7.700 Wohnungen fehlen - Wohnungsbau stockt dennoch
In Mecklenburg-Vorpommern werden immer weniger Wohnungen gebaut. Die Baubranche fordert eine Absenkung der Grunderwerbsteuer und neue Förderwege für Sozialwohnungen.
Hohe Baukosten und Zinsen wirken wie eine Bremse im Wohnungsbau. Die Zahl der Baugenehmigungen war im Vergleich zum Vorjahr auch 2024 weiter rückläufig. "Knapp 40 Prozent weniger Neubaugenehmigungen für Wohngebäude sind ein deutliches Zeichen. Die Baukrise hält an und ist in allen Zahlen messbar", sagt der Hauptgeschäftsführer des Bauverbandes MV, Jörn-Christoph Jansen. Wurden 2022 laut dem Statistischen Landesamt rund 6.900 Genehmigungen im Wohnungsbau erteilt, waren es 2024 rund 2.600.
"Wir haben kaum noch Aufträge"
Einer, der trotzdem baut, ist Ralf Kohl, Chef der Vakon Baugesellschaft in Neubrandenburg. Das Bauunternehmen errichtet in Peenemünde auf der Insel Usedom Mehrfamilienhäuser - entgegen dem Trend. Sein Ziel sei es, die Baukrise zu überstehen und Mitarbeiter zu halten. "Die Nachfrage nach Wohnungen oder auch Häusern im privaten Sektor ist komplett eingebrochen. Wir haben dort kaum Aufträge", sagt er. Auch die Wirtschaft gebe keine großen neuen Aufträge her. "Und so sind wir gehalten, uns eigene Projekte zu suchen und auch weitere Wege zu gehen, um unsere Mitarbeiter in Lohn und Brot zu halten", so Kohl. Dabei ist die Nachfrage auf Usedom hoch. Für die 34 geförderten Wohnungen seien mehrere Hundert Bewerbungen eingegangen.
7.700 Wohnungen fehlen in MV
Laut Bauverband MV fehlen im Nordosten aktuell rund 7.700 Wohnungen. Das betreffe ganz besonders die Hansestadt Rostock, sagt Jansen, der sich auf eine Studie des Pestel Instituts bezieht. "In Rostock fehlen 1.700 Wohnungen, im Landkreis Rostock sind es 1.300 Wohnungen." In den Kreisen Vorpommern-Rügen und Vorpommern-Greifswald mit den Tourismushochburgen Rügen und Usedom sind es etwa 1.000.
Neue Förderwege für bezahlbare Wohnungen
Im Gegensatz zum Wohnungsbau läuft der Tiefbau deutlich besser. Hier verzeichnet die Branche sogar ein Plus. Ein Lichtstreif am Horizont, sagt Jansen. Um den Wohnungsbau wieder anzukurbeln, kommen aus der Branche verschiedene Vorschläge. Die Einkommensgrenzen für geförderte Wohnungen seien in MV zu eng, beklagt Bauunternehmer Kohl. Ähnlich wie in Schleswig-Holstein sollte es einen weiteren Förderweg geben, um Menschen mit mittleren Einkommen bezahlbare Mieten zu ermöglichen.
Land: Keine Absenkung der Grunderwerbsteuer
Ein weiterer Vorschlag: die Absenkung oder zeitweise Abschaffung der Grunderwerbsteuer, die in MV bei sechs Prozent der Baukosten liegt. Die Absenkung der vom Land erhobenen Steuer wäre sehr leicht zu realisieren und hätte sofort einen Effekt, so Bauverbandschef Jansen. Das Finanzministerium lehnt den Vorschlag ab. Angesichts der Haushaltslage plane man derzeit nicht, die Grunderwerbsteuer zu senken, so eine Ministeriumssprecherin. Im vergangenen Jahr betrugen die Landeseinnahmen aus dieser Steuer rund 198,2 Millionen Euro.
"Toxische Mischung": Hohe Baukosten und hohe Zinsen
Phasen hoher Zinsen und hoher Baukosten - das gab es auch früher, aber nicht zusammen. Die Situation habe sich durch den Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine verschärft, heißt es vom Bauverband MV. "Die Materialknappheit hat dann zu sehr stark gestiegenen Baupreisen geführt", so Verbandschef Jansen. Innerhalb von zwei Jahren habe es eine Baupreissteigerung gegeben, die man früher über einen Zeitraum von zehn Jahren gemessen habe.
Sebastian Braun, der in Greifswald ein Mehrfamilienhaus mit 47 Wohnungen plant, spricht von einer "toxischen Mischung" von gleichzeitig hohen Baukosten und Zinsen. Deshalb legte er sein Projekt vor vier Jahren auf Eis. Mieten von 25 Euro pro Quadratmeter könne niemand zahlen, sagt er. Nun beginnt er trotzdem mit dem Bau, weil in diesem Sommer die Baugenehmigung ausläuft. Seine Renditeerwartungen habe er deutlich nach unten geschraubt, sagt Braun. Die Kaltmieten werden zwischen 13 und 16 Euro pro Quadratmeter liegen.
