VIDEO: Flugzeug-Suche im Ostorfer See bisher erfolglos (1 Min)

Experten sicher: Noch viele Weltkriegswaffen in Schweriner Seen

Stand: 24.08.2023 14:18 Uhr

Polizeitaucher haben am Mittwoch in Schwerin nach einem Flugzeugwrack im Ostorfer See gesucht - vergeblich. Dennoch schlummern noch immer viele Weltkriegs-Relikte wie Panzerfäuste, Handgranaten oder Panzerwracks in den Seen und Böden in und um Schwerin, sind sich Experten sicher.

von Chris Loose

Mehrere Stunden hat die Wasserschutzpolizei am Mittwoch mit einem Sonar den Ostorfer See bei Schwerin gescannt. Die Polizeitaucher suchten nach einem Flugzeugwrack aus dem Zweiten Weltkrieg. Ein Objekt haben sie tatsächlich gefunden. Sie stiegen hinab, um es zu untersuchen, schlechte Sicht unter Wasser vereitelte dieses Vorhaben jedoch. Doch einen Gegenstand förderten sie zutage: ein metallisches Objekt. Doch es stellte sich als ein altes Bootsruder heraus - und nicht als das erhoffte Leitwerk eines Jagdflugzeuges aus den 1940er-Jahren. Im Herbst wollen die Beamten wieder tauchen - sie hoffen auf klareres Wasser. Ein Zeitzeuge hatte Hinweise auf das mögliche Wrack gegeben. Es ist nicht der einzige Hinweis, der in den vergangenen Jahren bei der Polizei eingegangen ist.

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Polizeitaucher auf der Suche nach einem Flugzeug im Ostorfer See in Schwerin © NDR/ Christoph Loose

Polizeitaucher suchen vergeblich nach Flugzeugwrack im Ostorfer See

Grundlage für den größeren Übungseinsatz war die Beobachtung eines mutmaßlichen Augenzeugen vor rund 70 Jahren. Ein Flugzeug wurde allerdings nicht gefunden. mehr

Stadtarchivar von Schwerin: "Zahlreiche Berichte von abgestürzten Flugzeugen"

Seit Jahrzehnten halten sich in Schwerin hartnäckig Geschichten um Waffen, Fahrzeuge und Flugzeuge unter der Oberfläche der sieben Seen im Stadtgebiet. "Es gibt zahlreiche Berichte von abgestürzten Flugzeugen", sagt der Schweriner Stadtarchivar Dr. Bernd Kasten. Oftmals seien die Piloten abgesprungen, manchmal aber auch nicht. "Wenn ein Flugzeug auf dem Boden aufschlug, dann kümmerten sich deutsche Behörden darum. Oder zumindest der Bauer, der das Feld bewirtschaften wollte", so Kasten weiter. Selbst bis kurz vor Kriegsende seien Wracks überprüft worden, damit zumindest keine militärischen oder nachrichtendienstlichen Informationen in den Wrackteilen zu finden waren.

Anders bei Abstürzen im Wasser: Die Wrackteile störten niemanden und waren deutlich schwerer zu bergen, so der Archivar. Darüber hinaus befanden sich laut Kasten zum Kriegsende viele Jagdflieger in Westmecklenburg, die Piloten hatten oft nur wenige Flugstunden, waren unerfahren. "Die sind manchmal abgeschossen worden, bevor sie den Feind gesehen haben", sagt Kasten.

Panzerfäuste, Handgranaten und Gewehre wurden ins Wasser geworfen

Zum Kriegsende hin sollen sich ungefähr 250.000 Soldaten in der Gegend befunden haben. Bevor die sich ergaben, haben sie ihre Waffen entsorgt. Laut Kasten wären sie sonst Gefahr gelaufen, erschossen zu werden. Vieles wurde einfach in den Straßengraben geworfen. Oder in den See, an dem man entlang marschierte. Den Soldaten war es egal: Der Krieg war verloren und das Ziel für viele war es, in amerikanische oder englische Kriegsgefangenschaft statt in russische zu geraten.

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Führungskontrolle von Lukas Roser © NDR Foto: Stefan Ludmann

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In Schwerin hoffte man, auf die Amerikaner zu treffen. Kasten hat Aufnahmen aus Lübstorf von Kolonnen der Kriegsgefangenen. Auch Lastwagen oder Panzer wurden einfach am Straßenrand stehen gelassen. Ob Panzer auch in die Seen gefahren wurden, weiß der Historiker nicht mit Sicherheit. Er weiß aber um Befehle an Artillerieverbände, die dann ihre Geschütze gesprengt und unbrauchbar gemacht haben, damit sie niemand mehr nutzen konnte.

Alle Hinweise auf den Nationalsozialismus mussten beseitigt werden

"Es war ein Gebot der Klugheit für alle Menschen, spätestens in dem Moment, als die Rote Armee einzog, alle Hinweise auf den Nationalsozialismus zu beseitigen." stellt Kasten fest. Dazu zählten Mutterkreuze, Dolche der Hitlerjugend, aber auch Fotoalben mit Menschen in Uniform. Die Seen waren naheliegend, um alles loszuwerden. Papier löst sich im Wasser schnell auf, auch bei anderen Gegenständen kann schwer ein Bezug hergestellt werden, anders als Dinge, die im eigenen Garten vergraben wurden.

Tauchen ist bis heute, zum Beispiel am Ziegelsee, lebensgefährlich. Zu viel Unbekanntes liegt dort, einiges sei noch immer explosiv, meinen Experten. An anderen Stellen ist es schwierig. Der Schweriner See ist teils über 50 Meter tief und fast 25 Kilometer lang, der ganze Seegrund schwer abzusuchen. Das Rätsel um die Überbleibsel in den sieben Seen um Schwerin bleibt. Es könnte etwas an den Gerüchten dran sein. Ob ein Flugzeugwrack im Ostorfer See liegt, kann die Polizei vielleicht im Herbst herausfinden.

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NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 23.08.2023 | 19:30 Uhr

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