Mitreden! Deutschland diskutiert
Donnerstag, 11. Juli 2024, 20:15 bis
22:00 Uhr, NDR Info
Personalnot und Platzmangel - Wie lösen wir das Kita-Problem?
Hörerinnen und Hörer haben bei Mitreden! mit Experten über die Lage in den Kitas diskutiert. Die Sendung als Video-Mitschnitt.
Monatelange Suche von Eltern nach einem Kitaplatz, Dauerstress für Erzieherinnen und Erzieher - wenig Luft für individuelle Förderung der Kinder. So sieht die Situation in vielen Bundesländern aus. Wie kann das besser gehen? Das war unser Thema am Donnerstag bei "Mitreden! Deutschland diskutiert".
Die gesamte Sendung können Sie in der ARD Audiothek hören. Zudem finden Sie auf dieser Seite im Laufe des Tages den Livestream-Mitschnitt als Video.
Moderator Christian Orth begrüßte als Gäste:
Lisa Paus, Bundesfamilienministerin (Bündnis 90/Die Grünen)
Niels Espenhorst, Referent Kindertageseinrichtungen beim Paritätischer Wohlfahrtsverband
Rebekka Körner, Erzieherin in einer Kindertagesstätte in Würzburg
Judith Illerhaus, Auslandskorrespondentin in Schweden für GTAI, die Außenwirtschaftsagentur des Bundes
Kitaplatz? Oft nicht leicht zu finden
Bewerbungsmappen dekorieren, Telefonlisten abarbeiten und beim persönlichen Treffen in einer Kindertagesstätte möglichst sympathisch und pflegeleicht erscheinen - die Suche nach einem Kitaplatz kann in einigen Regionen Deutschlands absurde Züge annehmen. Dabei haben Eltern seit mittlerweile elf Jahren einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz für ihre Kinder ab einem Jahr.
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Laut dem Fachkräfte-Radar der Bertelsmann Stiftung fehlen bundesweit rund 430.000 Kita-Plätze. Selbst wenn die Räumlichkeiten vorhanden sind, mangelt es häufig am Personal. Wie eine Sprecherin des Dachverbands Berliner Kinder- und Schülerläden dem "Tagesspiegel" erklärte, werden etwa in der Bundeshauptstadt viele Plätze, die in der Statistik auftauchen, in Wirklichkeit aufgrund des Personalmangels gar nicht angeboten. Diese Personalkrise sähe man darum nicht auf dem Papier.
Personalmangel führt zu geringerer Betreuungsqualität
Für Erzieherinnen und Erzieher bedeutet das außerdem eine dauerhaft hohe Arbeitsbelastung. In Kindergärten in Mecklenburg-Vorpommern kommen, laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung vom vergangenen Jahr, etwa zwölf Kinder auf eine Fachkraft. Empfohlen ist laut der Studie ein Betreuungsschlüssel von ungefähr einer Erzieherin oder einem ein Erzieher auf sieben Kinder. In Krippen, mit Kindern im Alter von wenigen Monaten bis zu drei Jahren, wäre sogar eine Fachkraft für maximal drei Kinder angemessen.
Die Realität sieht vielerorts anders aus: In den östlichen Bundesländern werden, gemessen an den wissenschaftlichen Empfehlungen zum Betreuungsschlüssel, fast 90 Prozent der Kita-Kinder nicht kindgerecht betreut. In den westlichen Bundesländern sind es rund 62 Prozent.
Die Kinder wohlhabender Eltern sind besser betreut
Wer es sich leisten kann, greift da auf private Betreuungsangebote zurück. In München kann das beispielsweise Kosten von 1.000 Euro pro Monat oder mehr bei Kindern bis zu drei Jahren bedeuten. Dann können die Eltern mit mehr Personal, einer liebevoll eingerichteten Umgebung und individuellerer Förderung rechnen. Vielen Familien bleibt diese Option verschlossen. Obwohl alle Kinder gleiche Chancen auf gute Bildung haben sollten, spielen der Geldbeutel der Eltern, die Herkunft und soziale Lage eine große Rolle bei der Kinderbetreuung.
Eine aktuelle Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt, dass Kinder aus benachteiligten Familien mehrfach belastet sind. Sie landen häufiger in Kitas mit unzureichender Ausstattung, weniger Personal und vielen weiteren Kindern, die besonders von einer guten Betreuung profitieren würden, also mehr Unterstützung bräuchten.
Das schwedische Vorbild - wäre es übertragbar?
Wie es besser gehen kann, zeigt ein Blick ins Ausland. In Schweden steht Eltern ab dem ersten Geburtstag ihres Kindes ein Betreuungsplatz zu. Außerdem haben sie bis zum achten Lebensjahr des Kindes einen Anspruch auf reduzierte Arbeitszeiten. Zuletzt ist die Regierung sogar noch einen Schritt weiter gegangen: Eltern können seit Anfang diesen Monats einen Teil ihres Elterngelds auf die Großeltern übertragen. Tatsächlich arbeiten Schwedinnen und Schweden mit Kindern häufiger in Vollzeit als deutsche Mütter und Väter. Möglicherweise auch, weil sie ihr Kind gut betreut wissen.