Ärztenetz am Haff soll medizinische Versorgung auf dem Land sichern
Weil es immer weniger Fachärzte auf dem Land gibt, hat sich vor mehr als 20 Jahren das HaffNet in Ueckermünde gegründet. Das Netzwerk aus Ärztinnen und Ärzten soll Patientinnen lange Wege ersparen und Fachärzte entlasten.
Im Behandlungszimmer von Robert Hackel steht ein ganz besonderes Gerät: ein kabelloses Mikroskop, mit dem er seinen Patientinnen und Patienten ganz genau auf die Haut schauen kann. Hackel ist Allgemeinmediziner und Mitglied im HaffNet, einem Ärzte-Netzwerk in der Region rund um Ueckermünde. Weil es einen akuten Mangel an Hautärzten gibt, investiert das HaffNet in die sogenannte Teledermatologie. "Wenn eine Patientin oder ein Patient zum Beispiel einen auffälligen Leberfleck hat, sehe ich mir diesen genau an. Dazu kann ich das Mikroskop nutzen. Wenn ich die Meinung eines Fachkollegen einholen möchte, mache ich Fotos und schicke die zusammen mit einem ersten Befund an meinen Kollegen", sagt Hackel.
Befunde und Fotos per App sollen Ärzte entlasten
Das funktioniert mittels einer App. Bereits wenige Tage später bekommen Hackel und sein Patient eine Antwort. Für ihn sei die Teledermatologie zudem eine gute Möglichkeit, um sich weiterzubilden. Davon profitieren auch die konsultierten Fachärzte: Sie haben einen Patienten weniger im Wartezimmer. Diese können sich in den meisten Fällen die Fahrt zum Hautarzt sparen, weil der behandelnde Hausarzt die Therapie begleitet. Neben Hackel nutzen rund 20 weitere Hausärzte im HaffNet die Technik der Teledermatologie. "Wir können so zumindest einen Teil an Untersuchungen und Behandlungen abdecken und die wenigen Fachärzte hier in der Region entlasten."
Vernetzung von ambulanten und stationären Ärzten
Genau das ist auch ein Kernthema des HaffNets, das sich vor mehr als 20 Jahren in Ueckermünde (Landkreis Vorpommern-Greifswald) gegründet und mittlerweile 70 Mitglieder hat: die Sicherstellung der medizinischen Versorgung der Menschen auf dem Land. "Wir wollen vor allem den stationären und den ambulanten Bereich besser miteinander verknüpfen und bereits bestehende Versorgungsstrukturen effizienter nutzen", sagt Andreas Meinhold, einer der Gründer und Geschäftsführer der HaffNet GmbH. Das Netzwerk kooperiert unter anderem mit Pflegediensten, Krankenkassen und großen Kliniken in Vorpommern.
Wichtiges Thema auf dem Land: Nachwuchsgewinnung
Auch die Universität Greifswald gehört zu den Kooperationspartnern. Dabei geht es vor allem um die Nachwuchsgewinnung. "Viele wollen nach dem Studium erstmal in große Städte ziehen", so Thomas Kliewe, Facharzt in Weiterbildung. Er war bereits als Student Mitglied im HaffNet, denn für Studierende bietet es eine finanzielle Unterstützung sowie Hilfe bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle, einer Wohnung oder einem Kindergartenplatz in der Region. Für diese Unterstützung verpflichten sich die jungen Ärztinnen und Ärzte drei Jahre in Vorpommern niederzulassen - deutlich weniger als bei der Landarztquote, einem Programm des Landes Mecklenburg-Vorpommern, wo sich Medizinstudierende allerdings für zehn Jahre an das Bundesland binden müssen.
Speziell ausgebildete Fachkräfte arbeiten in Modell-Projekt
Ein Projekt, für das sich das HaffNet jüngst beworben hat, ist das Pilotprojekt ErwiN (Erweiterte Übertragung von arztentlastenden Tätigkeiten in ArztNetzen). Hierbei übernehmen speziell ausgebildete Fachkräfte - wie Undine Tischmeyer - bestimmte Aufgaben von Ärztinnen und Ärzten. Sie nimmt zum Beispiel Blut- und Urinproben, verabreicht Medikamente oder bespricht Laborergebnisse mit den Patientinnen und Patienten. Täglich ist sie in der Region unterwegs und besucht ältere, pflegebedürftige Menschen zu Hause. Dadurch werden einerseits Hausärzte entlastet, weil sie weniger Hausbesuche bei Patienten machen müssen und mehr Zeit in ihren Praxen haben. Andererseits sparen sich die Patienten den oft langen und mühsamen Weg in ihre Hausarztpraxis.
Zweijährige Testphase
Das ErwiN-Projekt gibt es auch in Berlin und Brandenburg. Nach einer Studienzeit von zwei Jahren soll ausgewertet werden, in welcher Region - in Großstädten, Kleinstädten oder auf dem Land - das Modell am besten funktioniert, so Undine Tischmeyer. "Wir merken schon jetzt: Es gibt einen riesigen Bedarf!"
In Mecklenburg-Vorpommern ist solch ein Ärztenetzwerk einzigartig. Welche weiteren Vorteile der Zusammenschluss hat und ob solch ein Netzwerk beispielgebend sein kann für die medizinische Versorgung auf dem Land, das ist Thema in der aktuellen Folge des NDR-Podcasts "MV im Fokus - Darüber spricht Mecklenburg-Vorpommern", zu finden in der NDR MV App und überall da, wo es Podcasts gibt.