Lauterbach will elektronische Patientenakte verpflichtend einführen
Von 2024 an soll jeder Krankenversicherte in Deutschland eine elektronische Patientenakte haben - es sei denn, man lehnt dies ausdrücklich ab. Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat in Berlin entsprechende Pläne vorgestellt.
Jeder Krankenversicherte soll nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ab 2024 eine elektronische Patientenakte (ePA oder auch E-Akte) erhalten. Das kündigte Lauterbach am Donnerstag in Berlin an. Mit ihr sollen Patientendaten, die bisher an verschiedenen Orten wie Praxen oder Krankenhäusern abgelegt sind, zusammengetragen werden. Das elektronische Rezept soll laut Lauterbach ebenfalls zum selben Zeitpunkt verbindlich sein.
Er wolle die Digitalisierung des Gesundheitswesens deutlich beschleunigen, sagte Lauterbach: "Deutschlands Gesundheitswesen hängt hier um Jahrzehnte zurück." Bereits bis Ende 2025 sollten 80 Prozent der gesetzlich Versicherten eine ePa erhalten. Zwei dafür nötige Gesetze - das Digitalgesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz - würden "in den nächsten Wochen vorgelegt".
Versicherte erhalten Zugriff auf Unterlagen
Zu den Unterlagen, die in der Akte elektronisch abgespeichert werden sollen, könnten unter anderem Röntgenbilder, Befunde, Arztbriefe, der Impfausweis und auch das Zahnbonusheft gehören. Ärzte oder Krankenhäuser können dann darüber ihre Befunde auf digitalem Wege austauschen. Und auch Mehrfachuntersuchungen und gefährliche Wechselwirkungen bei Medikamenten sollen laut Lauterbach damit verhindert werden. Die Versicherten erhalten über eine App Zugriff auf ihre Unterlagen.
Wer aktiv ablehnt, bekommt keine E-Akte
Mit dem jetzigen Vorstoß soll ein jahrelanges Gezerre um die elektronische Patientenakte beendet werden. Die Idee zur Digitalisierung von Befunden hatte Lauterbach schon vor 20 Jahren mit der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) entwickelt. Doch erst seit 2021 können gesetzlich Versicherte freiwillig solch eine digitale Patientenakte anlegen lassen. Die Möglichkeit dazu nutzen aber bisher nur weniger als ein Prozent der 74 Millionen gesetzlich Versicherten.
Auch gibt es bislang bei der Vernetzung der Praxen Verzögerungen, bei mehreren Fragen schwelt Streit über den Datenschutz. Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP daher vereinbart, das Prinzip "Opt-out" anzuwenden - also, dass alle automatisch eine E-Akte bekommen und man aktiv widersprechen muss, statt wie bisher aktiv eine E-Akte zu beantragen. "Wer aktiv widerspricht, für den wird auch keine ePa angelegt", erklärte Lauterbach.
Daten sollen auch der Forschung zugutekommen
Zudem will der Minister mit einem eigenen Gesetz der Forschung mehr Patientendaten zur Verfügung stellen. "Wir haben schon jetzt eine Menge Daten, die aber in getrennten Silos liegen und nicht miteinander verknüpft werden können", sagte er. "Der Grundgedanke ist, dass diese Daten in pseudonymisierter Form für Forschungszwecke kombiniert werden können." Ohne eine solche Möglichkeit werde Deutschland in der pharmazeutischen Forschung bald keine Rolle mehr spielen, so Lauterbach.
E-Rezept soll Standard werden
Darüber hinaus soll das ebenfalls bislang kaum genutzte E-Rezept zum 1. Januar 2024 Standard werden. Das Rezept kann dann sowohl mit der Gesundheitskarte als auch mit der App für die elektronische Patientenakte eingelöst werden. Dadurch soll auch eine Übersicht von Medikamenten, die der Patient einnimmt, entstehen. Ärzte können so bei neuen Verschreibungen direkt erkennen, ob es schädliche Wechselwirkungen von Arzneimitteln geben könnte.
Patientenschützer begrüßen Vorstoß
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßt die elektronische Patientenakte grundsätzlich. Vorstand Eugen Brysch verwies aber auf einen hohen Anteil von Senioren, die technisch nicht so versiert seien, um per App Widerspruch gegen die Patientenakte oder die Nutzung bestimmter Daten zu erheben. "Dem Bürger darf nicht die Kontrolle über seine medizinischen Informationen entzogen werden. Denn Schweigen bedeutet nicht Zustimmung", betonte Brysch mit Blick auf die geplante Widerspruchslösung. Die Verbraucherzentralen forderten, es müsse einfach festzulegen sein, welcher Arzt auf welche Daten zugreifen dürfe.
Ärzteverbände forderten Lauterbach auf, die geplante elektronische Patientenakte benutzerfreundlich zu gestalten. Die Bundesärztekammer erklärte, die Digitalisierung im Gesundheitswesen werde nur dann Erfolg haben, wenn die Patientenakte Patienten und Ärzten spürbar nutze. "Sie muss sowohl die Sicherheit der Patientendaten gewährleisten als auch eine praktikable Befüllung und einen einfachen Zugriff auf die in der Akte abgelegten Daten sicherstellen", forderte Ärtzekammer-Präsident Klaus Reinhardt. Die Krankenkassen mahnten, dass Ärzte tatsächlich Behandlungsdaten einstellen müssten.