VIDEO: Panorama 3 vom 27.06.2023: Privatjets und das Klima (7 Min)

Nach dem Boom: Weniger Privatflüge am Flughafen Sylt

Stand: 21.01.2025 06:00 Uhr

Während der Corona-Zeit kamen so viele Privatflieger wie nie zuvor auf die Ferieninsel. Das NDR Datenteam hat die Sylter Flugdaten der vergangenen zwei Jahrzehnte ausgewertet. Was kommt nach dem Boom?

von Kathrin Bädermann, Lalon Sander

Der Sylter Flughafen ist klein und schnörkellos, mit sechs Check-In-Schaltern und drei Gates; Duty-Free-Geschäfte oder Boutiquen gibt es hier nicht.Das Team ist eingespielt und ab und zu kommt die Inselschäferin mit ihrer Herde vorbei. Hier starten und landen Flugzeuge fast aller Art und Größe: Von der kleinen Propellermaschine, die die Fallschirmspringer nach oben bringt, über den A320 von Eurowings, der Sylt mit Düsseldorf verbindet, bis hin zum Privatjet aus Rostock oder Bayern oder auch mal aus Miami.

Die Sylter Privatflüge stehen immer wieder im Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen. Sie sind für den Inselflughafen prägend: 59 Prozent aller Starts im Jahr 2024 waren Privatflüge, zeigen die Zahlen von eurocontrol – deutschlandweit sind es weniger als neun Prozent. Privatflüge sind besonders teuer und besonders umweltschädlich – für Klimaaktivisten repräsentieren sie den übergroßen Anteil reicher Menschen am Klimawandel. Mehrfach wurde der Flughafen Sylt in den vergangenen Jahren so zum Ziel von Protestaktionen. Erst vor wenigen Wochen wurden Aktivisten, die einen Privatjet mit Farbe besprüht hatten, zu Haft- und Geldstrafen verurteilt.

Eine Auswertung von NDR Data zeigt nun erstmals, wie sich diese Flüge in den vergangenen zwei Jahrzehnten entwickelt haben. Eine Analyse von tausenden Flugbewegungen im vergangenen Jahr macht deutlich: Die meisten Flüge von und nach Sylt sind Inlandsflüge und Kurzstrecken. Die Privatflüge machen mindestens ein Drittel der Flugemissionen aus.

Schon 2005 gehörten die meisten Flüge ab Sylt zum Marktsegment “Business Aviation” - so heißen in der Branchensprache zivile, nicht planmäßige Flüge, oder vereinfacht: Privatflüge. In den Jahren seit 2013 stieg ihre Zahl kontinuierlich bis zu einem Höhepunkt im Jahr 2022: Von 988 Abflügen im Jahr 2013 haben sie sich auf 1.920 im Jahr 2022 fast verdoppelt. Selbst 2020, als der Flugverkehr wegen der Corona-Pandemie überall einbrach, stiegen diese weiter an.

Klientel mit Möglichkeiten

“Aufgrund der Insellage hoch im Norden und trotz unseres starken Liniennetzes ist Sylt aber nicht für alle per Bahn, Auto oder Direktverbindung gut zu erreichen", sagt Flughafenchef Stephan Haake. "Außerdem spricht Sylt mit seinen hochwertigen Hotels und Restaurants eine Klientel an, die mehr Möglichkeiten hat". Beispielsweise, die Möglichkeit, Privatflüge zu bezahlen. Daher sei der Anteil der Privatflüge auf der Insel traditionell hoch. Während des Lockdowns sei Sylt wegen der Landschaft und der Nordseeluft ein besonders attraktives Ziel gewesen.

Auch deutschlandweit erreichten Privatflüge im Jahr 2022 einen absoluten Rekord. 94.000 Mal starteten damals Privatflüge in ganz Deutschland – und wie auf Sylt sinkt ihre Zahl seitdem wieder: 2024 hoben deutschlandweit nur noch knapp 84.000 Privatjets ab.

Die Auswertung von NDR Data zeigt: Am Flughafen Sylt waren 5.051 Einzelflüge im Jahr 2024 für CO2-Emissionen in Höhe von etwa 15.750 Tonnen verantwortlich. Privatflüge machten dabei mindestens ein Drittel aus, nämlich 5.064 Tonnen CO2. Zum Vergleich: Der CO2-Fußabdruck eines Deutschen beträgt durchschnittlich etwa 10 Tonnen für ein ganzes Jahr.

Dass die Zahl der Privatflüge nun wieder sinkt, habe mit der Normalisierung des Flugverkehrs nach den Pandemie-Einschränkungen zu tun, so Haake. Andererseits sei der private Flugverkehr sehr volatil, deshalb lasse sich aus sinkenden Zahlen aus zwei Jahren kein langfristiger Trend ableiten.

Bei den Linienflügen sieht die Entwicklung der vergangenen Jahre anders aus: Hier sinken die Flüge - mit einigen Ausschlägen - schon seit 2009 kontinuierlich, als es 1.530 Abflüge in der Kategorie gab. Im vergangenen Jahr starteten laut eurocontrol nur noch 741 Linienflüge. Insgesamt sinkt so auch die Zahl der Gesamtflüge am Flughafen Sylt. Im Jahr 2024 gab es dort 2.547 Starts, zwölf Prozent weniger als im Jahr 2023.

Nachwehen der Corona-Pandemie

Den Flughafen-Chef schreckt das nicht auf: "Ein statistischer Effekt", sagt Stephan Haake. "2022 waren die Nachwehen nach der Pandemie. Die Freiheit des Reisens schnellte nach oben, alle wollten wieder weg und raus. Da haben wir auf der ganzen Insel einen Ansturm erkannt. Uns war aber klar, dass das ein überschnellender Effekt ist. Und dass sich das wieder normalisiert."

Flughafenchef Haake hat allerdings ein anderes Ziel vor Augen: Die Wirtschaftlichkeit. "Wir wollen gar nicht riesig wachsen, haben keine Millionen-Passagier-Ziele vor Augen”, so Haake. “Schon deshalb, weil wir hier auf der Insel einen limitierenden Faktor haben: Es gibt hier nur eine bestimmte Zahl Gästebetten, und mehr Menschen können wir auch nicht transportieren." Stattdessen sei es wichtig, dass der Flughafen sich selbst finanziere. Seit wenigen Jahren ist es nun so weit: Seit 2021 die Flugsicherungskosten vom Bund übernommen werden, schreibt der Inselflughafen schwarze Zahlen.

Zu viele Flüge wären belastend

Auch Moritz Luft, Chef der Sylt Marketing GmbH, sieht das Ziel in der Stabilität: "Zu viele Flüge wären ja wiederum eine Belastung für die Insel. Aber insbesondere ohne eine intakte und gut funktionierende Bahnverbindung brauchen wir alle Optionen, die es für eine verlässliche An- und Abreise gibt."

Aktuell hat Sylt direkte Linienflüge zu zehn Flughäfen: Hamburg, Düsseldorf, Stuttgart, Frankfurt, Kassel, München, Mannheim, Nürnberg, Zürich und Luxemburg. In diesem Sommer kommt Nummer elf dazu: Wien. Wichtigster Partner für den Sylter Flughafen ist Eurowings: Die Fluggesellschaft bedient die Strecken nach Düsseldorf und Stuttgart. Diese spiegeln sich auch in der Liste der Flughäfen, mit denen es die intensivsten Verbindungen gibt: Etwa zehn Prozent der Flüge im vergangenen Jahr flogen von und nach Hamburg, gefolgt von Düsseldorf, München und Zürich. Insgesamt waren drei Viertel aller Flüge Inlandsflüge und fast die Hälfte legte eine Strecke von weniger als 500 Kilometer zurück.

Auf Sylt starteten und landeten auch Langstreckenflüge aus mehr als 5.000 Kilometern Entfernung – insgesamt vier Mal in den von NDR Data analysierten Daten. Diese Flugzeuge, ausschließlich Business-Jets, starteten in Gander auf der kanadischen Insel Neufundland, aus der kasachischen Hauptstadt Almaty und aus Miami in den USA. Die Flüge dürften die schädlichsten für das Klima gewesen sein, mit teilweise deutlich über 20 Tonnen CO2 pro Flug.

 

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