Die SPD und ihr Familienhotel: Neues vom Golchener Hof
In der Debatte um fragwürdige Veranstaltungen der SPD-Landtagsfraktion im familiären Umfeld der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Christine Klingohr sind weitere Fälle bekannt geworden. Auch die SPD-Kreistagsfraktion hat sich mindestens zweimal im Vier-Sterne-Hotel ihres Ehemanns Jörg Klingohr eingemietet.
Der Golchener Hof bei Brüel im Landkreis Ludwigslust-Parchim steht laut Eigenwerbung für Bauernhof-Urlaub oder idyllische Landhochzeiten. Treffen der Politik gehören offiziell nicht zum Angebot. Und dennoch: Das Hotel, das 2018 auch schon mal einen SPD-Landesparteitag beherbergte, verdient gerne an der Politik und ist vor allem in den Augen von SPD-Politikern ein ganz besonderes Familienhotel. Denn auch die 18 SPD-Kreistagsabgeordneten von Ludwigslust-Parchim trafen sich dort. Im März und im November 2022 kamen sie auf Steuerzahlerkosten zwei Mal zur Klausur zusammen - im Herbst gleich für zwei Tage.
Christine Klingohr streitet Vorwürfe ab
Für Christine Klingohr war es eine Art "Heimspiel". Die 56-Jährige ist ebenso wie im Landtag auch in ihrer Kreistagsfraktion stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Sie ging quasi zu Hause in Klausur. Die Sozialdemokratin teilte auf Anfrage mit, sie habe an dem Beschluss, auf den Golchener Hof zu tagen, nicht mitgewirkt. Die Entscheidung für das Hotel ihres Mannes stehe im Einklang mit den Richtlinien des Kreistags, erklärte sie. Die Frage, ob sie einen Interessenkonflikt sehe, ließ sie unbeantwortet. Die Antwort wirkt erstaunlich, da Klingohr auf ihren Internetseiten mehrfach den Eindruck erweckt, sie sei am Golchener Hof beteiligt. Auf ihrem Facebook-Profil heißt es beispielsweise: "Arbeitet bei Golchener Hof". Diese Angabe verlinkt dann auf das touristische Angebot des Hotels.
Kreistags-SPD: "Vergleichsangebote nicht erforderlich"
Für die Tagungen bezahlte die Kreistags-SPD aus der steuermittelfinanzierten Fraktionskasse knapp 2.300 Euro - das sind 20 Prozent des Jahresbetrags, den die Fraktion für ihre Arbeit ausgeben kann. Die Fraktionsvorsitzende Margret Seemann teilte ebenfalls auf Anfrage mit, dass "eine Einholung von Vergleichsangeboten aus vergaberechtlichen Gründen nicht erforderlich" gewesen sei. Bei der Tagung im Herbst hätten Anfragen bei zwei anderen Anbietern ergeben, dass diese entweder teurer als der Golchener Hof gewesen seien oder keine Kapazitäten gehabt hätten.
Kritik von Steuerzahlerbund und Anti-Korruptionsverbänden
Anders als Klingohr hatte Seemann aus ihrem Wohnort Wittenburg eine der weitesten An- und Abreisen. Mehr als 120 Kilometer musste die Fraktionsvorsitzende zurücklegen. Klingohr teilte mit, Fahrtkosten oder Tagegeld habe sie nicht beantragt. Ihre SPD-Landtagsfraktion hatte jüngst 15.000 Euro für ein Bürgerforum in dem Veranstaltungskomplex der Klingohrs bezahlt. Steuerzahlerbund und Anti-Korruptionsverbände kritisierten diesen Umgang mit Fraktionsmitteln und sahen einen Interessenskonflikt. Ermahnende Hinweise kamen auch vom Landesrechnungshof.
SPD Politiker weichen direkten Nachfragen aus
Die SPD wies die Kritik zurück und sprach von einer Kampagne. Die SPD-Landesvorsitzende, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, warf Journalisten, die Nachfragen zum Ausgabeverhalten ihrer SPD-Fraktion stellten, indirekt Frauenfeindlichkeit vor. Die Süddeutsche Zeitung attestierte ihr daraufhin "Pampigkeit". Bundesweite Aufmerksamkeit erlangte der Fall, weil der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Philipp da Cunha, in einem vierminütigen Interview mit dem NDR Fernsehen Nachfragen zu den Kosten auswich und stattdessen gebetsmühlenartig wiederholte, dass die SPD Bürgerforen schon seit 15 Jahren durchführe, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.