Trauriger Rekord: Nordatlantik so warm wie noch nie
Forschende schlagen schon seit Längerem Alarm: Die Ozeane werden im Zuge der Klimakrise immer wärmer. Nun werden seit einigen Wochen im Nordatlantik neue Temperatur-Rekorde gemessen. Die Folgen sind gravierend.
Derzeit ist der Nordatlantik so warm wie noch nie um diese Jahreszeit seit Beginn der Satelliten-Messungen vor 40 Jahren: Die Meeresregion ist um rund ein Grad wärmer als im Schnitt des Vergleichszeitraums von 1982 bis 2011, wie aus Daten der US-Klimabehörde NOAA hervorgeht. Der Nordatlantik und auch der Großteil der Ozeane weltweit zeigen den Messungen zufolge bereits seit diesem März Rekord-Temperaturen für den jeweiligen Tag. Die Temperatur der analysierten Meeresoberfläche vom Äquator bis zur Höhe der Südspitze Grönlands liegt aktuell um etwa 0,5 Grad über dem bisherigen Rekord für diese Zeit.
Treibhausgase führen zu Erwärmung der Meere
Der Hauptgrund: "Die Weltmeere haben 90 Prozent der Wärme aufgenommen, die durch die menschengemachten Treibhausgase entstehen", sagt Mojib Latif vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Dadurch seien die Meere in bis zu 2.000 Meter Tiefe - in wenigen Gebieten auch noch tiefer - deutlich wärmer geworden.
Der Nordatlantik hat derzeit besonders hohe Temperaturen von im Schnitt knapp 23 Grad Celsius. "Mit bis zu fünf Grad über normal hat sich die Wassertemperatur vor den West- und Südküsten Frankreichs gerade besonders stark erwärmt", ergänzt Helge Gößling, Klimaphysiker vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven.
Auch der CO2-Gehalt in den Meeren steigt
Die Ozeane speichern nicht nur riesige Mengen Wärmeenergie, sie nehmen zudem ein Viertel des menschengemachten Kohlendioxids auf. Auch dies führt zu schwerwiegenden Veränderungen in den Meeren. "In der Forschung wird erwartet, dass der CO2-Gehalt im Wasser steigt und dadurch der pH-Wert sinkt", sagt Flemming Dahlke, der Meeresökologe an der Universität Hamburg ist. "Hinzu kommt noch eine Abnahme des Sauerstoff-Gehalts, der mit der Erwärmung der Meere einhergeht."
Für Fische ein großes Problem
In wärmerem Wasser kann sich rein physikalisch weniger Sauerstoff lösen. Ist mehr Kohlendioxid im Meerwasser, wird das Wasser auch immer saurer. Das alles hat Konsequenzen. Denn viele Tiere und Pflanzen haben nur einen sehr kleinen Temperatur-Bereich, in dem sie sich wohlfühlen beziehungsweise überleben können. "Wenn die Umgebungstemperatur in den kritischen Bereich kommt, können zusätzliche Stressauslöser wie die Abnahme des pH-Werts oder die Abnahme des Sauerstoff-Gehalts die Fische noch empfindlicher machen, so dass die drei Faktoren sich noch gegenseitig verstärken", erklärt Dahlke.
Immer mehr Schmelzwasser läuft ins Meer
Die hohen Temperaturen führen noch zu anderen gravierenden Veränderungen in den Ozeanen: Das Meereis schmilzt rasant. Noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen gab es so wenig Meereis wie jetzt gerade. Das Schmelzwasser läuft ins Meer. Dort wo sich das Süßwasser mit dem salzigen Wasser der Meere mischt, sinkt der Salzgehalt im Wasser.
Das kann die großen Ozean-Strömungen beeinflussen. "Sowohl die Antarktis als auch Grönland haben Eis verloren", sagt Stephen Rintoul von der australischen Behörde für wissenschaftliche und industrielle Forschung CSIRO. Er hat mit einem Forscher-Team eine Studie zu den Ozean-Strömungen in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlicht. "In beiden Eisschilden schmilzt das Eis. Meistens denken wir daran, dass dies zum Anstieg des Meeresspiegels beiträgt. Was unsere Studie jedoch zeigt, ist, dass es noch einen weiteren Effekt hat, nämlich die Verlangsamung dieser Ozean-Strömungen."
Warum die Ozean-Strömungen so wichtig sind
Die Ozean-Strömungen sind sehr bedeutend: Sie transportieren Nährstoffe aus der Tiefe an die Oberfläche, wo mikroskopisch kleine Algen sie nutzen können. Diese sind die Nahrungsgrundlage für viele Tiere im Wasser. Zudem transportieren die Strömungen Sauerstoff in die Tiefe, wo es so dunkel ist, dass keine Pflanzen wachsen können. Die Tiere dort sind auf den Sauerstoff von oben angewiesen. Nicht zuletzt bringen die Strömungen auch große Mengen des wärmeren Wassers und des von uns produzierten Kohlendioxids in die Tiefe. Damit mildern sie den Klimawandel ab.
Das Meeres-Förderband ist gestört
Globales Förderband nennen sich diese Ozean-Strömungen deshalb auch. Angetrieben wird das Förderband dadurch, dass im Nordatlantik und in der Antarktis salzreiches Wasser abkühlt und in die Tiefe sinkt. Schmilzt das Meereis in großem Stil, ist das Wasser weniger salzig und damit nicht mehr schwer genug. Es sinkt nicht ab, und das Förderband ist gestört. "Die Strömung und das Absinken von dichtem Wasser in der Nähe der Antarktis wird bis zum Jahr 2050 um 40 Prozent zurückgehen", prophezeit Rintoul.
Eine weitere Studie zeigt, dass schon jetzt große Effekte zu messen sind: Um 28 Prozent weniger sauerstoffreiches Wasser ist zwischen 1994 und 2017 in die Tiefe um die Antarktis abgesunken. Auch im Nordatlantik, wo eigentlich noch mehr sauerstoffreiches Wasser in die Tiefe gelangt, verlangsamt sich der Motor des Förderbandes.
Für das Leben im Meer sind dies keine guten Entwicklungen. Zudem könnte die Erwärmung des Nordatlantiks nach Forscher-Angaben womöglich einen heißen Sommer und heftige Starkregen in Mitteleuropa nach sich ziehen.