärm: Terminalbetreiber soll sich erklären
Die Stadtvertretung hat jetzt die Deutsche Regas und die Genehmigungsbehörde zu einer Sondersitzung zum Thema Lärm eingeladen. Sassnitz will am 29. Oktober Antworten bekommen - und vor allem Lösungen.
Um die Geräusche des Terminals deutlich zu minimieren, soll der Betreiber laut Genehmigungsbehörde ab 1. Januar 2025 eine KWK-Anlage (Kraft-Wärme-Kopplung) in Betrieb nehmen. Die soll das Terminal dann mit Landstrom versorgen. Das wäre deutlich leiser als die Stromversorgung über schiffseigene Generatoren. Doch ob und wann die Deutsche Regas den Aufbau plant, darüber schweigt das Unternehmen: Geschäftsgeheimnis, heiß es vom Terminalbetreiber.
Zweifel an Wirtschaftlichkeit der Anlage
Nicht nur in Sassnitz sorgt das für Unmut. "Es war versprochen, dass dann die KWK-Anlage dort gebaut wird. Bisher gibt es dort keine Aktivitäten, dass die Deutsche Regas das jetzt einlösen würde", so Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe.
"Ich kann mir das jetzt nur erklären, dass man jetzt das Investment scheut, was ja aus wirtschaftlicher Perspektive nicht verwunderlich ist. Wirtschaftlich ist das Projekt nicht stabil, und da muss man jederzeit davon ausgehen, dass die Deutsche Regas sich aus dem Projekt zurückzieht. Und deswegen scheut sie wohl das zusätzliche Investment in einen weiteren teuren Anlageteil."
Versorgt Mukran im Winter Südosteuropa?
Die Gasspeicher sind zu 96 Prozent gefüllt. Seit Frühjahr gab es lediglich vier Anläufe von LNG-Tankern, 110 sind genehmigt. Damit bleibt das Terminal weit hinter den Erwartungen zurück. Ob sich die Situation im Winter ändert, ist nicht nur davon abhängig, wie kalt es wird. Es ist auch davon abhängig, ob der Gastransit-Vertrag zwischen Russland und der Ukraine verlängert wird.
Dazu sagt der Gasmarkt-Experte Heiko Lohmann von der Stiftung Energie und Klimaschutz: "Wenn der Gastransitvertrag nicht verlängert wird und es keine andere Lösung gibt, dann fehlen Europa zwischen 12 bis 15 Milliarden Kubikmeter, die durch die Pipeline transportiert werden. Und es gibt jetzt die Möglichkeit über das Terminal in Mukran, über die Pipeline, die dann von Lubmin bis zur tschechischen Grenze läuft, die dann über die Anbindungsleitung, die dann von Tschechien bis zur Slowakei geht, Mengen nach Österreich und in die Slowakei zu liefern."
Backhaus will Antworten von Habeck
Das Land stand der Investition in Mukran schon immer skeptisch gegenüber. Landesumweltminister Till Backhaus (SPD) will jetzt Antworten vom Bund. Eine Lieferung an andere Staaten wäre zumindest durch das LNG-Beschleunigungsgesetz nicht mehr gedeckt. Denn das zielt auf die Gasversorgung in Deutschland. "Wir haben immer wieder gesagt, wir halten uns an das LNG-Gesetz. Das ist die Grundlage gewesen. Und da geht es um die Gasmangellage und den Bedarf von Gas, um die Verbraucher in Deutschland gut zu versorgen und auch stabil zu versorgen, zu bezahlbaren Preisen. Und das Gleiche gilt auch für die Industrie. Wenn sich das jetzt geändert hat, dann muss Herr Habeck das öffentlich sagen, ob es diesen Bedarf überhaupt noch gibt", so Backhaus.
"MV im Fokus - Das LNG-Terminal in der Ostsee: Wie lebt Rügen damit" - zu hören in der ARD Audiothek, auf ndr.de/mv oder in der kostenlosen NDR MV App.