Weniger Umweltauflagen für Landwirte - Lob und Kritik aus SH
Die Bauernproteste haben offenbar Wirkung gezeigt: Das Europaparlament hat den Weg für abgeschwächte Umweltauflagen in der Landwirtschaft freigemacht. Das löst ganz unterschiedliche Reaktionen bei Landwirten, in der Politik und bei Umweltverbänden aus.
Die Änderungen wurden vom Europaparlament im Eilverfahren gebilligt und gelten zum Teil sogar rückwirkend. Die EU-Staaten müssen noch zustimmen, aber das gilt als wahrscheinlich. Was bedeutet das für Landwirte? Zunächst einmal gibt es dann keinen Zwang mehr, Flächen brachliegen zu lassen. Bisher gibt es eine Pflicht-Stilllegung von vier Prozent der Flächen. Bauern können das dann aber freiwillig tun - und wenn sie es machen, bekommen sie eine Prämie. Fruchtfolgen müssen bei extremem Wetter nicht mehr eingehalten werden. Und Betriebe dürfen mehr Wiesenflächen in Ackerland verwandeln. Kleine Höfe mit einer Fläche von weniger als zehn Hektar sollen außerdem sowohl von Kontrollen als auch von Strafen ausgenommen werden.
Bauernverband SH: Landwirte können entscheiden
Die Bundesregierung muss dies nun noch in nationales Recht umsetzen. Wenn es aber alles so kommt, dann werden die Umweltauflagen massiv abgeschwächt - und dazu hat jeder eine andere Meinung. Der Bauernverband Schleswig-Holstein spricht von einer guten Entwicklung. "Wir finden es gut, dass es sich jetzt in die Richtung bewegt, dass man den Landwirten Angebote macht, die sie annehmen können", sagte der Generalsekretär des Bauernverbandes, Stephan Gersteuer. Auf diese Weise komme man zu einem kooperativen Natur- und Umweltschutz in der Landwirtschaft. "Das wird auch ein wesentlicher Abbau von Bürokratie sein, weil die Regelungen einfach zu kompliziert sind - sowohl für den Landwirt als auch die Kontrolleure."
Landwirten Ansa Lage aus dem Kreis Plön zufrieden
Auch einzelne Landwirte haben sich positiv geäußert. Ansa Lage betreibt Ackerbau in Köhn (Kreis Plön): "Es ist ein Entgegenkommen, um das auch einfacher und vor allen Dingen effektiver zu machen." Zu oft mache die Politik einfach Beschlüsse, die dann für alle gelten würden. "Aber man muss auch ein bisschen differenzieren, und es ist doch gut, wenn man zum Beispiel schlechtere Standorte stilllegen kann und bessere besser nutzen kann."
Landwirtschaftsministerium "Endlich mal ein positives Signal"
Und auch im schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsministerium ist man angetan von der Entscheidung: "Wir begrüßen für unsere Landwirtinnnen und Landwirte diese Entscheidung ausdrücklich", sagt Staatssekretärin Anne Benett-Sturies (CDU). "Endlich mal ein positives Singal aus Brüssel, Endlich mal Vereinfachung."
Umweltminister Goldschmidt: Desaströse Entscheidung
Ganz anders sieht es Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt. Der Grünen-Politiker ist richtig sauer: "Das ist eine Entscheidung gegen die Natur, gegen die natürlichen Lebensgrundlagen. Ich kann Ihnen sagen: Aus Umweltsicht ist das eine fatale und desaströse Entscheidung." Goldschmidt sagte, man löse Probleme nicht, indem man auf der Natur "rumkloppe". Die Landwirtschaft brauche stattdessen Planungssicherheit, faire Rahmenbedingungen zum Wirtschaften und eine intakte Natur. "Es ist jetzt erstmal die Frage, wie sich die Bundesregierung verhält. Die muss das dann ja entsprechend in nationales Recht umsetzen." Goldschmidt könne das aber nicht empfehlen. Und weiter meinte er in Bezug auf die vorangegangenen massiven Bauernproteste: "Ich finde, Politik darf sich nicht erpressbar machen."
Kock-Rohwer: Kompromisse im Schnellverfahren eingerissen
Auch der agrarpolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Dirk Kock-Rohwer, spricht von einem Bärendienst, den das Europäische Parlament hier erwiesen habe. "Unter dem Vorwand Bürokratieabbau wurden hier in zuvor jahrelangen Verhandlungen erzielte Kompromisse im Schnellverfahren eingerissen." Insbesondere bedauert er die Rückschritte beim Grünlandschutz. "Das Dauergrünland leistet enorm viel sowohl in Bezug auf Artenvielfalt als auch als Kohlenstoffspeicher und somit für den Klimaschutz." Aber auch Entscheidungen zu den Brachflächen und den Fruchtfolgen gehen Kock-Rohwer komplett in die falsche Richtung.
BUND: Bauern werden deshalb nicht mehr verdienen
Auch der BUND reagiert mit Ablehnung. Auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein hieß es in Berlin: Die Abstimmung berge die Gefahr, die Bindung der Förderung an Umweltauflagen komplett auszuhöhlen. "Das Schleifen der Umweltstandards wird weder das Einkommen von Bäuerinnen und Bauern erhöhen noch den Bürokratieaufwand erheblich verringern." Der Umweltverband ruft die Parlamentarier auf, das Verfahren zu verschieben. "Denn ohne Umweltbindung der Förderung werden sich die ökologischen Probleme nur verschärfen, und auch die Landwirtschaft wie einen Bumerang treffen."