Praxispersonal: Auf Warnstreik folgt Einigung im Tarifstreit
Der eintägige Warnstreik des Personals von Arztpraxen ist mit einer Einigung im monatelangen Tarifstreit zu Ende gegangen: Laut dem Verband medizinischer Fachberufe (vmf) wurde mit der Arbeitgeberseite, den Ärzten, ein Abschluss erreicht.
Wie viel Geld die bundesweit etwa 330.000 Medizinischen Fachkräfte in den Arztpraxen im ambulanten Bereich künftig verdienen, ist aber noch nicht bekannt. Die Tarifparteien hätten sich in der Verhandlungsrunde in Berlin darauf geeinigt, "das Ergebnis erst nach Ende der Erklärungsfrist am 16. Februar bekannt zu geben", hieß es. Die zuständigen Gremien müssen dem Verhandlungsergebnis noch zustimmen.
Der vmf hatte in dem seit Herbst vergangenen Jahres andauernden Tarifstreit durchschnittlich 14,6 Prozent mehr Gehalt gefordert. Die Ärzteschaft hatte Berufseinsteigern allerdings bisher nur 5,5 Prozent mehr Geld und langjährigen Mitarbeitenden nur 0,1 Prozent mehr angeboten. Nach der Einigung war von "konstruktiven und von Kompromissbereitschaft geprägten Gesprächen" die Rede.
2.000 Praxis-Mitarbeitende legen Arbeit für einen Tag nieder
Um den Druck in den Verhandlungen zu erhöhen, hatte der Verband zum ersten Mal in seiner Geschichte das Praxispersonal zu einem Warnstreik aufgerufen. Mindestens 2.000 Mitarbeitende folgten den Angaben zufolge bundesweit dem Aufruf und legten für einen Tag die Arbeit nieder, um für mehr Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen zu demonstrieren.
Dadurch kam es in den betroffenen Praxen auch in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg zu Verzögerungen in den Arbeitsabläufen. Einige Arztpraxen sollen komplett geschlossen geblieben sein. In Hamburg beteiligten sich etwa 200 Fachkräfte an einer Kundgebung, auch in Berlin, Stuttgart, Dortmund, Nürnberg und Marburg gab es Protestaktionen.
Volle Aufmerksamkeit für jeden Patienten
Eine Medizinische Fachangestellte, die sich am Streik beteiligt hat, ist Jana August aus Hamburg. Die 38-Jährige ist Managerin einer Hausarztpraxis im Stadtteil Altona und schon seit 20 Jahren in ihrem Beruf tätig. Ein ganz normaler Arbeitstag kann bei ihr auch mal von acht Uhr morgens bis abends um sieben dauern.
Der Job sei abwechslungsreich und mache ihr Spaß, doch Rückgrat der Praxis zu sein und alles im Blick zu haben, sei auch herausfordernd. Schließlich verdiene jede Patientin und jeder Patient volle Aufmerksamkeit: "Wir kümmern uns um einen nach dem anderen, aber wir können uns nicht teilen." Manchmal müsse man eigentlich überall gleichzeitig sein: an der Anmeldung, am Telefon, beim Arzt oder im Labor zum Blut abnehmen.
Bisheriges Tarifangebot der Arbeitgeber war "Schlag ins Gesicht"
Das Einstiegsgehalt nach Tarif liegt für Medizinische Fachangestellte derzeit noch bei monatlich rund 2.200 Euro brutto. Weil sie und ihre Kolleginnen und Kollegen viel Verantwortung für den Praxisalltag und -ablauf haben, war aus Sicht von Jana August das bisherige Angebot der Vertretung der niedergelassenen Ärzte im Tarifkonflikt alles andere als fair und so nicht hinnehmbar - sie bezeichnete es als "einen Schlag ins Gesicht. Wir sind die, die am längsten dabei sind. Und wir sind auch die, die den Laden am Laufen halten".
Kosten-Steigerungen und Inflation sind ein Problem
Am Warnstreik und der Hauptkundgebung in Berlin nahm die Praxis-Managerin aber nicht in erster Linie wegen ihrer persönlichen Situation teil, wie sie im Gespräch mit NDR Info sagte: "Ich habe das Glück, dass ich eine tolle Chefin habe, die sagt, sie zahlt - auch wenn sie es nicht muss - nach Tarif. Sie bezahlt sogar mehr als Tarif und kürzt lieber ihr eigenes Gehalt, anstatt uns etwas zu kürzen."
Jana August ist inzwischen in der obersten Tarifgruppe angekommen. Dafür musste die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern 20 Jahre Berufserfahrung sammeln, außerdem absolvierte sie viele Fort- und Weiterbildungen. Dennoch machen auch ihr die Kosten-Steigerungen und die Inflation zu schaffen: "Es gab Zeiten, da bin ich gut zurechtgekommen mit dem, was ich verdient habe. Aber ich merke es jetzt auch. Und ich will nicht wissen, wie das die machen, die wirklich auf der untersten Tarifstufe stehen."
Warnstreik bringt offenbar den gewünschten Erfolg
Mit dem Warnstreik wollte die 38-Jährige auch für mehr Anerkennung und Wertschätzung ihres Berufes kämpfen. Dieses Ziel ist mit dem Tarifabschluss zumindest fürs Erste erreicht. Auch Verbandspräsidentin Hannelore König zeigte sich zufrieden mit dem Warnstreik-Tag: "Es wird in der Öffentlichkeit über die Gehalts- und Arbeitssituation der MFA gesprochen. Dieser Druck scheint nicht ohne Auswirkung auf unsere Verhandlungen geblieben zu sein."
Auch mehrere Ärzteverbände wie der Virchowbund hatten sich solidarisch mit den Streikenden gezeigt. Sie forderten Politik und Krankenkassen auf, notwendige Steigerungen bei den Personalkosten auch entsprechend auszugleichen.