"Flohmarkt" für Medikamente? Geteiltes Echo in MV
Medikamentenflohmarkt gegen Medikamentenmangel? Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, lässt mit einem Vorschlag aufhorchen. Gesunde sollten überschüssige Medikamente an Kranke abgeben. In Mecklenburg-Vorpommern stößt die ungewöhnliche Idee auf geteiltes Echo.
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums von Anfang Dezember gibt es in Deutschland Lieferengpässe bei rund 300 Medikamenten. Grund seien unter anderem Produktions- und Lieferverzögerungen für die Rohstoffe. Ein weiteres Problem seien zudem lange Lieferketten von China oder Indien nach Deutschland. Doch wie das Problem lösen? "Wer gesund ist, muss vorrätige Arznei an Kranke abgeben. Wir brauchen so etwas wie Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft", sagte Reinhardt am Wochenende dem "Tagesspiegel". Der Chef der Ärztekämmer Mecklenburg-Vorpommern, Andreas Crusius, findet die Idee gar nicht so schlecht. Wenn man nicht genug hat, dann müsse man sich gegenseitig helfen, sagte er dem NDR in MV.
"Das Geld ist für die Versorgung von Patienten da"
Allerdings meint auch Crusius, dass das Problem der Medikamenten-Knappheit grundsätzlich angepackt werden müsse. Wichtige Medizin müsste wieder in Deutschland produziert werden - und zwar zu kostendeckenden Preisen für die Hersteller. Dazu müssten sich die Krankenkassen bewegen. Es könne nicht sein, dass Aktionäre von Krankenhauskonzernen ihre Renditen aus den Beiträgen von Krankenversicherten bekämen. "Das Geld ist für die Versorgung von Patienten da", so Crusius.
Apothekerverband MV: Solche Vorschläge verunsichern die Menschen
Bei den Apothekern im Land löste Reinhardts "Flohmarkt"-Vorschlag hingegen Verwunderung aus. Als "wenig hilfreich" bezeichnete Axel Pudimat, der Landes-Vorsitzende des Apothekerverbandes den Vorstoß aus der Bundesärztekammer. Die Apotheker würden versuchen, das Problem in den Griff zu bekommen, den Mangel zu beseitigen und eine bestmögliche Versorgung sicherzustellen, Vorschläge wie die von Medikamenten-"Flohmärkten" würden die Menschen nur verunsichern, so Pudimat.
"Medikamente sind nicht auf einem Trödelmarkt zu handeln"
Auch der Chef der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, meldet im Interview mit NDR Info Zweifel an: "Letztendlich hat der Bundesärztekammer-Präsident ja auch gesagt, Medikamente weiterzugeben, die beispielsweise schon abgelaufen sind." Gerade bei Säften müsse man aufpassen, ob sie abgelaufen sind. "Medikamente sind nicht auf einem Trödelmarkt zu handeln. Sie sind lebensnotwendig." Wenn sich Freunde und Familien gegenseitig helfen würden - etwa bei Fiebersaft für Kinder - sei das hingegen kein Problem, so der oberste Patientenschützer. In vielen WhatsApp-Gruppen würde das schon geschehen, so Brysch.
Drese: Krankenkassen sollen Kosten unbürokratisch übernehmen
Auch Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) findet den Gedanken nicht schlecht: "In guten Nachbarschaften hilft man sich bei Bedarf gegenseitig mit Medikamenten aus", sagte sie. Da brauche es keine Vorgaben. Man sollte aber in jedem Fall Rücksprache mit dem Hausarzt oder der Apotheke halten. Drese meint auch, dass Medikamente wieder im Inland hergestellt werden müssten. Die Kassen sollten Apotheker unterstützen, wenn sie Ersatzmedikamente anbieten. Sie erwarte, dass die Krankenkassen die Kosten für angerührte Säfte unbürokratisch übernehmen.
Bundesinstitut für Arzneimittel beobachtet die Lage
Um die Versorgungslage mit Arzneimitteln kontinuierlich beobachten und bewerten zu können, wurde beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein Beirat eingerichtet, den auch die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern unterstützt hat. Kommt es zu Lieferngpässen, schlägt dieser Beirat entweder Alternativen vor oder gibt Empfehlungen zur Verbesserung der Situation. Sollte ein Versorgungsmangel eintreten, können die zuständigen Behörden befristet Ausnahmen vom Arzneimittelgesetz zulassen. Außerdem veröffentlicht das BfArM eine Liste versorgungsrelevanter und versorgungkritischer Wirkstoffe auf einer Internetseite.