Gasleitungsrohre des Erdgasspeichers in Rheden. © Screenshot

Energiekrise: Unternehmen leiden trotz Gasspeicher vor der Haustür

Stand: 21.02.2023 18:26 Uhr

Unter der kleinen Gemeinde Rheden in Niedersachsen liegt Deutschlands größter Gasspeicher. Wie ergeht es den Unternehmen in der Energiekrise, die auf dieser Notfallreserve ansässig sind?

von Susanne Tappe

Hinter dem Landrat von Diepholz Cord Bockhop liegt ein anstrengendes, von Unsicherheit geprägtes Jahr. Mit steigenden Preisen könnte ein Land wie Deutschland ja noch umgehen - auch wenn es für den Einzelnen hart sei, sagt er. Aber wenn plötzlich nicht mehr sicher sei, ob es im Winter genug Gas gibt, um das Krankenhaus zu heizen, dann sei das etwas ganz anderes: "Damit sind wir völlig überfordert gewesen. Und das hat man an den Diskussionen, die teilweise chaotisch verlaufen sind, auch gemerkt. Am Ende der Kette können wir diese Dinge kaum gestalten und mussten für uns Notfallpläne entwickeln, um unsere Infrastruktur aufrecht zu erhalten."

Landrat fühlt sich von Bundespolitik allein gelassen

Cord Bockhop, Landrat von Diepholz © Screenshot
Energieintensive Betriebe haben Landrat Bockhop zu Beginn der Krise verzweifelt um Hilfe gebeten

Als Landrat habe er sich von der Bundespolitik da sehr alleingelassen gefühlt. Ähnlich ging es auch Unternehmern in der Region. Einige Geschäftsführer riefen Bockhop vergangenes Jahr verzweifelt an, doch der konnte ihnen nicht helfen: "Es gab existenzielle Nöte von zwei, drei Betrieben, die extrem energieintensiv sind, aus dem Textilbereich - Herstellung von Stoffen, Kämmereien und dergleichen. Und einige andere. Die haben sich bei uns gemeldet. Und wir haben deutlich gesagt, dass wir vor Ort nicht mit Energiesicherheit oder auch mit Energiepreisen weiterhelfen können."  

Speicher zu Kriegsbeginn noch im Besitz von Gazprom

Auf den ersten Blick mutet das bizarr an, denn mitten im Landkreis unter dem kleinen Ort Rehden liegt der größte Gasspeicher Deutschlands. Eine strategische Reserve, genau für solche Notfälle gedacht - könnte man meinen. Doch zu Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine ist dieser Speicher noch im Besitz des russischen Staatskonzerns Gazprom - und er ist praktisch leer. Aber selbst wenn er gefüllt wäre, hätten weder die Politik noch der örtliche Energieversorger darauf Zugriff.  

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Verzweifelte Suche nach Energieversorgern

Matthias Partetzke, Geschäftsführer der Stadtwerke Huntetal © Screenshot
Matthias Partetzke von den Stadtwerken hat für Industriekunden nach alternativen Lösungen gesucht.

Matthias Partetzke, Geschäftsführer der Stadtwerke Huntetal berichtet von rund 20 Industriekunden, die sich vor rund einem Jahr auf der Suche nach einem neuen Energieversorger an ihn wenden. Ihre bisherigen, privaten Versorger sind durch die bereits seit Ende 2021 steigenden Energiepreise in Schieflage geraten und können ihre Verträge nun nicht mehr erfüllen. Auch Partetzke kann den Unternehmen nur bedingt helfen - das allerdings zu einem hohen Preis: "Wir haben uns bemüht, für diese Kunden dann eine alternative Versorgung aufzubauen, was uns auch gelungen ist. Leider sind dort Kostenmehrungen in einzelnen Betrieben von 200.000 Euro Gesamtenergiekosten bis auf dann 1,2 Millionen Euro im Anstieg verzeichnet gewesen." 

So erging es auch dem Kunststoffhersteller BARKU in Barnstorf. Das Unternehmen stellt unter anderem Ausstattung für Hühnerställe her, zum Beispiel Tränken. Eigentlich wähnte sich BARKU für eine Gaskrise gut gerüstet: Die Produktion ist elektrifiziert und ein großer Teil des Stroms kommt inzwischen vom eigenen Dach, berichtet Geschäftsführer Florian Borchers vor den großen Hallen der Firma: "Wir haben hier im März 2022 eine Photovoltaikanlage installiert, insgesamt zwei Megawatt, und können so circa ein Viertel bis ein Fünftel unseres Stromverbrauchs selber generieren und dementsprechend selber nutzen." 

Unternehmen muss Strom teuer an der Börse einkaufen

Florian Borchers, Geschäftsführer des Kunststoffhersteller BARKU in Barnstorf © Screenshot
Der Stromanbieter der Firma BARKU ging pleite. Jetzt muss Geschäftsführer Florian Borchers den Strom teuer an der Börse einkaufen.

Für den restlichen Strom hatte BARKU einen Vertrag mit einem privaten Stromanbieter. Doch der ging insolvent. Und so steht das stromintensive Unternehmen in der größten Energiekrise seit langem ohne Versorger da. Auch die Stadtwerke können der Firma keinen neuen Vertrag anbieten. Der Kunststoffhersteller muss deshalb nun immer kurzfristig entsprechend teuren Strom an der Börse einkaufen, berichtet Borchers bei einer Führung durch die Hallen. Die Energiekosten sind dadurch im vergangenen Jahr von einer auf rund zwei Millionen Euro gestiegen: "Aktuell haben wir fast doppelt so hohe Kosten wie vor 2021. Und wir sind am internationalen Markt tätig und wenn wir jetzt in die USA gucken, da haben wir Stromkosten von acht bis zehn Cent. Und wenn ich jetzt dort hingehe und sage, wir müssen die Preise erhöhen wegen der gestiegenen Kosten, dann wird mit dem Kopf geschüttelt. Das ist nicht akzeptabel."  

Preisentwicklung nicht vorhersehbar

Der Strompreis ist zum Teil an den Gaspreis gekoppelt. Ist Gas knapp und wird teurer, steigt meist auch der Preis für Strom. Insgesamt sei die Preisentwicklung aber nahezu unvorhersehbar, sagt der Geschäftsführer der Stadtwerke Matthias Partetzke. Er wisse nicht, was er Unternehmern wie Florian Borchers raten soll: "Wir haben zum Beispiel im Dezember unseren Kunden empfohlen, kauft jetzt ein für das Jahr 2023, und drei Wochen später sinkt der Börsenpreis dann um über 50 Prozent - Das konnte keiner vorhersehen. Daran erkennt man auch, dass der gesamte Börsenhandel nur noch hochspekulativ betrieben wird." 

Daran werde sich auch mit Blick auf den nächsten Winter 2023/24 nichts ändern, meint Partetzke. Trotzdem ist er erleichtert, dass der Gasspeicher in Rehden dem Einfluss des russischen Staatskonzerns Gazprom entzogen wurde. Ebenso wie Landrat Cord Bockhop. Er glaubt, dass der Speicher dadurch dieses Jahr planmäßig gefüllt werden wird und eine Gasmangellage auch für den kommenden Winter ausgeschlossen werden kann. Das schaffe zumindest eine gewisse Planungssicherheit - trotz hoher Preise.  

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