Teure Äcker: Wenn kleine Betriebe nicht mehr mitbieten können
"Ackerland in Bauernhand" lautet eine alte Parole. Doch die Preise sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Und auch immer mehr nichtlandwirtschaftliche Akteure haben Interesse an Land.
Wer dieser Tage über die Autobahn 24 von Hamburg in Richtung Berlin fährt, kann sich an rapsgelb leuchtenden Äckern oder üppigem Weideland erfreuen - auch Treckerfans dürften auf ihre Kosten kommen. Doch wem gehört eigentlich der Ackerboden? Nicht immer den Bauern. Und wenn doch, dann hat er seinen Preis. Außerdem ist der Kauf und Verkauf von Ackerböden undurchsichtig. "Das Problem ist riesig", sagt die Landwirtin Ve-Anissa Spindler. "Da steht ja nicht am Ackerrand: 'Ich wurde für eine Million Euro verkauft.' Das geht dann teilweise so schnell, dass man das auch gar nicht mitbekommt."
Die 34-Jährige hat sich vor fünfeinhalb Jahren einen Hof unweit der A24 gekauft. Allerdings "nur" den Hof - ohne Eigenland. Denn die Bodenpreise sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen: Bundesweit kosten landwirtschaftliche Flächen mittlerweile mehr als doppelt so viel wie vor zehn Jahren.
Oftmals fehlt das Eigenkapital
In Mecklenburg-Vorpommern lagen die Preissteigerungen für Boden zuletzt sogar noch über dem bundesdeutschen Schnitt: Rund 24.000 Euro pro Hektar muss man im Nordosten für Ackerland zahlen. Damit ist MV mittlerweile auf Platz sechs der Bundesländer mit den teuersten Böden.
Als junge Hofnachfolgerin war ein Kauf von Hof und Boden für Ve-Anissa Spindler nicht möglich. Die Kaufsumme wäre in die Millionen gegangen. So viel Eigenkapital konnte sie nicht aufbringen. Ein großes Problem, an dem viele Hofnachfolgen scheitern.
Nur pachten als Option für junge Landwirtin
Für jeden ihrer knapp 200 Hektar Weideland zahlt sie deshalb Pacht. Doch die Verträge laufen teilweise nur wenige Jahre. Dann muss sie neu verhandeln - und merkt den Preisdruck.
In der Vergangenheit musste sie schon Flächen abgeben, weil die Besitzer Preise forderten, bei denen sie nicht mitgehen konnte. Auf den Äckern konnte dann kein Futter für die Kühe wachsen - Spindler musste umplanen. Einen neuen Kuhstall würde sie gerne bauen, doch neben der hohen Investition für das Gebäude treibt sie auch die Frage um: "Was ist, wenn ich das Land nicht mehr bezahlen kann?"
Auch bei den Pachtpreisen war MV zuletzt Spitzenreiter - was die Erhöhungen angeht. Um rund acht Prozent kletterten die Pachten 2022 im Schnitt auf gut 300 Euro pro Hektar. Experten schätzen, dass rund 70 Prozent der Flächen in MV nur gepachtet sind, bundesweit liegt der Schnitt etwas niedriger.
Böden begehrt bei Unternehmen und "Energiewirten"
Boden ist begehrt - nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für Bebauung, Straßen, erneuerbare Energien. Für Freiflächen-Photovoltaik oder Biogas-Anlagen lassen sich über das Erneuerbare-Energien-Gesetz stabile Vergütungen erzielen. Das macht die Flächen attraktiv für Energieunternehmen oder "Energiewirte", also Landwirte, die etwa auf den Betrieb von Biogas-Anlagen umsatteln.
Das Thünen-Institut schätzt, dass bis 2030 täglich 109 Hektar Fläche zugunsten anderer Nutzungsarten verloren gehen könnten. Das wären fast zwei durchschnittlich große landwirtschaftliche Betriebe pro Tag.
Viele Akteure besitzen Boden in Deutschland
Bund, Ländern und Kommunen gehören etwa zehn Prozent der Flächen. Aber auch viele Privatleute besitzen Boden, etwa Erben von ehemaligen Landwirten. Dazu haben besonders in den neuen Bundesländern immer mehr Genossenschaften oder GmbHs Boden erworben.
Der Kauf von Grund und Boden funktioniert über das Grundstücksverkehrsgesetz. Es gibt Ausschreibungen, Landwirte haben ein Vorkaufsrecht und die Behörde muss genehmigen. Es sei denn, Investoren kaufen sich über sogenannte Share Deals in bestehende Landwirtschaftsunternehmen ein und erwerben so indirekt den Boden.
Unternehmensgruppen kaufen große Flächen
Diese Anteilskäufe sind nicht anzeige- oder genehmigungspflichtig. Es liegen nur Schätzungen vor, wie weit verbreitet sie sind. Der Nachteil: Es ist unbekannt, welche Investoren wie viele Ländereien über Share Deals erworben haben. Das ist besonders pikant, weil es hier oft um große Flächen geht.
Anhaltspunkte bietet der agrarpolitische Bericht der Bundesregierung. Demnach waren 2020 bundesweit mehr als ein Drittel (36 Prozent) der landwirtschaftlichen Betriebe, die als juristische Person auftreten, Teil einer Unternehmensgruppe. 94 Prozent der Flächen, die durch Agrarholdings kontrolliert sind, liegen dabei in den ostdeutschen Bundesländern.
Kommen kleinere Betriebe nicht zum Zuge?
Der Einfluss von Investoren auf die Landwirtschaft und die Regionen ist noch nicht endgültig erforscht. Den Verdacht, dass kleinere Betriebe bei Ausschreibungen nicht mehr zum Zuge kommen, kann aber auch Ve-Anissa Spindler nicht verbergen: "Mal angenommen, Autohändler XY will Land kaufen, ich zahle 50.000 Euro auf einen Hektar. Dann kann ich sagen: Ich bin Landwirtin, ich will mein Vorkaufsrecht in Anspruch nehmen und das Land kaufen. Aber dann muss ich auch 50.000 Euro zahlen. Was ich aber nicht kann, weil ich ja Landwirtin bin und kein Autohändler, der das aus der Portokasse bezahlt."