Nach Recherchen zu "Immo Tommy": Wie geht es jetzt weiter?
Nach den Recherchen von NDR und "Spiegel" über "Immo Tommy" melden sich weiter viele Betroffene und erheben ebenfalls Vorwürfe gegen den Immobilien-Influencer. Viele der Investoren erwägen ein juristisches Vorgehen - eine Sammelklage erscheint aber unwahrscheinlich.
Tomislav Primorac - wie "Immo Tommy" im normalen Leben heißt - bezeichnet sich als Europas größter Immobilien-Influencer. Rund zwei Millionen Menschen folgen ihm und seinen Anlage-Tipps auf Instagram, TikTok und Co. Doch Recherchen ergaben: Viele Käufer, die den Ratschlägen gefolgt sind und über das "Immo-Tommy"-Netzwerk investiert haben, fühlen sich getäuscht und betrogen. Darüber hat NDR Info Moderatorin Liane Koßmann mit Nicolas Lieven gesprochen, der für den NDR seit Monaten an dem Thema recherchiert.
Was hat sich seit der Veröffentlichung getan?
Nicolas Lieven: Vor allem ist die Resonanz unserer Hörerinnen und Hörer auf unsere "Immo Tommy"-Geschichte groß. Wir bekommen weiterhin täglich Mails von Betroffenen, die unsere Recherchen weitgehend bestätigen. Auch da geht es um Vorwürfe, wie völlig überteuerte Immobilien, riskante Finanzierungsverträge, hohe Teilbeträge, die offenbar abgezweigt wurden, Zusagen, die angeblich nicht eingehalten wurden - das reicht von Sanierungsversprechen bis zu eingeplanten Mieteinnahmen. Viele Menschen, die sich bei uns gemeldet haben, stehen massiv unter finanziellem und psychischem Druck. Es ist wie bei den Betroffenen, die wir während unserer Recherchen kennen gelernt haben.
Und es zeigt sich eben auch: Es geht nicht nur um ein paar negative Fälle unter Hunderten glücklichen Anlegern. Sondern die Zahl der Betroffenen dürfte sich innerhalb weniger Tage verdoppelt, vielleicht sogar verdreifacht haben.
Wie geht es jetzt weiter?
Lieven: Zunächst haben wir die Menschen angeschrieben und um etwas Zeit gebeten. Bei einigen haben wir auch schon Unterlagen angefragt. Wir müssen natürlich einmal sehen, ob sich das alles mit unseren Recherchen deckt oder ob es möglicherweise noch neue Aspekte gibt. Angesichts der Details in den Mails gehen wir allerdings davon aus, dass die Notar-, Kauf-, Hausverwaltungs- und Finanzierungsverträge nicht sonderlich von denen abweichen, die wir schon kennen.
Was ich allerdings schon jetzt sagen kann - auch nach Rücksprache mit dem Hamburger Rechtsanwalt Achim Tiffe, der einige Verträge für NDR und "Spiegel" geprüft hatte: Eine Sammelklage wird wohl nicht möglich sein. Diese Frage gab es immer wieder: ob sich die Betroffenen nicht zusammenschließen können, um gemeinsam zu klagen.
Warum geht das nicht?
Lieven: Der Jurist hat das so erklärt, dass sich die Verträge zwar ähneln, aber doch auch unterscheiden. Da geht um die Immobilien selbst, Standorte, Kaufpreise, Bewertungen, die mutmaßlich versteckten Provisionen in unterschiedlicher Höhe, und so weiter. Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Rechtsanwalt Tiffe sieht unabhängig von einer Sammelklage durchaus Chancen, sich zur Wehr zu setzen. Zum einen, weil im Raum steht, dass hier eine arglistige Täuschung vorliegen könnte, möglicherweise auch Wucher oder Sittenwidrigkeit. Und er sagt, man könnte zunächst versuchen, das mit ein paar Fällen zu klären, um dann für und mit den anderen einen außergerichtlichen Vergleich anzustreben.
Eine andere Möglichkeit - sagt der Anwalt - sei der Weg über die Verbraucherzentralen beziehungsweise den Verbraucherzentrale Bundesverband Berlin. Wenn sich dort genügend Menschen melden, so Tiffe, könnte es sein, dass von dort aus Druck gemacht wird.
Das heißt aber nicht, dass es automatisch Geld zurück gibt - oder?
Nicolas: Nein, nicht automatisch. Es bleibt ein langwieriger, für die Kläger sicherlich auch teurer Weg. Und am Ende besteht auch noch das Risiko, dass, wenn man gewinnt und der Kaufvertrag rückabgewickelt werden muss, die Masse fehlt - sprich: der Beklagte möglicherweise kein Geld mehr hat. Worauf man natürlich immer noch hoffen kann, ist, dass "Immo Tommy" selbst oder auch die beteiligten Institute - unter anderem die Volksbank Konstanz und die Schwäbisch Hall - doch noch einlenken. Bislang gibt es dafür allerdings keine Anzeichen.
Aber "Immo-Tommy" - Tomislav Primorac - hat sich ja inzwischen zu Wort gemeldet...
Lieven: Das stimmt. Und er hat in dem rund achtminütigen Videostatement auch Fehler eingeräumt. Allerdings liegen uns auf die konkreten Fragen zu den Vorwürfen der Käufer bis heute keine Antworten vor. Und auch die Volksbank Konstanz und die Schwäbisch Hall haben es bislang bei ihren Ausführungen belassen. Sprich: keine Details zu konkreten Fällen. Stattdessen hat man unter anderem auf das Bankgeheimnis und den Datenschutz verwiesen. Die Schwäbisch Hall wurde zwar auch auf Instagram von Usern zu einem Statement aufgefordert, aber da hieß es nur: Die Bausparkasse Schwäbisch Hall habe keine Kooperation mit "Immo Tommy". Allerdings haben während unserer Recherchen Juristen und Verbraucherschützer eben genau die Finanzkonstrukte mit Bausparverträgen der Schwäbisch Hall als "katastrophal" bezeichnet.
Was war daran so schlecht?
Lieven: Das Modell ist einfach teuer. Zum einen, weil die Zinsen oft recht hoch sind - zum Teil um fünf Prozent. Und weil die Betroffenen meist nur Zinsen zahlen - keine Tilgung - und das bis zu 27 Jahre lang. Sprich: In einigen Fällen kommen so Hunderttausende Euro an Zinsen zusammen, ohne dass der Kredit kleiner wird. Und nach zum Beispiel 27 Jahren soll dann ein parallel angesparter Bausparvertrag greifen und die Kredit-Summe komplett ablösen. Allerdings gibt es auch da noch erhebliche Hürden und Risiken. Unter anderem kann die Bausparkasse am Ende entscheiden, ob sie den Kredit überhaupt gewährt. Das ist nämlich keineswegs sicher. Dann platzt alles.
Was sagen denn Verbraucherschützer zu den Ergebnissen der Recherche?
Lieven: Wir hatten ja Hermann-Josef Tenhagen von "Finanztip" bei NDR Info zu Gast. Und der hat sich nicht überrascht gezeigt. Vor allem, weil es inzwischen so viele Finanz-Influencer im Netz gibt - teils mit gefährlichem Halbwissen, wie er noch einmal betont hat. Er hat auch noch einmal gesagt: Eine Immobilie muss man vor dem Kauf unbedingt besichtigen - und zwar mit einem Sachverständigen an der Seite. Und: All-Inclusive-Angebote seien meist teuer, weil alle mitverdienen wollten. Ähnlich hat sich auch der Grundeigentümer-Verband Haus & Grund Schleswig-Holstein geäußert - gerade, wenn es um unsanierte Gebäude gehe. Oder auch, wenn die Immobilie bereits vermietet ist.
Man sollte unbedingt alles von Fachleuten prüfen lassen. Und das ist ja in den uns vorliegenden Fällen laut unseren Recherchen nicht passiert. Zum Teil wurden die Immobilien ja vor dem Kauf nicht einmal besichtigt - weil sich die Käufer einfach zu sicher gefühlt haben.
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