Galeria Karstadt Kaufhof: Frust über Schließungspläne im Norden

Stand: 14.03.2023 16:43 Uhr

Bei der kriselnden Warenhaus-Kette Galeria Karstadt Kaufhof steht ein weiterer drastischer Einschnitt bevor. Laut Gesamtbetriebsrat sollen 52 Filialen geschlossen werden, neun davon im Norden.

Deutschlands letzter großer Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof will nach Angaben des Gesamtbetriebsrats bundesweit 52 der noch verbliebenen 129 Warenhäuser schließen. In Norddeutschland sind laut einer internen Liste neun Standorte betroffen. Bereits zum 30. Juni dieses Jahres werden die Warenhäuser im niedersächsischen Celle sowie in den Hamburger Stadtteilen Harburg und Wandsbek geschlossen. Nur wenige Monate später - am 31. Januar 2024 - kommt das Aus auch für die Standorte in Bremen, Braunschweig, Hildesheim, Oldenburg, Lübeck und Rostock. Laut der Gewerkschaft ver.di werden bundesweit somit 4.000 Beschäftigte in den Filialen sowie 300 in der Essener Konzernzentrale ihren Job verlieren. "Dies ist ein rabenschwarzer Tag", betonte der Betriebsrat am Montag.

Porträt von ARD-Korrespondent Hans-Joachim Vieweger. © ARD-Hauptstadtstudio Foto: Jens Jeske
AUDIO: Galeria-Schließungen - was die Politik daraus lernen kann (5 Min)

Konzern: Umdenken nicht ausgeschlossen - Modernisierung der verbleibende Filialen

Der Warenhauskonzern schließt ein Umdenken bei einzelnen der 52 zur Schließung vorgesehenen Filialen nicht aus - vorausgesetzt es gibt weitere Zugeständnisse von Vermietern oder Kommunen. "Sollten sich an der aktuellen Fortführungsperspektive der Filialen signifikante Änderungen ergeben, kann es durchaus zu einer Neubewertung kommen", sagte ein Unternehmenssprecher am Dienstag in Essen. Auch im ersten Insolvenzverfahren 2020 hatte sich die Zahl der Schließungsfilialen aufgrund solcher Zugeständnisse in letzter Minute noch verringert. Nach Konzernplänen sollen die verbleibenden 77 Filialen in den nächsten drei Jahren umfassend modernisiert werden, um einen weiteren Ausverkauf zu verhindern.

Das Logo einer Kaufhof-Filiale am Vormittag © picture alliance/dpa Foto: Thomas Banneyer
AUDIO: Galeria schließt bundesweit 52 Filialen (3 Min)

In Hamburg verlieren 180 Beschäftigte ihre Jobs

Allein in Hamburg verlieren voraussichtlich 180 Beschäftigte ihre Jobs. Die stellvertretende ver.di-Landesleiterin und Fachbereichsleiterin Handel, Heike Lattekamp, kritisierte die Unternehmensführung scharf und warf ihr vor, "plan- und fantasielos" zu agieren. Einzig die Warenhäuser in der Mönckebergstraße, im Alstertal-Einkaufzentrum und in der Osterstraße werden fortgeführt.

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Galeria habe viele Millionen Euro Staatshilfen bekommen, und die Beschäftigten verzichteten seit mehr als zehn Jahren immer wieder auf große Teile ihres Gehalts, um ihren Beitrag zum Erhalt der Arbeitsplätze zu leisten, sagte Lattekamp. Seit 2020 habe jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin pro Jahr auf 5.500 Euro verzichtet - im Gegenzug für eine Beschäftigungsgarantie bis April kommenden Jahres. Geld, das nun möglicherweise auf dem Klageweg zurückverlangt wird. "Wir sind solidarisch mit den Beschäftigten und fordern die Geschäftsführung von Galeria Karstadt Kaufhof auf, jede Möglichkeit für den Erhalt dieser Arbeitsplätze zu prüfen", sagte Jan Koltze, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion.

Vier Filialen in Niedersachsen und die in Bremen betroffen

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Einen wichtige Einkaufspunkt verlieren auch die Innenstädte von Celle, Baunschweig, Hildesheim und Oldenburg. Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum reagierte enttäuscht auf die Ankündigung des Konzerns, das Kaufhaus in seiner Stadt zu schließen. Für die Stadt und die Beschäftigten bedeute das "einen drastischen Einschnitt".

Sabine Gatz von ver.di sagte: "Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle betroffenen Kolleginnen und Kollegen." Für mehr als 630 Beschäftigte in Niedersachsen und Bremen stehe damit die Existenz auf dem Spiel. Die Unternehmensleitung habe ein Zukunftskonzept verschleppt, die Fehler seien hausgemacht. Für diese Fehler müssten die Beschäftigten nun bezahlen, so Gatz. Ver.di will das Aus für viele Galeria-Standorte nicht hinnehmen. Man werde um jede Filiale und jeden Beschäftigten kämpfen, sagte ein Sprecher.

Lies: Tiefschlag für die Betroffenen

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) bezeichnete die geplanten Galeria-Schließungen am Dienstag als zusätzlichen Tiefschlag für die Betroffenen. Die Entscheidung treffe die Beschäftigten in ohnehin für sehr viele auch finanziell enorm belastenden Zeiten. Ein kleiner Hoffnungsschimmer könnte für ihn die Transfergesellschaft sein. "Das kann den Beschäftigten immerhin etwas mehr Zeit verschaffen, einen neuen Job zu finden - innerhalb oder außerhalb des Unternehmens", sagte Lies.

Aufatmen können die Beschäftigten der Filialen in Goslar, Göttingen, Hannover und Lüneburg. Diese Filialen bleiben nach Angaben des Unternehmens bestehen und sollen in den kommenden drei Jahren umfassend modernisiert werden.

Bremer Filiale macht ebenfalls dicht

Die Filiale in der Bremer City wird hingegen geschlossen. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) versprachen den Bremer Karstadt-Beschäftigten ihre volle Unterstützung. Beide nahmen am Dienstagvormittag an der Personalversammlung teil.

Rostock muss schließen, Wismar bleibt bestehen

Auch die Rostocker Galeria-Filiale muss zum 31. Januar kommenden Jahres schließen. Sie war am Montagnachmittag geschlossen, weil dort eine Betriebsversammlung stattfand. Geöffnet bleiben soll dagegen das Stammhaus in Wismar.

"Mit Entsetzen habe ich diese Information erhalten", teilte die Rostocker Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Linke) in einer ersten Reaktion mit. Sie hat nach eigener Aussage Kontakt mit dem Vermieter des Warenhauses geknüpft. Gemeinsam müsse man über die Optionen diskutieren. Um die Vorteile des Einzelhandels gegenüber der Online-Konkurrenz deutlich zu machen, seien weitere Ideen und unternehmerischer Mut gefordert.

Lübeck: Aus für zweitälteste Filiale Deutschlands

Auch Deutschlands zweitältestes Karstadt-Haus, die Filiale in Lübeck, soll zum 31. Januar 2024 geschlossen werden. Dadurch würden die 110 noch verbliebenen Mitarbeiter ihre Jobs verlieren. Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) kündigte an, weiterhin Gespräche mit Galeria Karstadt Kaufhof und dem Immobilieneigentümer RFR darüber zu führen, wie eine Schließung doch noch verhindert werden könne. Eine Studie des Instituts für Handelsforschung (IFH) in Köln belege das Potenzial der Lübecker Innenstadt, sagte er. "Wir bedauern sehr, dass Galeria Karstadt Kaufhof dieses Potenzial und die damit verbundenen Chancen nicht erkannt hat und den Standort Lübeck schließen möchte", sagte er.

Die Filiale in Kiel soll dagegen bestehen bleiben. Dies wurde nach einem Treffen des Aufsichtsrates der angeschlagenen Warenhauskette am Montag in Essen bekannt. Die Gewerkschaft ver.di erwartet jedoch eine Verkleinerung des Kaufhauses am Sophienblatt.

Konzern: Konsumflaute und hohe Energiepreise als Ursache

Ende Oktober 2022 meldete Galeria Karstadt Kaufhof zum zweiten Mal innerhalb von weniger als drei Jahren Insolvenz an. In einem Brief an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erklärte Konzernchef Miguel Müllenbach damals, Grund für die bedrohliche Lage des Unternehmens seien die explodierenden Energiepreise und die Konsumflaute in Deutschland. Eine erneute Sanierung werde mit erheblichen Einschnitten in das Filialnetz und einem deutlichen Stellenabbau verbunden sein. Im ersten Insolvenzverfahren hatte der Konzern 2020 gut 40 von damals 172 Filialen geschlossen. Rund 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verloren ihre Stellen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Aktuell | 13.03.2023 | 16:00 Uhr

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