Das Foto zeigt drei Styropor-Köpfe, mit denen Gerichtsmediziner in einem Prozess um einen dreifachen Mord die Schusskanäle rekonstruiert hat. © Andreas Frost Foto: Andreas Frost

Dreifacher Mord in Rövershagen: Finten und Fake-SMS

Stand: 06.03.2023 04:47 Uhr

Dreifacher Mord an seinen Eltern und seiner Schwester wird einem Mann aus Rövershagen vorgeworfen. Im Prozess am Landgericht Rostock sind spektakuläre Details ans Licht gekommen.

von Andreas Frost, NDR.de

Seit November wird einem 27-jährigen Mann am Landgericht Rostock wegen dreifachen Mordes der Prozess gemacht. Er soll am 7. Februar 2022 in seinem Elternhaus in Rövershagen bei Rostock seinen Vater im Schlaf mit einer Armbrust in den Kopf geschossen und mit einer Machete auf ihn eingestochen haben. Wenige Stunden später lockte er laut Anklage seine 25 Jahre alte Schwester ins Haus, setzte ihr eine zugeklebte Skibrille und Ohrenschützer auf, ließ sie auf Teichfolie im Hausflur nieder knien und tötete sie. Vier Tage später brachte er seine 48 Jahre alte Mutter ebenfalls um, als sie von einem auswärtigen Arbeitseinsatz nach Hause kam. Die Leichen vergrub er zwei Wochen später auf einem Feld im zwölf Kilometer entfernten Roggentin.

Die Verletzungen der Hinterbliebenen

Es waren beklemmende Momente, als im Gerichtssaal die letzten Sprachnachrichten der Mutter abgespielt wurden. "Ich verstehe das nicht. Wo seid ihr?" fragte sie verzweifelt ins Leere hinein. Seit Tagen konnte sie weder ihren Mann noch ihre Tochter erreichen. Ihr Sohn gaukelte ihr etwas von Störungen im Telefonnetz vor. Auch die letzten Sprachnachrichten zwischen Tochter und Mutter wurden vorgespielt. Sie sprachen – kurz vor ihrem Tod - über banale Alltagsdinge. Mehrere Angehörige des toten Vaters saßen jeden Verhandlungstag im Publikum und konfrontierten - soweit möglich - den Angeklagten mit ihrer Wut und ihren seelischen Verletzungen. Auch sie führte er wochenlang über den Verbleib der Familie unter anderem mit Fake-SMS in die Irre. Einmal erzählte er, die Mutter habe die Familie mit zwei Koffern verlassen.

GPS-Daten ausgewertet

Nach dem Tod des Vaters meldete der Angeklagte ihn bei dessen Arbeitsstelle krank. Es sei etwas Schlimmes passiert, gab er laut einer Zeugenaussage an. Er zimmerte Särge für die Toten, mietete einen Bagger und einen Transporter, mit dem er sie laut der GPS-Daten nach Roggentin brachte. Aus dem Bagger heraus machte er ein Foto, das er einem Freund schickte. Die Särge waren darauf nicht zu sehen. Bevor er die drei Meter tiefe Grube schloss, schüttete er Substanzen auf die Särge, die den Verwesungsgeruch überdecken sollten.

Falsche Fährte gelegt

Als Verwandte und Kolleginnen der Mutter die Polizei einschalteten, versuchte der 27-Jährige die Ermittler auf eine falsche Fährte zu locken: Die ganze Familie, so behauptete er, sei in Drogenhandel verwickelt gewesen. Ende März wurde er dennoch verhaftet und führte die Polizei zu den Leichen, wie auf einem Polizei-Video zu sehen war. Erschreckend sei es gewesen, wie "klar und deutlich und emotionslos" er seine Taten geschildert habe, so die Chefermittlerin als Zeugin vor Gericht.

Vater bezahlte die Armbrust

Laut der Anklage der Staatsanwaltschaft hat der 27-Jährige den Vater getötet, weil er sich von ihm gedemütigt und als "Nichts" behandelt fühlte. Die Mutter habe ihn nicht in Schutz genommen, die Schwester ihn gehasst. Die Strafkammer hielt bereits seit Prozessbeginn andere Motive für denkbar. Demnach wollte er ans Geld der - sparsamen - Familie, denn er habe in "rücksichtsloser Selbstverwirklichung" so leben wollen wie in Baden-Württemberg, von wo er 2021 nach zwei Jahren vollkommen verschuldet nach Hause zurückgekommen war. Die Familie nahm einen Kredit auf, um seine Schulden zu begleichen. Selbst die Armbrust bezahlte der Vater für den Sohn.

Verteidigerin legt voraussichtlich Revision ein

Dem Angeklagten droht eine lebenslange Freiheitsstrafe und die Feststellung einer besonderen Schwere der Schuld. Damit wäre eine Entlassung auf Bewährung nicht möglich. Die Verteidigerin wird voraussichtlich das Urteil, das am 13. März fallen soll, mit der Revision anfechten. Ihrer Meinung nach durften viele Vernehmungsprotokolle und Beweismittel im Prozess nicht verwendet werden, da der Angeklagte nicht korrekt über die Möglichkeit belehrt worden sei, einen Pflichtverteidiger in Anspruch zu nehmen.

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Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 06.03.2023 | 19:30 Uhr

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