Stellt sich die Gemeinde Gägelow gegen das Demokratiefest "Jamel rockt den Förster"?
Das bundesweit bekannte Festival für Demokratie und Toleranz "Jamel rockt den Förster" muss um die Unterstützung der zuständigen Gemeinde bangen. Nach NDR Informationen plant die Gemeinde-Spitze erstmals, eine Nutzungsgebühr für Festival-Flächen zu verlangen.
"Jamel rockt den Förster" hat sich bundesweit längst einen Ruf erworben. Über die Landesgrenzen hinweg steht das Festival seit Jahren für Demokratie und Toleranz in der gleichnamigen Ortschaft, in dem Neonazis den Ton angeben wollen. Beim Forstrock treten Musiker wie "Die Ärzte", "Die Fantastischen Vier" oder auch Herbert Grönemeyer auf - ohne Geld zu nehmen. Schirmherrinnen sind Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Landtagspräsidentin Birgit Hesse (beide SPD). Die Veranstalter Birgit und Horst Lohmeyer sind mehrfach ausgezeichnet worden, zuletzt vor einer Woche mit dem Verdienstorden des Landes.
Gebühr wegen klammer Kassen
Lohmeyers planen das Open-Air-Festival für den 22. und 23. August. Auf Distanz geht jetzt aber die zuständige Gemeinde Gägelow. Bürgermeisterin Christina Wandel, Mitglied der Wählergemeinschaft "Wir für Gägelow", will eine Gebühr für die Nutzung der Gemeindeflächen nehmen. Das geht aus dem Protokoll des nicht-öffentlichen Teils der vergangenen Gemeindevertretersitzung hervor. Das Protokoll liegt dem NDR vor. Wandel beruft sich bei ihrem Vorstoß für eine Nutzungsgebühr auf die angeblich "schwierige Haushaltslage".
Verkauf an das Land abgelehnt
Allerdings hat die Gemeinde in der selben Sitzung, ebenfalls im nicht-öffentlichen Teil, ein Angebot des Landes abgelehnt, das die Finanzlage deutlich verbessert hätte. Denn die Landgesellschaft MV mit Sitz in Leezen bei Schwerin will Gemeindeflächen kaufen - darunter zum Großteil auch die, die das Festival nutzt. Das Gelände ist kein Bauland, sondern kann nur landwirtschaft- oder forstwirtschaftlich genutzt werden. Laut Schätzungen würde der Verkauf der gut anderthalb Hektar einen Erlös von rund 80.000 Euro bringen.
Zustimmung von Neonazis
Die Gemeindevertretung lehnte den Verkauf mit acht zu drei Stimmen ab. Auch Bürgermeisterin Wandel stimmte dagegen - sie hatte dabei die rechtsextreme Fraktion "Heimatliebe" des Neonazis Sven Krüger auf ihrer Seite. Krüger sitzt im Bauausschuss. Dieses Gremium hatte den Verkauf zuvor bereits abgelehnt. Der 50-Jährige wohnt in der Ortschaft Jamel. Vor Rechtsextremen wie ihm warnt das Festival "Jamel rockt den Förster" seit fast 20 Jahren.
Kein Problem mit Spende
Der Vorstoß für den Flächenverkauf an das Land kam von einem prominenten Gemeinderatsmitglied, von Bildungsministerin Simone Oldenburg. Die Linkenpolitikerin ist in ihrer Wohngemeinde seit Jahren auch kommunalpolitisch aktiv. Allerdings sieht sie sich nach der Kommunalwahl im Juni 2024 immer öfter einer Koalition mit dem Neonazi Krüger gegenüber. Das liegt offenbar auch daran, dass Krüger in der Gemeinde das beste Einzelergebnis erzielte. Die Gemeinde hatte im vergangenen Herbst beispielsweise kein Problem damit, eine Spende des Abriss-Unternehmers für das Erntefest in der Gemeinde anzunehmen. Oldenburgs Protest hatte keine Wirkung.
Veranstalter nennt Vorstoß "absurd"
Birgit Lohmeyer vom Festival-Verein nannte den Versuch, den Forstrock mit einer Nutzungsgebühr zu belegen, "absurd". Ihr Verein sei gemeinnützig, die Gemeinde versuche jetzt "Geld aus dem Festival zu pressen". Lohmeyer spricht von einer Geste der Macht, eine Unterstützung des Festivals würde jedenfalls anders aussehen. Offenbar, so Lohmeyer, solle dem Verein gezeigt werden, "ihr seid hier nicht willkommen". Das Festival sei dringend auf die Flächen angewiesen. Für Lohmeyer ist der Vorstoß auch ein "Zeichen der schleichenden Unterwanderung von rechtsextremen Kräften unserer ganzen Region".
Bürgermeisterin: Müssen alle den Gürtel enger schnallen
Allerdings, so die Veranstalterin, könne es eigentlich nicht um viel Geld gehen. Die Gemeinde verlange beispielsweise für die ganzjährige Verpachtung einer halb so großen Wiesenfläche nur 60 Euro. Ihr Verein wolle die Fläche gerade einmal einen Monat nutzen. Wenn die angestrebte Pacht nicht verhältnismäßig sei, sei die Sache ein Fall für die Kommunalaufsicht. Bürgermeisterin Wandel bestätigte auf Anfrage, dass über eine Nutzungsgebühr für das Festival nachgedacht werde. "Wir müssen alle den Gürtel enger schnallen", erklärte sie.
Entscheidung in der kommenden Woche?
Über die Gebühr will die Gemeindevertretung voraussichtlich in der kommenden Woche beraten. Wie hoch die Kurzzeit-Pacht ausfallen werde, ist nicht klar. Warum Bürgermeisterin Wandel einen Verkauf der Gemeindeflächen an das Land ablehnte, blieb offen. Die ehrenamtliche Kommunalpolitikerin versicherte auch, das Festival werde es auf jeden Fall weiter geben - ob mit oder ohne Nutzungsgebühr.
Thema in der Landespolitik
Kritisch wird der Vorgang in Teilen der Landespolitik gesehen. SPD-Fraktionschef Julian Barlen erklärte, das Festival sei "bundesweit ein sichtbares Zeichen des Mutes für die Demokratie". Im Land genieße es den vollen Rückhalt auf vielen Ebenen. "Ich wünsche mir, dass auch die Gemeindevertretung sich in ihren weiteren Beratungen dazu bekennt, Lohmeyers gemeinnütziges Engagement weiter zu unterstützen", so Barlen.