Ärzte in Schleswig-Holstein protestieren gegen Fachkräftemangel
Ärzte in Schleswig-Holstein haben am Mittwoch aus Protest eine Stunde lang auf ihre medizinischen Fachangestellten verzichtet. Die Aktion soll zeigen, dass für viele ihrer Kolleginnen und Kollegen fehlendes Personal Alltag ist.
Die Telefone klingelten, aber keiner hob ab, Rezepte wurden nicht wie sonst üblich herausgegeben und manche Untersuchungen fanden nicht statt. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in Schleswig-Holstein haben am Mittwoch mit einer Protestaktion auf den Fachkräftemangel und die daraus resultierende bedrohliche Lage für Praxen und Patienten aufmerksam gemacht. Zwischen 11 und 12 Uhr haben rund 20 Prozent der 3.000 Praxen im Land am Mittwoch eine Stunde lang ohne medizinische Fachangstellte gearbeitet und beispielsweise auf Arzthelferinnen und -helfer verzichtet. Zu der Aktion aufgerufen hatte die Ärztegenossenschaft Nord.
Bei einer Umfrage hatten mehr als die Hälfte der rund 1.800 Genossenschaftsmitglieder angegeben, zu wenig Personal in ihrer Praxis zu haben. Fast genauso viele mussten deswegen schon Sprechstunden und Leistungen kürzen.
Wenig Wertschätzung für Arbeit der medizinischen Fachangestellten
In einer Hausarztpraxis in Kiel beispielsweise können die Ärztinnen und Ärzte seit zwei Jahren keine neuen Patienten mehr aufnehmen. Laut Dr. Olav Schaefer arbeiteten acht bis neun Ärzte in der Praxis, jedoch nur mit einer medizinischen Fachangestellten pro Arzt - eigentlich sollten es zwei bis drei sein. Der Mediziner sagte, ihm sei wichtig, dass die Arbeit der medizinischen Fachangestellten mehr Wertschätzung erfahre. Viele Patienten ließen ihren Ärger zum Beispiel über nicht beantwortete Anrufe an den Arzthelferinnen aus. Dabei klingele das Telefon ununterbrochen, weil es zu wenig Personal gebe, das ran gehen könnte.
Weniger Sprechstunden, längere Wartezeiten, Leistungskürzungen
"Die ambulante Versorgung durch Vertragsärzte droht zu kippen", warnte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Ärztegenossenschaft Nord, Axel Schroeder. Weniger Sprechstunden, längere Wartezeiten und Leistungskürzungen drohten. Die Ärztegenossenschaft fordert, dass Bund und Länder konkrete Strukturveränderungen vorantreiben. Unter anderem sollen laut Forderung mehr Medizinstudienplätze geschaffen, höhere Honorare gezahlt und das Finanzierungssystem reformiert werden.
Politik zeigt Verständnis für Protestaktion
Aus Sicht von Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) ist der Protest nachvollziehbar und verdeutliche, dass die Bundesregierung handeln müsse. "Wir haben bereits mit unserem Bundesratsantrag Mitte September den Bund aufgefordert, rasch zu handeln und angesichts der Inflationskosten angemessene Regelungen zu treffen, um nicht refinanzierte Kostensteigerungen zu kompensieren", so die Ministerin am Mittwoch. Die Leistungen der Ärzte müssten vollumfänglich vergütet werden, kommentierte der FDP-Abgeordnete und frühere schleswig-holsteinische Gesundheitsminister Heiner Garg den Protest. Drängende Aufgabe der Landesregierung sei es, mehr Medizinstudienplätze zu schaffen und Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben. "Hier besteht enormer Handlungsbedarf und Handlungsdruck."