Innenminister Pegel lehnt Auflösung des Verfassungsschutzes ab
Sinn und Methoden des Verfassungsschutzes stehen in der Diskussion. Für Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister gibt es keine Alternative zu der Behörde.
"Verfassungsschützer sind Verschwörungstheoretiker im Auftrag des Staates", so formuliert es Matthias Brodkorb in seinem neuen Buch. Der Verfassungsschutz betätige sich immer häufiger nicht nur als Meinungs- sondern auch als "Gedankenpolizei". Besonders delikat an den Einschätzungen: Brodkorb ist SPD-Mitglied und ehemaliger Bildungs- und Finanzminister von Mecklenburg-Vorpommern. Inzwischen arbeitet er als Publizist, schreibt Artikel für das Magazin "Cicero" und taucht mittlerweile als Experte immer wieder vor allem in konservativen Medien auf. "Gesinnungspolizei im Rechtsstaat?", so der Titel des Buchs, in dem er mehrere Fälle auflistet, in denen der Verfassungsschutz seiner Meinung nach rechtswidrig und unangemessen gehandelt habe.
Forderungen nach Abschaffung des Verfassungsschutzes
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD), der einst mit Brodkorb an einem Kabinettstisch saß, möchte sich auf NDR-Anfrage nicht zu dessen Thesen äußern. Von Zeitungen wie der "Neuen Zürcher Zeitung" oder dem rechtskatholischen Blatt "Die Tagespost" wird sein Buch als Aufforderung zur Auflösung des Verfassungsschutzes interpretiert. Die Aufgaben der Behörde könnten genau so gut von den Staatsschutzabteilungen der Polizei übernommen werden, so die Kommentare der Zeitungen. Die Debatte ist nicht neu: Auch der liberale Publizist und ehemalige Chefredakteur der "Süddeutschen Zeitung", Heribert Prantl, hatte bereits vor drei Jahren in einem Artikel die Auflösung des Inlands-Nachrichtendiensts gefordert.
Polizei soll Aufgaben übernehmen
Auch Prantl will den Verfassungsschutz in die Polizei eingliedern und juristisch überwachen lassen: "Die Staatsanwaltschaften haben auch Staatsschutzabteilungen; die haben dann den polizeilichen Verfassungsschutz zu kontrollieren", schlägt der Publizist vor. Innenminister Pegel weist das zurück: "Unseren Verfassungsschützern geht es darum, Gewaltaufrufen und Angriffen gegen die Demokratie entgegen zu wirken, und das eben bereits im Vorfeld einer Straftat". Genau deswegen sei diese Institution auch wichtig für die Demokratie, so der SPD-Politiker. Dem Staatsschutz der Polizei diese Aufgaben zu übertragen, sei verfassungsrechtlich nicht möglich. Zu den präventiven Aufgaben des Verfassungsschutzes gehöre es auch, Finanzströme in extremistischen Szenen aufzudecken oder überhaupt zu entdecken. Das sei auch ein Schwerpunkt der Arbeit der Behörde in Mecklenburg-Vorpommern, so Pegel.
Zusätzliche Kompetenzen für Verfassungsschutz
Auf Bundes- und Landesebene läuft die Debatte nämlich genau in diese Richtung. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will die Kompetenzen der Verfassungsschützer ausweiten: Der Inlands-Nachrichtendienst soll mit mehr Personal und Befugnissen ausgestattet werden und damit Nachforschungen zu Finanzströmen links- und rechtsextremistischer Gruppierungen vereinfachen. Eine entsprechende Änderung des Verfassungsschutzgesetzes wird derzeit im Bundesinnenministerium vorbereitet. Anlass ist das Treffen rechter und rechtsextremistischer Kreise in der Potsdamer Villa Adlon im November vergangenen Jahres. Dabei ging es auch um hohe Geldspenden. Geld, dass laut der Recherche-Plattform "Correctiv" in "Influencer-Projekte, in Propaganda, in Aktionsbewegungen und universitäre Projekte" fließen sollte.
Brandenburg geht voran
Die brandenburgische Landesregierung hat bereits darauf reagiert. Dort kann der Inlands-Nachrichtendienst künftig bereits Geldströme nachverfolgen, wenn durch Einschüchterungen oder Fehlinformationen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bedroht sein könnte. Bisher mussten handfeste Beweise vorliegen, wenn etwa eine Gruppierung "zu Hass und Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung" aufrief. Grundsätzlich hält auch der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern diese Befugnisse für den Verfassungsschutz des Landes für notwendig. Welche Bestimmungen dafür ins Landesverfassungsschutzgesetz aufgenommen werden müssten, sei derzeit aber noch in der Prüfung, schreibt das Ministerium in Schwerin dem NDR. Das Gesetz soll noch vor der kommenden Landtagswahl 2026 überarbeitet werden.