Grundsteuer: Endspurt zwischen "Elster", Frust und Amtsdeutsch
Bis zum 31. Januar musste sie abgegeben werden: die Grundsteuererklärung. Nach wie vor haben viele Eigentümer von Grundstücken ihre Daten aber noch nicht ans Finanzamt übermittelt. Manche empfinden den Fragebogen als zu kompliziert. Andere haben Schwierigkeiten, ihn online auszufüllen. Und manche Eigentümer sind einfach frustriert.
Eine alte Mühle direkt an der Elbe in Hamburg: ein Lebenstraum, den sich das Ehepaar Villinger vor einigen Jahren erfüllt hat. Doch die Grundsteuererklärung für die Wohnungen und das kleine Café in dem umgebauten Gebäude ist für sie ein Albtraum. "Uns nerven diese Erklärung, die im Amtsdeutsch unverständlich ist, und diese vielen Besonderheiten. Gut, das ist bei uns auch wegen des Gewerbes so. Man muss mitunter auch mal die Quadratmeter nachmessen, die Schrägen rausmessen und weiß am Ende letztlich nicht, was dabei rauskommt", sagt Martin Villinger.
Seine Frau und er versuchen seit Wochen notwendige Daten zusammenzutragen, Details zu klären, den Fragebogen zu verstehen. Denn auch "Elster", das Online-Portal der Finanzverwaltung, sei unzureichend. "Die Hilfefunktionen von 'Elster' sind schwer verständlich. Es gibt die Messzahlen und Hebezahlen und so weiter. Das muss man natürlich auch alles verstehen. Wohnraum ist klar, aber was sind Nebenräume, was ist Gewerbefläche? Da fängt es schon an, hakelig zu werden."
Viele Grundstücksbesitzer haben Probleme beim Ausfüllen
Mit seinem Unmut ist Martin Villinger nicht allein. Viele Grundstücks- und Immobilienbesitzer haben Mühe, die Erklärung auszufüllen und pünktlich einzureichen. Und das, obwohl die Abgabefrist bereits von Oktober vergangenen Jahres auf Ende Januar verlängert wurde. Die Gründe: komplizierte Fachbegriffe, unterschiedliche Bewertungen, etwa von Wintergärten, Probleme bei der Trennung von Privat- und Gewerbeflächen. Fragen über Fragen: Auch Hilfemenüs und Ratgeber würden sie nicht ausreichend beantworten, so Kritiker.
Das hat zu vielen Anfragen, etwa beim Grundeigentümer-Verband Hamburg geführt, so der Vorsitzende, Torsten Flomm: "Viele Mitglieder sind überfordert. Und wer es über 'Elster' macht, hat natürlich auch das eine oder andere Problem. Man kann es schaffen, man kann die Grundsteuererklärung unfallfrei abgeben, das geht. Aber viele trauen sich da nach wie vor nicht richtig ran."
Dressel: "Haben viel informiert - keine generelle Fristverlängerung"
Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sagte im Interview bei NDR Info, die Finanzbehörden hätten den betroffenen Bürgern ausreichend Zeit gelassen und viel informiert. Er selbst etwa habe auch Beratungsstunden gegeben. "Jetzt sollte der Fristablauf gelten", sagte Dressel. Und fügte an: "Es wird nicht so sein, dass wir gleich morgen früh Zwangsgelder verhängen für diejenigen, die noch nicht abgegeben haben." Es bleibe im begründeten Einzelfall die Möglichkeit, eine Fristverlängerung zu beantragen, weil man zum Beispiel Unterlagen nicht rechtzeitig beibringen konnte. "Aber für eine generelle Fristverlängerung sehe ich keinen Anlass", so Dressel, der auch das Vorgehen von Bayern kritisierte. Das Bundesland hatte am Dienstag mitgeteilt, einen Frist-Aufschub bis Ende April zu gewähren. Dressel warf Bayern mangelndes Fairplay vor: "Wir haben uns in der letzten Woche in der Finanzministerkonferenz verständigt, dass wir diese Frist so halten wollen. Heute ohne Vorankündigung das zu machen, das ist nicht in Ordnung."
Kurz vor Fristende fehlt noch mehr als jede vierte Erklärung im Norden
Eine NDR Anfrage bei den fünf norddeutschen Ministerien und Behörden für Finanzen hat ergeben: Im Schnitt sind drei Viertel der Grundsteuererklärungen abgegeben (75,2 Prozent; Stand Montagabend). Spitzenreiter bei der Abgabenquote ist Hamburg: Hier haben mehr als 80 Prozent der Eigentümer den Fragebogen eingereicht. Dahinter folgen Bremen mit 76 Prozent, Schleswig-Holstein mit rund 75 Prozent und Schlusslicht Mecklenburg-Vorpommern. Dort beträgt die Quote der elektronisch gemeldeten Grundsteuererklärungen 74 Prozent. Aus Niedersachsen gab es noch keine aktuellen Zahlen. Laut Finanzministerium in Hannover lag die Rückmeldequote zu Wochenbeginn bei 70,7 Prozent.
Viele Eigentümer suchten kurz vor Fristende auch bei Steuerberatern Hilfe. Deren Hamburger Kammerpräsident, Stefan Blöcker, sieht neben der Überlastung seiner Kollegen noch weiterreichende Probleme bei der Grundsteuererklärung. "Viele Experten zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit dieser neuen Grundsteuer. Einfach aufgrunddessen, dass gleichgelagerte Grundstücke unterschiedlich hoch bewertet werden", sagt Blöcker. Es wäre daher eigentlich notwendig, Bescheide vorläufig zu erlassen. Dies werde jedoch verweigert. "Es wird zu einer Flut von Einsprüchen kommen, die rigoros abgelehnt werden. Wer dann nicht vor dem Finanzgericht klagt, wird im Falle einer späteren Änderung keine Erstattung erhalten", warnt Blöcker.
Bei Nichtabgabe drohen Zwangsgelder - dabei hat der Staat die Daten eigentlich
Bereits 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass die bisherige grundsteuerliche Bewertung gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstoße. Das machte die jetzige Reform nötig. Eigentlich hat der Staat auch alle Informationen, die er nun mit der Grundsteuererklärung von den Bürgern verlangt. Doch diese Daten liegen beim Grundbuchamt - und nicht beim Finanzamt. Da die Behörden ihre Datensätze nicht austauschen, müssen bundesweit rund 36 Millionen Grundsteuererklärungen abgegeben werden.
Wer bis zum 31. Januar um Mitternacht seine Grundsteuererklärung nicht eingereicht hat, dem dürfte zunächst eine Erinnerung des Finanzamtes in den Briefkasten flattern. Wer weiterhin nicht abgibt, muss mit Zwangsgeldern rechnen. Die beginnen bei 25 Euro pro angefangenem Monat. Im Extremfall drohen Strafen bis zu 25.000 Euro. "Ich verstehe, dass das nicht populär ist, aber die deutschen Kommunen sind auf die Grundsteuer angewiesen", sagt Hamburgs Finanzsenator Dressel dazu. Es gehe um 14 Milliarden Euro für die Kommunen, allein in Hamburg sei es eine halbe Milliarde Euro. Hinzu kommt: Ohne selbst gemachte Angaben darf das zuständige Finanzamt die Grundstücksdaten schätzen.
Bedenken der Betroffenen: Hoffentlich nichts vergessen
Silke und Martin Villinger wollen das unbedingt vermeiden und am letztmöglichen Tag ihre Grundsteuererklärung über das Online-Portal 'Elster' abgeben - allem Frust zum Trotz. "Die größten Bedenken sind, dass man irgendetwas vergessen hat, dass man irgendetwas falsch gemacht hat, dass noch viele Nachfragen kommen", sagt Martin Villinger - und dass es am Ende noch viel teurer wird.