Desinformation vor der Wahl "ist Gefahr für die Demokratie"
Seit Jahren ähneln sich die Abläufe: Je näher eine Wahl rückt, desto mehr falsche Informationen und Fake News werden im Netz verbreitet - vor allem auf Social-Media-Kanälen. Experten sehen darin eine Gefahr für die Demokratie - und halten mit Aufklärung, Information und Fakten dagegen.
Desinformation und Propaganda sollen Menschen vorsätzlich täuschen, verunsichern und beeinflussen. So werden jetzt, vor der Bundestagswahl am 23. Februar, im Netz unerwünschte Kandidaten von Parteien diskreditiert oder es werden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl oder der Abläufe geschürt. In Posts auf der Plattform X wird beispielsweise vor der Briefwahl gewarnt - und zwar mit dem gezielten Vorwurf des Wahlbetrugs. In Videos wird etwa gezeigt, wie einfach es sei, eine Wahlurne aufzubrechen, ohne die Versiegelung zu zerstören. Fakt aber ist: Die Wahlurnen werden am Wahltag keine Sekunde lang aus den Augen gelassen. Und: Wahlurnen sind zwar verschließbar, versiegelt sein müssen sie aber nicht.
Ein anderes Beispiel: Angeblich kursieren manipulierte Wahlscheine, zu erkennen seien sie an der abgeschnittenen Ecke oben rechts oder einer Lochung. Der Fakt hier: Alle Wahlscheine haben diese Merkmale, denn das garantiert blinden und sehbehinderten Menschen, selbständig und geheim wählen zu können.
Fake News sollen Zweifel am Wahlergebnis säen
Der Journalist und tagesschau-Faktenfinder Pascal Siggelkow beschäftigt sich vor der Bundestagswahl fast täglich mit Falschinformationen, die tausendfach auf Social Media geteilt werden. Er erklärt den Unterschied dieser Fake News im Vergleich zu denen, die über bestimmte Parteien oder einzelne Politiker verbreitet werden: "In diesem Fall ist das Besondere, dass die Wahl an sich angezweifelt werden soll. Es sollen Zweifel daran gesät werden, dass die Wahlergebnisse in Deutschland sicher sind. Man soll ihnen keinen Glauben mehr schenken."
Die Erfahrung früherer Wahlen zeige, so Siggelkow, dass die Zahl der Fake News zur Wahl in den sozialen Medien in den kommenden Wochen noch deutlich zunehmen werde: "Vor allem am Wahltag selbst werden diese Falschbehauptungen wohl von sehr vielen Menschen verbreitet. Oft trenden dann auch Hashtags wie #wahlbetrug oder #wahlmanipulation."
Bei der Stimmauszählung kann jeder dabei sein
Aber wie sicher ist unser Wahlsystem? Lässt sich etwa die Briefwahl so einfach manipulieren, wie in den Verschwörungserzählungen und Fake-News-Videos behauptet wird? Ganz klar nein, sagt der Politikwissenschaftler Kai-Uwe Schnapp von der Universität Hamburg: "An diesen Geschichten ist nichts dran. Nicht zuletzt, weil, wenn man von hinten guckt, der gesamte Auszählungsprozess der Wahl ein öffentlicher und öffentlich kontrollierbarer Prozess ist."
Denn jeder und jede in Deutschland hat das Recht, bei der Auszählung der Stimmen nach Schließung der Wahllokale dabei zu sein. Auch Menschen, die nicht wahlberechtigt sind. "Niemand hindert mich daran, in jedem einzelnen Wahllokal Menschen zu haben, die gucken, dass das richtig läuft", erklärt Schnapp. Eine Anmeldung oder Registrierung dazu - wie es in Fake News oft behauptet wird - ist nicht nötig. Allerdings ist es auch nicht erlaubt, das Ergebnis der Auszählung zu fotografieren und in eine App hochzuladen. Der Grund: Man darf keine offiziellen Wahlunterlagen privat verbreiten.
Telegram: Tausendfach ist von "Wahlfälschung" die Rede
Und trotzdem werden diese und viele weitere Falschbehauptungen online immer und immer wieder geteilt. Der Begriff "Wahlfälschung" etwa wurde allein auf Telegram in den vergangenen Wochen tausendfach erwähnt - mit dem vorläufigen Höhepunkt rund um die US-Präsidentschaftswahl im vergangenen November. Das zeigt eine Auswertung Hunderter rechtsextremer und verschwörungsideologischer Kanäle durch die gemeinnützige Organisation Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS). Sie forscht zu und klärt auf über Antisemitismus, Hassrede und Verschwörungsideologien.
Sturm aufs Kapitol war Ergebnis von Fake News
Desinformation rund um Wahlen ist seit Jahren bekannt, der Verfassungsschutz warnt besonders vor Einflussversuchen aus Russland. Ein Problem dabei ist laut dem Hamburger Politikwissenschaftler Schnapp: Wer die Wahl anzweifelt, zweifele letztlich auch an der Rechtmäßigkeit von Parlament und Regierung. "Wenn so ein grundlegender Mechanismus wie die Wahl infrage gestellt wird, gefährdet das die Demokratie. Und man sieht ja in den USA, was die Konsequenzen sind." Gemeint ist der Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 in Washington nach den Vorwürfen für Betrug und Fälschung bei der Präsidentschaftswahl im Herbst 2020.
Bundeswahlleiterin klärt mit Fakten auf
Umso wichtiger sei es, aufzuklären, dass die Bundestagswahl Ende Februar sicher ist vor Manipulationen. Darüber informiert auch die Bundeswahlleiterin Ruth Brand: Auf ihrer Homepage räumt sie mit gängigen Falschinformationen zur Wahl auf, sie stellt dort den Fake News jeweils die Faktenlage gegenüber.
Übrigens: Wahlfälschung sowie schon der Versuch eines Wahlbetrugs sind strafbar. Es drohen Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen.