Busfahrer zum Tarifstreit: "Für das Geld macht es bald keiner mehr"

Stand: 02.03.2024 12:24 Uhr

An den Warnstreiks im öffentlichen Nahverkehr im Norden haben sich auch Beschäftigte der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) und der Hamburger Hochbahn beteiligt. Ein junger Busfahrer erklärt, welche Änderungen für ihn besonders wichtig wären.

Philipp Steiniger ist 28 Jahre alt, seit zwei Jahren Busfahrer und Mitglied in der Gewerkschaft ver.di. Im Interview erzählt er, wie er und seine Kolleginnen und Kollegen auf Streikbrecher reagiert haben, warum er als junger Mensch für bessere Arbeitsbedingungen kämpft, und ob er damit rechnet, dass die Arbeitgeber bald auf ihre Forderungen eingehen.

Normalerweise starten Sie mit Ihrem Bus vom Betriebshof der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH). Nun haben Sie die Firma zwei Tage lang bestreikt. Wie war die Stimmung vor Ort?

Philipp Steiniger: Die Stimmung war ziemlich gelassen, fand ich. Wir haben versucht, den Stress auszublenden, dass die Geschäftsführung komplett gegen den Streik war. Die haben natürlich gesagt, "ihr müsst fahren". Aber so läuft das nicht. Wir halten hier zusammen, denn schließlich gilt: "Wir fahren zusammen, wir streiken zusammen." Das ist unser Motto.

Mitglieder der Gewerkschaft ver.di © ver.di Foto: Nils Wolpmann
AUDIO: Immer mehr junge Menschen engagieren sich in Gewerkschaften (5 Min)

Haben sich alle am Streik beteiligt?

Steiniger: Nein, leider nicht. Ein paar Kollegen aus der Werkstatt sind Busse gefahren. Auch die Geschäftsleitung hat sich ans Steuer gesetzt.

Wie war das für Sie?

Steiniger: Es ist schon ein blödes Gefühl für alle. Wir haben versucht, die Leute anzusprechen. Bei der Leitung brauchen wir das natürlich gar nicht erst zu versuchen, da reden wir gegen eine Wand.

Weitere Informationen
Ein Busfahrer steuert einen Linienbus in Hannover. © NDR Foto: Julius Matuschik

ÖPNV-Warnstreiks enden - Fast überall wieder normaler Verkehr

Nur in SH bestreikt ver.di noch bis Sonntagabend einige kommunale Busunternehmen. Am Freitag hatte sich "Fridays for Future" an den bundesweiten Aktionen beteiligt. mehr

Sie selbst streiken nicht nur, Sie sind auch in der Gewerkschaft ver.di. Was hat Sie zum Eintritt in die Gewerkschaft bewegt?

Steiniger: Der Auslöser war ein Streik im Jahr 2022. Ich wollte nicht wie andere Kollegen, die nicht mitgemacht haben, in eine Außenseiterrolle rutschen. Also bin ich bei ver.di eingetreten. Die Gewerkschaft gleicht den Lohnausfall aus, denn an den Streiktagen bekommt man natürlich kein Gehalt. Sie sorgt auch dafür, dass man nicht von der Leitung abgemahnt werden kann.

Ihnen geht es also vor allem um die Sicherheit, die eine Gewerkschaft bietet?

Steiniger: Nein, ich möchte die Arbeitsbedingungen verbessern. Wir arbeiten hier im Schichtbetrieb. Manchmal sehen wir unsere Familien oder Freunde für einen ganzen Tag nicht. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die bringen ihre Kinder übers Handy ins Bett. Das kann es nicht sein, das muss sich ändern.

Derzeit treten viele junge Menschen in die Gewerkschaft ein. Ver.di hat im vergangenen Jahr erstmals einen Zuwachs an Mitgliedern verzeichnet.

Steiniger: Tatsächlich sind viele junge Kollegen in der Gewerkschaft. Es ist ja auch für uns eine Motivation, dabei zu sein, wenn man dort auch viele Menschen im eigenen Alter trifft.

Weitere Informationen
Teilnehmer bilden ein Herz neben einem großen "Fridays for Future"-Logo während einer Demonstration in der Hamburger Innenstadt. © picture alliance / dpa Foto: Marcus Brandt

Warnstreik bei Hochbahn und VHH in Hamburg beendet

U-Bahnen und Busse fahren seit dem frühen Sonnabendmorgen wieder. Am Freitag demonstrierten die Gewerkschaft ver.di und "Fridays for Future" für einen besseren Nahverkehr. mehr

Werden die Jüngeren denn inzwischen gut integriert? Früher hatte man den Eindruck, die Gewerkschaften kümmern sich nicht sonderlich um den Nachwuchs.

Steiniger: Das hat sich deutlich geändert. Mittlerweile hört man zu, wenn die Jüngeren etwas sagen. Es ist doch so: Ein alter Busfahrer, der fährt seine Linie ab. Ein junger Busfahrer guckt und sieht: "Moment mal, hier kann ich was verbessern, sodass alle etwas davon haben."

Dabei können die Jungen einen anstrengenden Arbeitstag doch meist noch viel besser wegstecken.

Steiniger: Aber wir sind ein Team, wir müssen im Team zusammenhalten. Da bringt es nichts, wenn ich jetzt als schwarzes Schaf sage: Ja, ich könnte noch mehr arbeiten. Nein, definitiv nicht. Wir müssen da was machen, weil wir nicht jünger werden. Das dürfen wir nicht vergessen. Unser Job ist knüppelhart. Natürlich nicht wie der Job eines Maurers oder Dachdeckers, weil wir nicht schleppen oder klettern müssen. Aber wir sitzen neun bis zehn Stunden hinterm Lenkrad, und da lässt die Konzentration irgendwann nach. Diesen Aspekt sollte man auf jeden Fall beachten.

Glauben Sie, dass sich die Arbeitgeber bewegen und ein besseres Angebot machen werden?

Steiniger: Ich hoffe es. Denn so kann es nicht weitergehen. Immer mehr Kolleginnen und Kollegen halten den Druck nicht mehr aus. Als Busfahrer muss man einiges einstecken können. Man wird beleidigt, bespuckt, man wird überfallen. Das war ein großes Thema, auch in Hamburg. Und das alles für dieses Gehalt, das wir bekommen? Da sagen halt viele, "nein danke, da bleibe ich lieber zu Hause".

Das Interview führte Caroline Schmidt.

Weitere Informationen
Ein Plakat mit der Aufschrift "ver.di - Heute Warnstreik" hängt neben einem Transparent der Klima-Bewegung "Fridays for Future" am Zaun eines Busbetriebshofs. © dpa picture alliance/Pic One Foto: Stefan Müller
6 Min

Protestforscher: "Gemeinsames Interesse für gute Klimapolitik"

Dass ver.di und "Fridays for Future" zusammen für ihre Anliegen demonstrieren, sei aber keine Selbstverständlichkeit, sagte der Protestforscher Simon Teune auf NDR Info. 6 Min

Ein Bus der KVG in Kiel steht hinter Absperrband. © Carsten Rehder / dpa-Bildfunk Foto: Carsten Rehder

SH: Kommunale Busfahrer bis Sonntag im Warnstreik

Der Warnstreik bei den privaten Busunternehmen ist zu Ende gegangen. Seit Freitag streiken die Busfahrer im kommunalen Busgewerbe. mehr

Beschäftigte im ÖPNV versammeln sich in Lüneburg zu einer Kundgebung. © NDR Foto: Regina Hamborg

Ver.di und "Fridays for Future" demonstrieren gemeinsam

Laut Gewerkschaft haben sich 3.000 Beschäftigte am Ausstand in Niedersachsen und Bremen beteiligt. mehr

Protesttag von ver.di und Fridays for Future für besseren ÖPNV. © Screenshot
2 Min

Protesttag von ver.di und Fridays for Future für besseren ÖPNV

Die Demonstrierenden fordern längere Ruhezeiten, kürzere Dienste und mehr Urlaub - die Klima-Aktivisten mehr Geld für den ÖPNV. 2 Min

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | NDR Info | 01.03.2024 | 14:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Tarifpolitik

Öffentlicher Nahverkehr

Ein Smartphone mit einem eingeblendeten NDR Screenshot (Montage) © Colourbox Foto: Blackzheep

NDR Info auf WhatsApp - wie abonniere ich die norddeutschen News?

Informieren Sie sich auf dem WhatsApp-Kanal von NDR Info über die wichtigsten Nachrichten und Dokus aus Norddeutschland. mehr

Eine Frau schaut auf einen Monitor mit dem Schriftzug "#NDRfragt" (Montage) © Colourbox

#NDRfragt - das Meinungsbarometer für den Norden

Wir wollen wissen, was die Menschen in Norddeutschland bewegt. Registrieren Sie sich jetzt für das Dialog- und Umfrageportal des NDR! mehr

Mehr Nachrichten

Eine ver.di Fahne weht an einer Bushaltestelle in Kiel. © Onno Eick Foto: Onno Eick

Privates Busgewerbe: Morgen wird in SH gestreikt

Fast 99 Prozent der Stimmberechtigten des OVN hatten für eine Ausweitung der Streiks gestimmt. Nun kündigte die Gewerkschaft ver.di Streiks in ganz Schleswig-Holstein an. mehr