Hafenstrategie: Ausbau ja - aber keine Finanzzusagen
Die norddeutschen Seehäfen müssen für die Energiewende ausgebaut werden. Die vom Bundeskabinett beschlossene Nationale Hafenstrategie bringt aber keine Finanzzusagen des Bundes. Die Küstenländer bleiben hartnäckig.
Die Bundesregierung will die deutschen Häfen stärken. Das Kabinett hat dafür am Mittwoch eine sogenannte Nationale Hafenstrategie beschlossen. In dem Papier geht es darum sicherzustellen, dass deutsche See- und Binnenhäfen weiter eine wichtige Rolle in den globalen Transportketten spielen. Dazu werden fast 140 Maßnahmen von Bund und Ländern aufgeführt, die für den Ausbau und Erhalt der Häfen nötig sind. So sollen beispielsweise die Häfen vernetzter zusammenarbeiten und sicherer gemacht werden, um sich etwa vor Cyberangriffen zu schützen. Der Bund will auch das Hinterland einbeziehen und Straßen und Schienen, die zu Häfen führen, ausbauen. Wer das allerdings zahlen soll, bleibt offen.
Außerdem werden Häfen künftig teilweise als kritische Infrastruktur eingestuft. Der Einstieg von ausländischen Investoren soll strenger geprüft werden.
Wissing: "Erst der Plan, dann das Geld"
Bundesverkehrsminister Volker Wissing sieht die Nationale Hafenstrategie als wichtigen Schritt zur Stärkung der deutschen Häfen. Der FDP-Politiker sprach von einem Maßnahmen-Kursbuch, das Lösungswege für die drängendsten Herausforderungen der Häfen aufzeige - von den großen Chancen der Digitalisierung über knappe Flächen, Fachkräfte und Mittel.
Wissing hatte im Vorfeld die Kritik der Union zurückgewiesen, der Bund tue zu wenig für die Häfen. Der Bund stehe weiterhin zur gemeinsamen Verantwortung für die Häfen, sagte er. "Dazu zählt auch die Frage der angemessenen Beteiligung des Bundes an den Kosten der Länder. Wichtig ist uns dabei aber: erst der Plan, dann das Geld. Mit dem gemeinsamen Verständnis der Hafenstrategie können wir nun daran arbeiten, die hohen Investitionen zu verstetigen und Planungen zu beschleunigen."
Janecek: Rolle der Seehäfen bundesweit anerkennen
Der Koordinator der Bundesregierung für maritime Wirtschaft, Dieter Janecek von den Grünen, sagte auf NDR Info, es sei gut, dass mit der nationalen Hafenstrategie erstmals ein Prozess aufgelegt worden sei, in dem Bund und Länder kontinuierlich miteinander darüber sprächen, wie die Häfen besser unterstützt werden könnten. Das Thema Finanzierung in Zeiten klammer Kassen bleibe kein einfaches, aber der Grünen-Politiker drängt auf eine stärkere Verantwortung des Bundes. Die Häfen würden immerhin eine Schlüsselrolle einnehmen bei der Dekarbonisierung der Industrie, bei der Klimaneutralität und der Bebunkerung mit alternativen Kraftstoffen. "Da kommt viel Neues auf die Häfen zu und der Investitionsstau ist gegeben. Also muss auch eine Diskussion folgen, wie wir diese Investitionen stemmen", so Janecek.
Janecek hob die Bedeutung der Häfen für ganz Deutschland hervor. Er erwarte, dass diese wichtige Rolle auch in den süddeutschen Bundesländern anerkannt werde. "Fünf Millionen Beschäftigte sichern sie direkt und indirekt. Ohne die Häfen in Norddeutschland ist auch die Produktion in Süddeutschland lahmgelegt", sagte Janecek.
Küstenländer fordern finanzielle Beteiligung des Bundes
Auch nach den Beschlüssen zur Nationalen Hafenstrategie bestehen die Küstenländer weiter auf einem stärkeren finanziellen Engagement des Bundes für die Seehäfen. Eine bundesweite Förderung und ein erhöhter Ausgleich für die besonderen finanziellen Belastungen durch die Seehäfen müsse der nächste Schritt nach Vorlage dieses Papiers sein, "um ins Handeln zu kommen", heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung der zuständigen Ressortchefs aus Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern." 400 Millionen Euro für Erhalt und Betrieb der Häfen pro Jahr, lautet die seit Langem von den Küstenländern und der Hafenwirtschaft erhobene Forderung. 38 Millionen Euro zahlt der Bund derzeit für alle Häfen, über einen sogenannten Hafenlastenausgleich.
Leonhard: "Ohne Häfen keine Exportnation"
"Ohne Häfen keine Exportnation", sagte Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD). "Hier wird verschifft, was in Deutschland produziert wird und von hier aus in globale Handelsbeziehungen eingespeist wird - und hier wird importiert, was in der ganzen Republik in den Regalen liegt." Über 60 Prozent des deutschen Außenhandels erfolgten auf dem Seeweg. "Die Küstenländer sind aber allein nicht in der Lage, die erheblichen Investitionen angesichts der nun anstehenden nationalen Herausforderungen und Aufgabenstellungen der Energiewende, des Klimawandels und auch der Sicherheit eigenständig zu lösen", heißt es in der Erklärung weiter.
Hamburger CDU: Hafenstrategie ist zahnlose Absichtserklärung
Die CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft hat die beschlossene Nationale Hafenstrategie als "zahnlose Absichtserklärung" kritisiert. Kernfragen der künftigen Ausrichtung der deutschen Seehäfen blieben darin ungeklärt, "sodass auch der Hamburger Hafen keine Grundlage hat, auf der er sich neu oder anders positionieren kann", sagte der hafenpolitische Sprecher der Fraktion, Götz Wiese. "Auch für eine tragfähige Kooperation der Häfen in der Deutschen Bucht fehlt eine Perspektive." Zudem drücke sich der Bund um klare Finanzierungszusagen herum. Die wahren Gewinner der Hafenstrategie seien deshalb die Niederlande, Belgien, die Ostseeanrainer und der Mittelmeerraum.
Madsen: Häfen-Bedeutung muss sich in Finanzhilfen ausdrücken
Auch Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) fordert, dass der Bund sich dazu bekennen soll, dass die Häfen für ganz Deutschland wichtig sind. Die Häfen hätten eine Bedeutung für die Energiewende und auch für den Export - und damit für den deutschen Wohlstand. Und das sollte sich natürlich auch in höheren Finanzhilfen ausdrücken.
Lies: Weiter an finanziellen Fragen arbeiten
Niedersachsens Wirtschafts- und Hafenminister Olaf Lies sagte nach dem Beschluss zur Nationalen Hafenstrategie, er nehme positive Signale vom Bund wahr, dass die Nordländer und die Küste als das angesehen werden, was sie sind: das energiepolitische Herz Deutschlands. "Wir sind die Garanten für eine unabhängige, diversifizierte und genauso saubere und dauerhaft günstige Energieversorgung. Der Ausbau unserer Häfen ist eine Frage von Sicherheit - und damit eine nationale Aufgabe", so der SPD-Politiker. Das könnten die Länder finanziell nicht alleine stemmen. "Das bedeutet, dass wir hier weiter mit dem Bund an Lösungen auch für die finanziellen Fragen arbeiten müssen."
IG Metall: Länder können Investitionen nicht alleine stemmen
Unterstützt werden die Länder in ihren Forderungen nach verbindlichen Finanzzusagen auch von der IG Metall Küste. Sie sieht ohne eine massive finanzielle Beteiligung des Bundes beim Ausbau der norddeutschen Häfen für die Energiewende schwarz. "Hier geht es um die Zukunft der Industrie, der Energieversorgung und des Handels für ganz Deutschland. Da ist die Bundesregierung gefordert, in großem Maße zu investieren", sagte der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Daniel Friedrich. Deutschland bleibe nur wettbewerbsfähig, wenn die Häfen erweitert würden. "Die notwendigen enormen Investitionen können die norddeutschen Bundesländer nicht alleine stemmen. Das ist eine nationale Aufgabe", betonte Friedrich.
Seehafenbetriebe enttäuscht über fehlende Finanzzusage
Die deutschen Hafenbetriebe haben sich enttäuscht über fehlende Finanzzusagen in der Nationalen Hafenstrategie gezeigt. Um die See- und Binnenhäfen zukunftssicher aufzustellen, brauche es eine ambitionierte Hafenpolitik, teilten der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) und der Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen (BÖB) am Mittwoch mit. "Dem heute gefassten Kabinettsbeschluss fehlt allerdings eine zentrale Voraussetzung: die Mittel zur Umsetzung."
Die Seehafenbetriebe forderten den Bund auf, die finanzielle Lücke bei der Ausgestaltung von Wirtschaftsprogrammen und bei der Aufstellung des Bundeshaushalts für 2025 zu schließen. "Die Seehäfen wurden viel zu lange politisch vernachlässigt", erklärte ZDS-Präsidentin Angela Titzrath. Von Seiten des Bundes müssten nun endlich verlässliche Zusagen zur Seehäfenfinanzierung folgen – für alle Häfen.
BÖB-Präsident Joachim Zimmermann betonte: "Eine ambitionierte Hafenpolitik gibt es nicht zum Nulltarif." Die Binnenhäfen benötigten finanzielle Zusagen der öffentlichen Hand. "Deswegen fordern wir für den Haushalt 2025 die Streichungen beim Schienengüterfernverkehrsnetzförderungsgesetz für Hafenbahnen zurückzunehmen und endlich ein Bund-Länder-Förderprogramm für die Sanierung und den Ausbau wasserseitiger Infrastrukturen in den Binnenhäfen aufzulegen."
Windbranche: Bund wird Verantwortung nicht gerecht
Die Windenergiebranche wirft der Bundesregierung in ihrer Hafenstrategie gravierende Versäumnisse im Zusammenhang mit der Energiewende vor. Berlin werde nicht der Verantwortung gerecht, wenn es darum ginge, Häfen zu Knotenpunkten der Energiewende zu machen, heißt es in einer Mitteilung mehrerer Verbände aus dem Bereich der Windenergie vom Mittwoch. "Die Energiewende ist politisch durch den Bund beschlossen und stellt eine nationale Aufgabe dar, die ohne den Ausbau der notwendigen Hafenkapazitäten deutlich ausgebremst zu werden droht."
Die vorgestellte Strategie enthalte zwar viele wichtige und zielführende Maßnahmen, aber die Regierung "muss jetzt schnellstens eine schlüssige und stabile Finanzierungsgrundlage für die Hafenstrategie schaffen, die ihre selbst gesteckten Ziele aus dem Koalitionsvertrag nachhaltig unterlegt", fordern der Bundesverband WindEnergie, der Bundesverband Windenergie Offshore, die Branchennetzwerke WAB und Wind Energy Network sowie die Stiftung Offshore Windenergie sowie das Cluster Erneuerbare Energien Hamburg.