Ein Mann hält ein Tablet in seinen Händen auf dem die Webseite eines Beraters für Immobilien zu sehen ist. © Fotolia / Screenshot Website Foto: Brian Jackson
Ein Mann hält ein Tablet in seinen Händen auf dem die Webseite eines Beraters für Immobilien zu sehen ist. © Fotolia / Screenshot Website Foto: Brian Jackson
Ein Mann hält ein Tablet in seinen Händen auf dem die Webseite eines Beraters für Immobilien zu sehen ist. © Fotolia / Screenshot Website Foto: Brian Jackson
AUDIO: Wie seriös ist das Angebot von "Immo Tommy"? (9 Min)

"Immo Tommy" – Abzocke mit Schrottimmobilien?

Stand: 09.08.2024 06:00 Uhr

Der bekannte Immobilien-Influencer "Immo Tommy" hat über sein Netzwerk zahlreiche Immobilien vermittelt, die für Betroffene zum finanziellen Debakel wurden. Das zeigen Recherchen des NDR und des "Spiegel".

von Florian Heide, Nicolas Lieven und Ines Burckhardt

Verena S.* hat Hunderte Videos von "Immo Tommy" auf Instagram angeschaut. Videos, in denen der bekannte Influencer mit insgesamt etwa zwei Millionen Followern auf Social Media Tipps gibt - für Finanzen, Anlagen und besonders für Immobilien. Hinter "Immo Tommy" steht Tomislav Primorac, der nach eigenen Angaben innerhalb weniger Jahre mit Immobilien zum Millionär geworden ist. Der Stuttgarter redet in seinen kurzen Clips über "praktische Tipps für den perfekten Start ins Immobiliengeschäft" oder darüber, dass "Immobilien in keinem Anlageportfolio fehlen sollten".

"Wir waren völlig blauäugig"

Eine Frau hält ein Smartphone in den Händen auf dem das Instagram-Profil eines Immobilien-Influcencers zu sehen ist. © Colourbox / Screenshot Instagram Foto: Colourbox
"Immo Tommy" hat auf seinen Social-Media-Kanälen rund zwei Millionen Follower.

Das alles hat auch Verena S. überzeugt - sie kaufte schließlich eine Immobilie, vermittelt über "Immo Tommys" Netzwerk. "Ich habe das gesehen und ja, vielleicht lässt man sich auch tatsächlich blenden von dem Ganzen. Ich ärgere mich so. Wir hätten das einfach hinterfragen müssen, wir waren völlig blauäugig." Ein anderer Kunde aus dem Raum Osnabrück erzählt: "Ich habe öfter TikToks von ihm gesehen. Und irgendwann bin ich dann auf seine Seite gekommen und habe das Anmeldeformular ausgefüllt. Ich dachte, mit jungen Jahren kann man ja besser anfangen als mit 30."

Verena S. und der Käufer aus dem Raum Osnabrück wollen anonym bleiben. So wie alle Betroffenen, mit denen der NDR und der "Spiegel" in den vergangenen Monaten gesprochen haben. Sie alle haben den Versprechen von "Immo Tommy" auf YouTube, Instagram, TikTok und Co. geglaubt - selbst eine ehemalige Bankmitarbeiterin und ein Anlageberater, der um seinen Ruf fürchtet und deshalb nicht namentlich genannt werden möchte. Ein Kunde sagt heute: "Am liebsten würde ich die Immobilie wieder zurückgeben und alles rückgängig machen, wenn ich könnte." 

Investment wird zum Albtraum

"Immo Tommy" wirbt mit einem quasi “Rundum-Sorglos-Paket" - von der Finanzierung über die Sanierung bis hin zur Auswahl der Mieter kümmere sich sein Netzwerk um alles. Nach Primoracs Angaben arbeiten allein 17 Vermittler in seinem Auftrag.

Zahlreiche Betroffene beklagen im NDR und im "Spiegel", das angeblich einfache Investment erweise sich für sie als Albtraum. Die Vorwürfe sind vielfältig: Die Immobilien seien deutlich überteuert, Sanierungsarbeiten versprochen und nicht durchgeführt, versteckte Provisionen kassiert sowie sehr riskante Finanzierungsverträge vermittelt worden.

Wohnungen überteuert verkauft?

Der Reihe nach: Zahlreiche Käufer sorgen sich, dass sie viel zu teuer gekauft haben. Auch die vorliegenden Gutachten und Dokumente deuten daraufhin. NDR und "Spiegel" haben die Quadratmeterpreise einiger verkaufter Wohnungen mit ortsüblichen Werten verglichen, die Makler und Immobilienportale aufrufen. Die Wohnungen waren teilweise bis zu 50 Prozent teurer.

Hinzu kommt: Einige Käufer haben die Immobilien vorab nicht einmal persönlich besichtigt, vertrauten offenbar den Versprechungen von "Immo Tommy" und seinem Netzwerk. Dass sie den Kaufvertrag ohne Besichtigung unterschrieben haben, bereuen heute viele. Der Käufer aus dem Raum Osnabrück etwa erklärt seine Entscheidung so: "Ich habe mich zu sicher gefühlt. Ich wollte einfach mal aus der Komfortzone raus und etwas tun, was nicht jeder macht. Im Nachhinein war das ein Fehler."

Anwalt: "Verträge zum Teil katastrophal"

Rechtsanwalt Achim Tiffe © Picture People Foto: Tim Hübner
Verbraucheranwalt Tiffe fühlt sich an Schrottimmobilien erinnert.

Der Hamburger Verbraucheranwalt Achim Tiffe hat einen Teil der Immobilien- und Finanzierungs-Verträge für den NDR und den "Spiegel" geprüft, er bezeichnet sie als "katastrophal". Die Fälle, sagt er, erinnern ihn an sogenannte Schrottimmobilien: "Da werden Leuten Immobilien verkauft, die möglichst 500 Kilometer weit weg sind, damit die nicht so genau wissen, wie werthaltig die Immobilie ist. Die kennen die Verhältnisse nicht vor Ort. Das war schon so in den 90er-Jahren. Das war auch schon davor so. Und das sehen wir jetzt wieder, mit einem anderen Modell."

Hohe Teilzahlungen an Dritte

Aus den Verträgen, die dem NDR und "Spiegel" vorliegen, geht außerdem hervor, dass Käufer in mehreren Fällen hohe Teile des Kaufpreises als nicht näher definierte Teilzahlung an Dritte geleistet haben - teilweise auch an Tomislav Primorac selbst. Eine Immobilie wurde zum Beispiel für 166.000 Euro verkauft - davon gingen laut notariellem Kaufvertrag 49.000 Euro als Teilzahlung an Primorac. Bei einem anderen Haus betrug der Kaufpreis rund 550.000 Euro -  hier erhielt Tomislav Primorac 90.000 Euro.

Für welche Gegenleistung diese Summen bezahlt wurden, war in den Verträgen nicht ersichtlich und die Käufer sagen, sie wurden über den Zweck der Zahlungen nicht aufgeklärt. Für "Immo Tommy" sind seine Immobiliengeschäfte offenbar ein lukratives Geschäft: Er hat nach eigenen Angaben zuletzt jährliche Provisionen im zweistelligen Millionenbereich kassiert.

Finanzierungsverträge ohne Tilgung

NDR und "Spiegel" liegen zahlreiche Finanzierungsverträge vor, die über "Immo Tommys" Netzwerk vermittelt wurden. In der Regel handelt es sich um eine Kombination aus Kreditvertrag und Bausparvertrag, mit Laufzeiten von 20 Jahren und mehr - ohne Tilgung. Das heißt: Es werden nur Zinsen bezahlt, aber der Kredit wird nicht kleiner, die Immobilie wird in dieser Zeit nicht abbezahlt.

Verbraucherschützer Alexander Krolzik © Karin Gerdes | Hamburg Foto: Karin Gerdes | Hamburg
Immobilien-Experte Krolzik: Zwangsverkauf droht.

Die Zinsen sind in den meisten der vorliegenden Fälle nur für zehn Jahre gesichert - das ist an sich nicht ungewöhnlich. Aber dann müsse mit der Bank neu verhandelt werden, erklärt Alexander Krolzik, Immobilienexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. Er übt scharfe Kritik an den Verträgen: "Wenn die Bank dann zu dem Schluss kommt, dass die Immobilie gar nicht das wert ist, muss man ablösen oder Sicherheiten stellen. Das kann schon dazu führen, dass man unter Zwang verkaufen muss. Und dann macht man Verluste."

Unterm Strich sei das Geschäft für die Kunden eine Katastrophe, sagt Krolzik. Käufer seien "über den Tisch gezogen und abgezockt" worden.

Reporter erhalten keine Antworten

Die beteiligte Volksbank Konstanz wollte sich auf Anfrage nicht konkret äußern. Inhalte der Beratungsgespräche lägen ihr nicht vor. Die Bausparkasse Schwäbisch Hall, über die zweifelhafte Finanzierungskonstrukte liefen, lehnte eine Auskunft zu Einzelfällen wegen des Bankgeheimnisses ab. Sie verwies nur allgemein auf die möglichen Vorteile einer solchen Finanzierung - wie zuverlässige Zinsen. Aber eben die gibt es bei den vorliegenden Verträgen nicht.

NDR und "Spiegel" haben auch Tomislav Primorac um Antworten gebeten. Auf Wunsch wurde dafür mehr Zeit eingeräumt. Antworten seien zum aktuellen Zeitpunkt nicht seriös und angemessen möglich, ließ Primorac über eine Anwältin mitteilen.

Was können Betroffene tun?

Aber was sollen Betroffene nun tun? Verbraucherschützer Krolzik sagt, eine Möglichkeit sei, die Immobilie wieder zu verkaufen, selbst wenn dies mit Verlusten verbunden wäre - um dem Schrecken ein Ende zu setzen.

Mindestens ein Betroffener wehrt sich bereits gerichtlich und hat Klage gegen die Beteiligten erhoben. Er fordert die Rückabwicklung der Verträge. Verbraucherschützer und Juristen schätzen, dass er durchaus Chancen hat zu gewinnen: Möglicherweise wurden Aufklärungspflichten verletzt; es könnte sich nach Einschätzung der Experten auch um arglistige Täuschung, Sittenwidrigkeit oder Wucher handeln.

* Name von der Redaktion geändert.

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