Insel Rügen: Droht eine Überfischung der Boddenhechte?
Studien des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei zeigen, dass die Hecht-Bestände rund um Rügen rückläufig sind. Der Druck durch die Fischerei könnte zu hoch für die Tiere sein.
Die Boddengewässer rund um Rügen sind bekannt für riesige Hechte. Deshalb kommen Angler aus ganz Europa auf die Insel, um ihren Traumfisch zu fangen. Aber irgendetwas stimmt nicht mit dem Boddenhechten. Angler und Fischer sind besorgt. Es besteht der Verdacht der Überfischung.
Forscher bestätigen Verdacht
Ein Forscherteam vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei mit Sitz am Berliner Müggelsee hat das Verhalten der Hechte drei Jahre lang untersucht. Prof. Dr. Robert Arlinghaus ist der Leiter des Boddenhecht-Projektes. Mit seinem Team hat er die wissenschaftlichen Grundlagen zur Biologie und Nutzung der Hechte in den Bodden erarbeitet. "Ein wichtiges Ergebnis ist, dass aktuell die Bestands-Biomasse rückläufig ist, dass die Bestände zurückgehen", sagte Arlinghaus. Der fischereiliche Druck durch Angler und Fischer sei für den gegenwärtigen Bestand zu hoch.
Umfangreiches Monitoring
Im Frühjahr 2020 startete das größte Forschungsprojekt zum Thema Hecht, das jemals in Deutschland durchgeführt wurde. Über einen Zeitraum von drei Jahren wurden fast 4.700 Fische gemessen, untersucht, mit Fähnchenmarken versehen und dann wieder ausgesetzt. Einige hundert bekamen auch einen Peilsender implantiert. Unterstützt wurden die Wissenschaftler von Fischern, Anglern und Angelguides. Bis 2022 wurden insgesamt 616 markierte Hechte wiedergefangen. So konnten Daten über deren Wanderwege und Wachstum gewonnen werden. Meterhechte bekamen sogar Namen: Lisa, Rosa, Lina oder Linda schwimmen wahrscheinlich noch irgendwo im Bodden herum.
Heimatliebe bei Hechten?
Viele Hechte bleiben Arlinghaus zufolge den ihnen vertrauten Gewässern verbunden. So etwa Linda, ein 1,10 Meter langes Hechtweibchen, das von dem Team in der Grabow markiert wurde. "Das war ein typisches Beispiel für den klassischen Boddenhecht, der überraschenderweise stationär ist, also standorttreu", so Arlinghaus. Jedoch könne man von Linda und anderen standorttreuen Artgenossen noch keine sicheren Erkenntnisse ableiten. "Wir haben natürlich nur zwei Jahre Datenwissen. Wir wissen nicht, was dieser Hecht als Jungfisch getrieben hat", erklärt Arlinghaus das Problem. Außerdem gebe es auch Ausnahmen von diesem Verhaltensmuster: Robert zum Beispiel. Der 72 Zentimeter lange Hecht wurde vor Schaprode markiert und von einem Angler 32 Kilometer weiter westlich im Barther Bodden wieder gefangen.
Forscher empfehlen Maßnahmen
Um die Situation unter Kontrolle zu bringen, empfiehlt das Forscherteam, die "fischereiliche Mortalität", also den Anteil entnommener Hechte, zu reduzieren. "Und da könnnen Minister Backhaus und die Entscheidungsträger ganz unterschiedliche Methoden einsetzen. Man kann Schutzgebiete installieren, man kann Quoten machen, Mindestmaße anheben, man kann Laichschongebiete einrichten“, schlägt Arlinghaus vor. Es könnte also erforderlich sein, dass die Küstenfischereiverordnung überarbeitet wird, damit auch in Zukunft eine nachhaltige Entwicklung des Hechtbestandes in den Boddengewässern gewährleistet ist.