Zustand vieler Straßen im Norden katastrophal
Viele Kreisstraßen im Norden sind kaputt. Das ergab eine Recherche von Panorama 3. Rund 23 Prozent der Kreisstraßen in Norddeutschland befinden sich demnach in einem schlechten oder sehr schlechten Zustand. Für die umfangreiche Datenerhebung wurden alle Kreise und kreisfreien Städte in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein abgefragt. Erstmals liegen damit Daten zu Kreisstraßen für ganz Norddeutschland vor.
Milliarden müssten investiert werden
Insgesamt sind nach Panorama 3-Recherchen ungefähr 3.100 Kilometer Kreisstraßen in einem schlechten Zustand. Prof. Berthold Best von der Technischen Hochschule Nürnberg beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Erhaltung kommunaler Straßen. Das Ergebnis der Recherche ist aus seiner Sicht "besonders besorgniserregend. Denn diese Straßen drohen kurzfristig in einen Zustand abzurutschen, der keine Erhaltungsmaßnahmen mehr zulässt, sondern der dazu führt, dass die Straßen erneuert werden müssen."
Noch dramatischer ist es bei den rund 1.950 Kilometern Kreisstraßen im Norden, die sogar in einem sehr schlechten Zustand sind. Prof. Berthold Best nimmt nach einer Einschätzung der vom NDR recherchierten Daten an, dass 3,9 Milliarden Euro nötig wären, um diese Straßen zu erneuern. Diese Summe müssten die Kreise zusätzlich aufbringen. Das dürfte den Kreisen "sehr schwerfallen", meint Prof. Best.
Stade und Rostock sind Schlusslichter
Und das Ausmaß der kaputten Straßen ist wahrscheinlich noch viel größer: Denn rund ein Drittel aller Kreise und kreisfreien Städte haben keine genauen Daten zum Zustand ihrer Straßen geliefert. Bremen hat auf die Anfrage gar nicht geantwortet.
Die zwei Landkreise mit den schlechtesten Straßen sind Stade und Rostock. Hier sind rund zwei Drittel der Straßen in einem schlechten oder sehr schlechten Zustand. Der Landkreis Stade erklärt, dass "jahrelang im Grunde zu wenig Geld da war". Der Landkreis Rostock schreibt auf Anfrage, dass ihn der Sanierungsstau von 170 Millionen Euro überlaste. Der Kreis mit den besten Straßen ist der Heidekreis - hier sind nur fünf Prozent der Straßen schlecht.
Übersicht über die Lage in den Ländern
Überforderung und Geldmangel
Viele Ämter scheinen mit der Betreuung der Kreisstraßen überfordert. Den zuständigen Kreisbauämtern fehlt es offenbar an Personal. Mehrere Kreise gaben auf Anfrage sogar an, sie hätten noch nie eine sogenannte Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) ihrer Kreisstraßen durchgeführt, wie beispielsweise die Kreise Ammerland, Holzminden, Leer, Verden, Uelzen und Wesermarsch. Eine Zustandserfassung und Bewertung sei wichtig, um die Haushaltsmittel, "vor allem, wenn sie beschränkt sind, zielgerichtet einzusetzen", meint Prof. Best.
Zudem fehlt den Kreisbauämtern offenbar das nötige Geld. Viele Kreise investieren nur wenig Geld in ihr Straßennetz. So gibt der Landkreis Lüchow-Dannenberg gerade einmal 25 Cent pro Quadratmeter Straße aus. Laut Forschungsgesellschaft Straßen- und Verkehrswesen sind aber 1,10 Euro das absolute Minimum, das aufgewendet werden sollte, um ähnliche Straßen zu unterhalten. Zu den Investitionskosten haben aber nicht alle Kreise vergleichbare Daten geliefert.
Instandhaltung wird nicht gefördert
Die Landesregierungen in Hannover, Schwerin und Kiel erklären auf Panorama 3-Anfrage, dass für die Instandhaltung der Kreisstraßen die Kreise zuständig seien. Denn in der Regel werden keine Instandhaltungen, sondern nur Neubaumaßnahmen mit Fördergeldern der Länder unterstützt. Das sei ein Fehler, sagt Prof. Best und fordert: "Wir müssen wegkommen von der Förderung nur von Neubaumaßnahmen hin zu einer Förderung der Straßenerhaltung auch mit Landesmitteln." In Schleswig-Holstein scheint bereits ein Umdenken einzusetzen. Dort gilt nun laut Wirtschaftsministerium die Vorgabe: "Erhalt vor Neubau". Seit 2015 würden den Kreisen dafür jährlich zusätzlich 11,5 Millionen Euro zu Verfügung gestellt. Das Geld kann von den Kreisen aber auch für die Förderung des Nahverkehrs oder des Breitbandausbaus genutzt werden.
Aus der NDR Recherche geht zudem hervor, dass im Norden ungefähr 480 Brücken in einem schlechten baulichen Zustand sind. Laut Prof. Best besteht die Gefahr, dass sie in die schlechteste Kategorie abrutschen. Dann ist die Standsicherheit des Bauwerks gefährdet und sofortige Maßnahmen sind erforderlich. Ein Beispiel dafür ist die Brücke bei Cramon im Landkreis Nordwestmecklenburg. Sie ist, als eine der wenigen Brücken im Norden, seit zwölf Jahren für den Verkehr gesperrt.
Ergebnisse der Panorama 3-Recherche als PDF-Dokument zum Download
- Kaputte Straßen im Norden - Teil 1
- Kaputte Straßen im Norden - Teil 2
- Kaputte Straßen im Norden - Teil 3
- Kaputte Straßen im Norden - Teil 4
- Kaputte Straßen im Norden - Teil 5
- Kaputte Straßen im Norden - Gesamtergebnis