Kommentar zur Bundestagswahl: "Friedrich Merz wird's schwer haben"
Die Union hat die Bundestagswahl deutlich gewonnen und einen klaren Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Mit welchem oder welchen Koalitionspartnern die kommende Regierung gebildet werden kann, ist noch ungewiss. Klar scheint nur: Für eine stabile neue Bundesregierung braucht es Bewegung auf allen Seiten.
Ein Kommentar von Adrian Feuerbacher, NDR Chefredakteur
Kurz vor diesem Wahlabend hatten die Wahlforscher von infratest dimap die Deutschen nach ihrer größten Sorge gefragt. Ergebnis: Auf Platz eins kam die Furcht, dass wir nach der Bundestagswahl keine stabile Regierung bekommen. Am Sonntagabend hat sich gezeigt: Unbegründet war diese Sorge leider nicht.
Die Union hat mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz zwar zugelegt und die Wahl klar gewonnen - das aber mit weniger als 30 Prozent, mit dem zweitschlechtesten Ergebnis ihrer Geschichte. Auf das schlechteste Ergebnis bei Bundestagswahlen stürzte die SPD mit Kanzler Olaf Scholz ab. Derweil hat die in Teilen rechtsextreme AfD Rang zwei im Parlament erobert.
Mögliche Regierungskonstellationen noch offen
Und jetzt? Ob es für eine GroKo von Union und SPD zumindest rechnerisch reichen wird, ist noch ungewiss. Möglich ist, dass Merz für eine Mehrheit im Bundestag zusätzlich zu einer waidwunden SPD noch die Grünen braucht - oder die FDP, wenn die es doch noch ins Parlament schaffen sollte.
Deutschland braucht schnell Klarheit
In normalen Zeiten könnte man erstmal abwarten und sich daran erinnern, dass es nach der vorletzten Bundestagswahl fast ein halbes Jahr gedauert hat, bis eine Koalition stand. Die Zeiten sind aber nicht normal. Deutschland und ganz Europa sind in einer beispiellosen außen- und sicherheitspolitischen Krise - und die macht nicht netterweise Pause, bis wir uns in Deutschland sortiert haben.
Man stelle sich vor: In vier Monaten, beim G7-Gipfel und beim NATO-Spitzentreffen, wäre noch ein abgewählter Bundeskanzler Scholz dabei, der wenig zu sagen hat, dem wenige zuhören, weil er wenig entscheiden kann. Das wäre fatal.
"Flirt mit der AfD" von Merz hallt nach
Als ebenso fatal, als verantwortungslos erweist sich jetzt das Agieren vor allem der Union vor der Wahl. Dass Merz im Bundestag für Verschärfungen in der Asylpolitik eine Mehrheit mit der AfD in Kauf nahm, das werden SPD und Grüne so schnell nicht vergessen. Das wird auch mögliche Koalitionsverhandlungen überschatten.
CSU verhält sich äußerst unklug
Und CSU-Spitzenkandidat Alexander Dobrindt? Der hat sogar noch am Wahlabend um 18.12 Uhr, im Angesicht der Prognosen, eine Koalition mit den Grünen ausgeschlossen. Eine konstruktive Gesprächsfähigkeit der demokratischen Mitte derart zu beschädigen, ist - höflich formuliert - unklug.
Friedrich Merz wird es schwer haben.
Anmerkung der Redaktion: Liebe Leserin, lieber Leser, die Trennung von Meinung und Information ist uns besonders wichtig. Meinungsbeiträge wie dieser Kommentar geben die persönliche Sicht der Autorin/des Autors wieder. Kommentare können und sollen eine klare Position beziehen. Sie können Zustimmung oder Widerspruch auslösen und auf diese Weise zur Diskussion anregen. Damit unterscheiden sich Kommentare bewusst von Berichten, die über einen Sachverhalt informieren und unterschiedliche Blickwinkel möglichst ausgewogen darstellen sollen.
Schlagwörter zu diesem Artikel
Bundestagswahl
