Fragen und Antworten zum Thema Asylrecht und Abschiebung
Immer wieder gibt es Debatten über die Zahl der Schutzsuchenden in Deutschland, um Grenzkontrollen und Abschiebungen. Wer fundiert mitreden möchte, muss einige zentrale Begriffe kennen und sollte sich auch mit aktuellen Zahlen auskennen.
Welche Schutzformen gibt es für Geflüchtete?
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist zuständig für die Asylverfahren. Bei jedem einzelnen Antrag wird geprüft, ob eine der vier folgenden Schutzformen vorliegt. Unterschieden wird: Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz oder Abschiebeverbot.
Was genau bedeuten die vier Schutzformen?
Asylberechtigung: Wer politisch verfolgt wird, hat nach Art. 16a des Grundgesetzes das Recht auf Asyl. Das bedeutet, wenn Personen im Herkunftsstaat schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind, aufgrund ihrer Rasse (in Anlehnung an die Definition der Genfer Flüchtlingskonvention), Nationalität, politischen Überzeugung, Religion oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (z.B. sexuelle Orientierung). Dabei geht es um Verfolgung, die vom Staat ausgeht. Asylschutz bedeutet für die Betroffenen, dass sie eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis bekommen, dass sie arbeiten dürfen und Anspruch auf Familiennachzug haben.
Flüchtlingsschutz: Hier ist die Grundlage die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951. In diesem Fall sind Personen zu schützen, die begründet eine Verfolgung wegen ihrer Rasse, Nationalität, politischen Überzeugung, Religion oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe fürchten. Dabei gilt auch die Verfolgung durch nicht-staatliche Gruppen (z.B. Terroristen). Die Personen müssen außerhalb ihres Heimatstaates leben. Auch für diese Personen gilt, dass sie eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis bekommen, arbeiten und ihre Familien nach Deutschland holen dürfen. In Ihrer Statistik fasst das BAMF die Schutzquote für Asylberechtigung und Flüchtlingsschutz zusammen. Von bisher insgesamt 4.518 Entscheidungen bundesweit im Jahr 2024 haben 523 diese Schutzformen zugesprochen bekommen. Das sind 11,6 Prozent (Stand September 2024).
Subsidiärer Schutz: Nach Paragraf 4 des Asylgesetzes kann subsidiärer Schutz gewährleistet werden, wenn Asylberechtigung und Flüchtlingsschutz nicht greifen, aber im Heimatland ernsthafter Schaden durch Folter oder die Todesstrafe droht oder Bürgerkrieg herrscht. In Deutschland erhalten vor allem Menschen aus Syrien diesen Status. 2023 waren es bundesweit 67.044. Im Vergleich dazu: Asylberechtigt waren 120 Menschen aus Syrien, 10.494 erhielten den Flüchtlingsstatus. Der subsidiäre Schutz sieht nur eine Aufenthaltserlaubnis von einem Jahr vor, die für zwei Jahre verlängert werden kann. Auch hier ist eine Erwerbstätigkeit gestattet, allerdings gibt es keinen Anspruch auf Familiennachzug. Die Entscheidung liegt im Ermessen der Behörden und ist insgesamt begrenzt auf 1.000 Menschen pro Monat, die insgesamt nach Deutschland kommen dürfen.
Abschiebeverbot: Im Asylverfahren prüft das BAMF mögliche Abschiebungsverbote. Das gilt, wenn die Abschiebung eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt und eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben und Freiheit im Zielstaat besteht. Betroffene Personen können dann eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erhalten, die verlängert werden kann. Damit dürfen sie auch in Deutschland arbeiten.
Was ist unter einer Duldung zu verstehen?
Eine Duldung ist die Aussetzung einer Abschiebung. Eine Duldung bedeutet unter anderem, dass der Asylantrag abgelehnt wurde, aber die Ausreise nicht möglich ist. Mögliche Gründe: Die Identität der Person ist unklar, es bestehen keine Flugverbindungen, wegen Krankheit, einer allgemeinen Gefährdungslage im Zielland, aber auch bei Ausbildung, Beschäftigung und Familientrennung. In Mecklenburg-Vorpommern hielten sich zum Stichtag 31. Juli 2024 insgesamt 3.907 ausreisepflichtige Personen auf, von denen allerdings 3.380 über eine Duldung verfügen. (Quelle: Ministerium für Inneres, Mecklenburg-Vorpommern)
Wie verteilen sich die einzelnen Schutzformen in MV?
Wie viele Menschen wurden bisher im Jahr 2024 aus MV abgeschoben?
Wer ist für Abschiebungen zuständig und wie läuft das Verfahren?
Lehnt das BAMF einen Asylantrag ab, ist die Person zunächst zu einer freiwilligen Ausreise verpflichtet. Wer das Land freiwillig verlässt, bekommt keine Wiedereinreisesperre und kann bei den Reisekosten finanziell unterstützt werden.
Lässt die betroffene Person die Frist hingegen verstreichen, wird sie zwangsweise abgeschoben. In Mecklenburg-Vorpommern ist das Amt für Migration und Flüchtlingsangelegenheiten (AMF) für die Koordination der Abschiebung zuständig, unter anderem auch für Reisedokumente und Flugtickets. Durchgeführt wird die Abschiebung dann von der örtlichen Ausländerbehörde in Zusammenarbeit mit dem AMF und der Polizei. Die betroffenen Personen müssen mittlerweile nicht mehr über das Datum der Abschiebung informiert werden.
Gibt es einen Unterschied zwischen "Ausweisung" und "Abschiebung"?
Im Alltag werden Ausweisung und Abschiebung oft synonym verwendet. Die Ausweisung ist ein Verwaltungsakt, bei dem die Ausländerbehörde einer Person das Aufenthaltsrecht entzieht. Das betrifft vor allem Ausländer, deren Aufenthalt der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beziehungsweise der freiheitlichen Grundordnung schadet. Oftmals wird das bei Straftätern angewandt. Die Abschiebung kann darauf folgen.
Warum scheitern Abschiebungen?
Laut Experten und Bundesinnenministerium scheitern Abschiebungen häufig, weil die Personen falsche Angaben über ihre Identität machen oder Widerstand leisten. Oft mangele es auch an der Kooperation der Behörden im Zielland. Zudem ließen manche Piloten abzuschiebende Menschen nicht an Bord ihres Flugzeugs.
Probleme gibt es nicht nur mit den Herkunftsländern, sondern auch innerhalb der EU. Hier gilt die Dublin-III-Vorschrift. Kommt bei der Asylprüfung heraus, dass Deutschland nicht zuständig für das Verfahren ist, sondern eine anderes EU-Land, gilt eine Frist von sechs Monaten, um die betroffene Person zurückzuführen. Sonst wäre wieder Deutschland für das Asylverfahren zuständig. Diese Frist kann auf 18 Monate verlängert werden, falls die Person untergetaucht ist.
Wie lässt sich das Verschwinden abgelehnter Asylbewerber verhindern?
Das geht zum Beispiel mit einem Ausreisegewahrsam an Flughäfen. Erst Anfang 2024 hat der Bundestag die Regeln verschärft und die Dauer von 10 auf maximal 28 Tage verlängert. Hierfür muss keine Fluchtgefahr bestehen, sondern lediglich die Ausreisepflicht abgelaufen sein und die Annahme, dass die Person die Abschiebung verhindern will.
Außerdem gibt es auch noch die Sicherungshaft, oft als Abschiebungshaft bezeichnet. Dabei geht man von einer Fluchtgefahr des Abzuschiebenden aus. Hier wurde die maximale Dauer von drei auf sechs Monate verlängert. Die Haft muss von einem Richter angeordnet werden und ist laut Experten das letzte Mittel. Einen Menschen präventiv zu inhaftieren, ist ein starker Eingriff in die Grundrechte.
Wären Abschiebungen nach Syrien oder Afghanistan möglich?
Grundsätzlich sind Abschiebungen möglich, wenn keine Schutzform greift und kein Abschiebestopp vorliegt. In der Regel wurden Flüchtende nicht nach Afghanistan abgeschoben, weil die deutsche Bundesregierung die Taliban nicht als legitime Regierung anerkennt und man von Menschenrechtsverletzungen im Land ausgeht. Ende August 2024 ist das erste Mal seit der Machtergreifung der Taliban wieder nach Afghanistan abgeschoben worden. Alle 28 Personen sind verurteilte Straftäter. Darunter auch einer aus Mecklenburg-Vorpommern. In diesem Fall hat das Emirat Katar vermittelt.
Viele Syrer erhalten den subsidiären Schutz. In einem Urteil aus dem Juli 2024 sah das Oberverwaltungsgericht Münster für Asylbewerber aus Syrien zurzeit keine pauschale Gefahr durch einen Bürgerkrieg mehr. Mit dieser Begründung lehnte das Gericht einen sogenannten subsidiären Schutz für einen 2014 nach Deutschland eingereisten Syrer ab. Wobei hier zu berücksichtigen ist, dass es sich um einen Straftäter handelte. Deutschland kann den subsidiären Schutz aber nicht einfach abschaffen, da es sich um eine EU-Qualifikationsrichtlinie handelt.
Können ausländische Straftäter und straffällige Geflüchtete abgeschoben werden?
Ja. Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis können ausgewiesen beziehungsweise abgeschoben werden, wenn sie in besonderem Maße straffällig geworden sind. Dann wird ihnen die Aufenthaltserlaubnis entzogen. "Asylberechtigung und Flüchtlingsschutz können ausgeschlossen oder aberkannt werden bei einem Verbrechen oder schweren Vergehen, wenn die Person rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist. Faktoren wie Wiederholungsgefahr und Ermessensprüfung spielen dabei regelmäßig eine Rolle", erklärt das BAMF auf Anfrage des NDR MV. Die Ampelkoalition plant Abschiebungen zu erleichtern und bei schweren Straftaten die Schwelle für ein "schwerwiegendes Ausweisungsinteresse" zu senken. Beim Einsatz von Waffen soll dies auch für Jugendliche gelten.
Kann Deutschland Geflüchtete an der Grenze abweisen?
Abgewiesen werden können nur Drittstaatsangehörige - wenn sie die Einreisevoraussetzungen (beispielsweise ein gültiges Visum) nicht erfüllen. Wenn Menschen an den deutschen Grenzen jedoch klar machen, dass sie Asyl suchen, kann die Polizei diese nicht abweisen.
Wieso kann die Polizei nicht Menschen zurückweisen, wenn für sie ein anderer EU-Mitglidsstaat zuständig ist?
Wenn Personen an der deutschen Grenze um Asyl bitten, wird ein Verfahren eingeleitet und der Antrag muss geprüft werden. Auch wenn ein Asylbewerber schon in einem anderen Land registriert ist, muss das Verfahren durchgeführt werden. Das Ergebnis kann auch am Ende sein, dass Deutschland nicht zuständig ist. Das alles ist so festgeschrieben in der Dublin-III- Verordnung, also einer EU-Verordnung im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Allerdings sieht das deutsche Asylgesetz auch vor, dass Grenzbeamte Zurückweisungen vornehmen können, wenn ersichtlich wird, dass eine Person aus einem sicheren Drittstaat einreist oder ein anderer EU-Staat für sie zuständig ist. Laut Experten steht das EU-Recht aber über dem nationalen Recht.
Kann Deutschland das individuelle Asylrecht abschaffen?
Das individuelle Asylrecht ist im Grundgesetz (Art.16a) verankert. Das schließt auch einen pauschalen Aufnahmestopp für bestimmte Ländern wie Syrien oder Afghanistan aus.
Selbst wenn man das Asylrecht abschaffen würde, gilt noch die Europäische Menschenrechtskonvention und die Genfer Flüchtlingskonvention. Hier gilt das Prinzip der Nicht-Zurückweisung, wenn Personen im Zielland Verfolgung, Folter oder schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.
Kann sich Deutschland auf einen Asylnotstand berufen, um Flüchtlinge an der Grenze abzuweisen?
Es gibt theoretisch zwei Möglichkeiten nach EU-Vertrag, dass Deutschland eine Notlage ausrufen könnte. Allerdings ist das zum Teil sehr kompliziert. In dem einen Verfahren müsste man die Notlage bei der EU-Kommission beantragen, die schlägt dann Maßnahmen vor, worüber am Ende, mehr als die Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten zustimmen müssten. Das dauert. Unklar bliebe, ob die Notlage überhaupt anerkannt wird.
Bei der zweiten Option könnte sich Deutschland auf die innere Sicherheit berufen. Aber bisher ist jeder EU-Mitgliedsstaat am Europäischen Gerichtshof (EuGH) gescheitert, um auf dieser Grundlage eine Notlage aufzurufen. Trotzdem wäre es theoretisch möglich, sagen Experten.