Viele Arztpraxen aus Protest wohl zwischen den Jahren dicht
Wer zwischen Weihnachten und Silvester zum Arzt möchte, steht möglicherweise vor verschlossenen Türen. Mehrere Ärzteverbände haben aus Protest dazu aufgerufen, die Praxen nicht zu öffnen.
Auch in Schleswig-Holstein bleiben in den Tagen zwischen den Jahren wahrscheinlich viele Haus- und Facharztpraxen zu. Dazu haben bundesweit mehrere Verbände aufgerufen, unter anderem der Virchowbund. Damit wollen die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte gegen die Politik von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) demonstrieren.
Budgetierung der Praxen beenden fordern Ärzte
Die Ärzte und die Ärzteverbände fordern, dass die Budgetierung der Arztpraxen abgeschafft wird, sagt Matthias Seusing vom Virchowbund Schleswig-Holstein. Der Virchowbund vertritt alle niedergelassenen Ärzte und Fachärzte. Er sagt: Die Budgetierung müsse man sich so vorstellen: Die Ärztinnen und Ärzte bekommen eine bestimmte Summe Geld pro Quartal zugewiesen. "Das Problem ist aber: Dieses Geld ist meist nach sechs bis sieben Wochen für den Betrieb, die Ärzte und die Mitarbeiter verbraucht - bei insgesamt 12 bis 13 Wochen in einem Quartal." Sprich: Die Praxen arbeiteten dann für "lau" - so seien sie nicht finanzierbar.
Digitalisierung - aber sinnvoll und schnell
Auch der Hartmannbund unterstützt die Proteste zwischen den Feiertagen: Es müssten dringend die von Bundesminister Lauterbach zugesagten Veränderungen umgesetzt werden: Neben den Anpassungen der Honorare und Budgets, sollte die Digitalisierung schnellstmöglich und vor allem sinnvoll umgesetzt werden. "Es nützt nichts, wenn Informationen einerseits elektronisch ausgetauscht werden können, aber dann jedes einzelne Rezept doch noch ausgedruckt und von der Ärztin oder dem Arzt unterschrieben werden müssen", sagt ein Sprecher.
Bürokratie und Kontrollen lähmen Praxen
Die Forderungen gehen noch weiter: Die Bürokratie müsse ein Ende haben, fordern Ärzte und Vertreter. Überprüfungen der Praxen über Kosten mit Summen im ein-Euro-Bereich und darunter müssten wegfallen. Da koste das Prüfen Unsummen mehr als das Problem, hießt es. Die Ärzte wollen außerdem eine gleiche Bezahlung für gleiche Leistungen in den Krankenhäusern und den Arztpraxen. Denn die Krankenhäuser erhalten deutlich höhere Sätze für ambulante Behandlungen als die niedergelassenen Ärzte.
5.000 zusätzliche Medizin-Studienplätze erforderlich
Die Ärzte fordern zudem mehr Studienplätze für den medizinischen Nachwuchs. Es müssten bundesweit mehr als 5.000 zusätzliche Studienplätze geschaffen werden, damit die Zahl der Ärzte in Zukunft sichergestellt werden könne, sagt Matthias Seusing vom Virchow-Bund. Philip Hoffman vom Hartmannbund ergänzt: "Auch die ärztliche Weiterbildung muss künftig auch in den Praxen selbst stattfinden, anstatt an Akademien oder in Unis", so könnten der Alltag und die Lebenswirklichkeit gerade unter den Aspekten knapper Zeit verbunden werden.
Wie viele Praxen in SH an dem Protest teilnehmen, ist nicht bekannt. "Da müssen wir die Rückmeldungen abwarten. Die werden erst in ein paar Tagen im neuen Jahr kommen", sagt Seusing vom Virchow-Bund.
Kritik von Stiftung Patientenschutz
Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz sieht die Protestaktion kritisch. Zwar hätten auch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte haben das Recht für ihre Interessen zu streiken. Sie sollten das aber vor den Geschäftsstellen der Krankenkassen und den Gesundheitsministerien von Bund und Ländern machen. "Praxisschließungen zwischen den Jahren treffen die Falschen. Schließlich ist auch der ärztliche Bereitschaftsdienst in diesen Wochen stark eingeschränkt, da die Kassenärztlichen Vereinigungen die Verträge mit den Poolärzten gekündigt haben," sagte Brysch. Tatsächlich gelte es, diejenigen Mediziner mehr zur Kasse zu bitten, die beim Notdienst nicht mitmachten. Denn gerade im ländlichen Raum träfen die Aktionen vor allem alte und schwache Menschen. Auch gegenüber Gesundheitsminister Lauterbach übt die Stiftung Kritik: "Außer öffentlichkeitswirksame Verständnislosigkeit zeigt der Bundesgesundheitsminister keine Initiative, die Maßnahmen zu stoppen," sagte Brysch weiter.
Ärztlicher Bereitschaftsdienst erreichbar
Der Virchowbund hingegen hält fest: Wer einen Termin hat oder sich wegen einer Erkältung ein Rezept holen möchte, sollte sich vorab darüber informieren, ob die eigene Praxis am Protest teilnimmt. Es gebe Vertretungspläne. Im Notfall können Patientinnen und Patienten sich an den ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der Rufnummer 116 117 wenden.