Busfahrer zum Tarifstreit: "Für das Geld macht es bald keiner mehr"
An den Warnstreiks im öffentlichen Nahverkehr im Norden haben sich auch Beschäftigte der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) und der Hamburger Hochbahn beteiligt. Ein junger Busfahrer erklärt, welche Änderungen für ihn besonders wichtig wären.
Philipp Steiniger ist 28 Jahre alt, seit zwei Jahren Busfahrer und Mitglied in der Gewerkschaft ver.di. Im Interview erzählt er, wie er und seine Kolleginnen und Kollegen auf Streikbrecher reagiert haben, warum er als junger Mensch für bessere Arbeitsbedingungen kämpft, und ob er damit rechnet, dass die Arbeitgeber bald auf ihre Forderungen eingehen.
Normalerweise starten Sie mit Ihrem Bus vom Betriebshof der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH). Nun haben Sie die Firma zwei Tage lang bestreikt. Wie war die Stimmung vor Ort?
Philipp Steiniger: Die Stimmung war ziemlich gelassen, fand ich. Wir haben versucht, den Stress auszublenden, dass die Geschäftsführung komplett gegen den Streik war. Die haben natürlich gesagt, "ihr müsst fahren". Aber so läuft das nicht. Wir halten hier zusammen, denn schließlich gilt: "Wir fahren zusammen, wir streiken zusammen." Das ist unser Motto.
Haben sich alle am Streik beteiligt?
Steiniger: Nein, leider nicht. Ein paar Kollegen aus der Werkstatt sind Busse gefahren. Auch die Geschäftsleitung hat sich ans Steuer gesetzt.
Wie war das für Sie?
Steiniger: Es ist schon ein blödes Gefühl für alle. Wir haben versucht, die Leute anzusprechen. Bei der Leitung brauchen wir das natürlich gar nicht erst zu versuchen, da reden wir gegen eine Wand.
Sie selbst streiken nicht nur, Sie sind auch in der Gewerkschaft ver.di. Was hat Sie zum Eintritt in die Gewerkschaft bewegt?
Steiniger: Der Auslöser war ein Streik im Jahr 2022. Ich wollte nicht wie andere Kollegen, die nicht mitgemacht haben, in eine Außenseiterrolle rutschen. Also bin ich bei ver.di eingetreten. Die Gewerkschaft gleicht den Lohnausfall aus, denn an den Streiktagen bekommt man natürlich kein Gehalt. Sie sorgt auch dafür, dass man nicht von der Leitung abgemahnt werden kann.
Ihnen geht es also vor allem um die Sicherheit, die eine Gewerkschaft bietet?
Steiniger: Nein, ich möchte die Arbeitsbedingungen verbessern. Wir arbeiten hier im Schichtbetrieb. Manchmal sehen wir unsere Familien oder Freunde für einen ganzen Tag nicht. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die bringen ihre Kinder übers Handy ins Bett. Das kann es nicht sein, das muss sich ändern.
Derzeit treten viele junge Menschen in die Gewerkschaft ein. Ver.di hat im vergangenen Jahr erstmals einen Zuwachs an Mitgliedern verzeichnet.
Steiniger: Tatsächlich sind viele junge Kollegen in der Gewerkschaft. Es ist ja auch für uns eine Motivation, dabei zu sein, wenn man dort auch viele Menschen im eigenen Alter trifft.
Werden die Jüngeren denn inzwischen gut integriert? Früher hatte man den Eindruck, die Gewerkschaften kümmern sich nicht sonderlich um den Nachwuchs.
Steiniger: Das hat sich deutlich geändert. Mittlerweile hört man zu, wenn die Jüngeren etwas sagen. Es ist doch so: Ein alter Busfahrer, der fährt seine Linie ab. Ein junger Busfahrer guckt und sieht: "Moment mal, hier kann ich was verbessern, sodass alle etwas davon haben."
Dabei können die Jungen einen anstrengenden Arbeitstag doch meist noch viel besser wegstecken.
Steiniger: Aber wir sind ein Team, wir müssen im Team zusammenhalten. Da bringt es nichts, wenn ich jetzt als schwarzes Schaf sage: Ja, ich könnte noch mehr arbeiten. Nein, definitiv nicht. Wir müssen da was machen, weil wir nicht jünger werden. Das dürfen wir nicht vergessen. Unser Job ist knüppelhart. Natürlich nicht wie der Job eines Maurers oder Dachdeckers, weil wir nicht schleppen oder klettern müssen. Aber wir sitzen neun bis zehn Stunden hinterm Lenkrad, und da lässt die Konzentration irgendwann nach. Diesen Aspekt sollte man auf jeden Fall beachten.
Glauben Sie, dass sich die Arbeitgeber bewegen und ein besseres Angebot machen werden?
Steiniger: Ich hoffe es. Denn so kann es nicht weitergehen. Immer mehr Kolleginnen und Kollegen halten den Druck nicht mehr aus. Als Busfahrer muss man einiges einstecken können. Man wird beleidigt, bespuckt, man wird überfallen. Das war ein großes Thema, auch in Hamburg. Und das alles für dieses Gehalt, das wir bekommen? Da sagen halt viele, "nein danke, da bleibe ich lieber zu Hause".
Das Interview führte Caroline Schmidt.