Bis zu 3.000 Euro: Pflege-Eigenanteil erneut kräftig gestiegen
Der Eigenanteil, den Pflegebedürftige tragen müssen, ist bundesweit erneut gestiegen. In Norddeutschland zahlen Betroffene in Bremen und Hamburg am meisten dazu, in Niedersachsen am wenigsten. Pflegeverbände drängen auf Reformen.
Wer im Pflegeheim lebt oder Angehörige dort hat, muss weiterhin kräftig zuzahlen. Der Eigenanteil ist auch zum Jahresbeginn 2025 noch einmal gestiegen - bundesweit von 2.687 auf 2.984 Euro pro Monat während des ersten Jahres im Pflegeheim. Das ergab eine Auswertung des Ersatzkassenverbands (vdek), die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Die regionalen Unterschiede betragen dabei mehrere Hundert Euro - am höchsten lag der Wert in Bremen mit 3.456 Euro, am niedrigsten in Sachsen-Anhalt mit 2.443 Euro.
Die Pflegeversicherung, die am 1. Januar ihren 30. Jahrestag feierte, übernimmt nur einen Teil der anfallenden Heimkosten. Für pflegerische Leistungen, einen Großteil der Investitionskosten der Heime sowie für Unterkunft und Verpflegung zahlen die Bewohnerinnen und Bewohner zu. Zum Jahreswechsel sind sowohl die Beiträge zur Pflegeversicherung um 0,2 Prozentpunkte als auch die Zuweisungen aus der Pflegekasse an die Heime um 4,5 Prozent gestiegen - dennoch bleibt eine große Deckungslücke, die privat finanziert werden muss.
Zuzahlungen in Hamburg um mehr als 400 Euro gestiegen
In Hamburg ist der Eigenanteil für das erste Heimjahr um 403 Euro gestiegen - auf 2.942 Euro. Darin enthalten sind den Berechnungen zufolge 977 Euro für Verpflegung und Unterkunft. Der Rest verteilt sich auf sogenannte Investitionskosten sowie Personal- und Ausbildungskosten. Der vdek fordert, dass die Stadt Hamburg die Investitionskosten selbst übernimmt. Das würde Pflegebedürftige massiv entlasten. Gleiches gelte für die Ausbildungskosten.
Der Verband der Ersatzkassen, zu dem etwa die Techniker Krankenkasse, die Barmer und die DAK-Gesundheit gehören, spricht von einem "ständigen Aufwärtstrend". Weder von der Pflegekasse gezahlte Zuschläge noch eine Erhöhung der Pflegeleistungen zu Jahresbeginn hätten diesen abbremsen können. Die Kosten sinken, je länger die Pflegebedürftigen in den Heimen leben. So müssen sie in Hamburg nach drei Jahren noch etwa 1.960 Euro pro Monat für den Platz zahlen. Doch auch hier sind die Kosten gestiegen. Im Januar 2024 waren es in der Hansestadt noch 187 Euro weniger.
Niedersachsen: Eigenanteil übersteigt Durchschnittsrente deutlich
In Niedersachsen sind im Schnitt 2.639 Euro pro Monat von den Pflegebedürftigen selbst aufzubringen. Im Norden ist das der niedrigste Wert. Gleichwohl sind hier nun 286 Euro mehr zu leisten als vor einem Jahr. Der niedersächsische vdek-Landesleiter Hanno Kummer sagte, es erfülle ihn mit Sorge, dass sich die Kostenspirale erneut weiter nach oben gedreht habe. Ein Heimplatz koste Pflegebedürftige mittlerweile monatlich rund 1.000 Euro mehr als die Durchschnittsrente nach 45 Versicherungsjahren.
Nach einem Jahr Aufenthalt im Heim steigen die Zuschüsse aus der Pflegeversicherung. Bewohner in Niedersachsen müssen dann noch durchschnittlich 2.407 Euro zahlen. Nach zwei Jahren sinkt die Eigenbeteiligung auf 2.099 Euro, ab drei Jahren auf 1.713 Euro monatlich. Das ändert aus Sicht von Kummer nichts am großen Finanzdruck: "Zu den wichtigsten Aufgaben der neuen Bundesregierung zählt eine Pflegereform, um Pflegebedürftige zu entlasten." Auch das Land Niedersachsen sei in der Pflicht, Pflegebedürftige vor finanzieller Überforderung zu schützen. Das Land könne Investitionskosten an Gebäuden von Pflegeheimen und Kosten für die Ausbildung von Pflegefachkräften übernehmen. Dies würde Heimbewohner um mehr als 600 Euro im Monat entlasten.
Schleswig-Holstein: 275 Euro pro Monat mehr beim Eigenanteil
In Schleswig-Holstein stieg der Eigenanteil binnen eines Jahres von 2.503 auf 2.778 Euro. Wer drei Jahre im Heim lebt, kommt mit rund 1.000 Euro weniger weg. Für den Heimplatz sind dann noch 1.882 Euro pro Monat zu zahlen, das sind 139 Euro mehr als im Vorjahr.
Die Diakonie Schleswig-Holstein fordert mit Blick auf die Bundestagswahl eine umfassende Pflegereform. Angesichts des demografischen Wandels seien in den kommenden Jahren immer mehr Menschen auf Pflege angewiesen, wie der Wohlfahrtsverband am Donnerstag mitteilte. Dabei stießen heute schon zahlreiche Einrichtungen finanziell und personell an ihre Grenzen. Arbeitsbedingungen müssten verbessert, die Finanzierung von stationärer und ambulanter Pflege garantiert und pflegende Angehörige abgesichert werden. Außerdem fordern die Diakonie und der Paritätische Wohlfahrtsverband Schleswig-Holstein eine Pflegevollversicherung. Diese würde die Kosten aller pflegebedingten Aufgaben übernehmen. "Am Ende ist es eben eine Solidargemeinschaft, in der wir leben", sagte Michael Saitner, Geschäftsführer vom Paritätischen dem NDR Schleswig-Holstein. Die gesamte Gesellschaft müsse Sorge tragen, dass der Pflegesektor gut aufgestellt ist. "Unsere Forderung ist deshalb, dass alle Menschen in eine solche Pflegevollversicherung einzahlen: Beamte, Selbstständige, Freiberufler - alle Gruppen."
Mecklenburg-Vorpommern: Zweitniedrigster Wert im Norden
Für einen Pflegeheimplatz in Mecklenburg-Vorpommern müssen in diesem Jahr 271 Euro mehr gezahlt werden als noch vor einem Jahr. Statt 2.386 Euro werden nun 2.657 Euro fällig - der zweitniedrigste Wert im Norden. Darin enthalten sind 827 Euro für Verpflegung und Unterkunft. Nach drei Jahren im Heim sind im Nordosten noch 1.619 Euro pro Monat zu zahlen. Das entspricht einer Steigerung von 140 Euro.
"Trotz gestiegener Zuschüsse seitens der Pflegekassen ist es nicht gelungen, den kontinuierlichen Anstieg der Eigenanteile zu stoppen", sagte Claudia Straub, Leiterin der vdek-Landesvertretung MV. "Politik und Gesellschaft sind daher gefordert, nun endlich eine spürbare und nachhaltig wirksame Reform der Pflege in Angriff zu nehmen." Pflege sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und dürfe nicht ausschließlich von einem Teil der Bevölkerung getragen werden.
Appell an Parteien: Nach der Wahl Wort halten und Pflege reformieren
Die vdek-Bundesvorsitzende Ulrike Elsner forderte die im Bundestagswahlkampf konkurrierenden Parteien zum Worthalten auf. Wer danach regiere, müsse die Pflege verlässlich und bezahlbar halten. Die Belastungen der Menschen seien zu hoch, die Eigenbeteiligung gehöre klar begrenzt. Dazu forderte Elsner die Länder unter anderem zur vollen Finanzierung von Bau und Instandhaltung der Heime auf. Scharf kritisierte die Verbandschefin die Praxis, die Kosten auf die Pflegebedürftigen umzulegen. Die Länder hätten für diesen Bereich 2022 nur 876 Millionen Euro gezahlt, die Pflegebedürftigen rund 4,4 Milliarden Euro. Die Übernahme dieser Kosten durch die Länder würde die Pflegebedürftigen nach vdek-Berechnung um im Schnitt 498 Euro pro Monat entlasten.
5,7 Millionen Pflegebedürftige - 800.000 davon in Heimen
Expertinnen und Experten mahnen seit Jahren weitere Reformen im Pflegesystem an. Hintergrund ist die steigende Zahl der Pflegebedürftigen. So waren im Dezember 2023 in Deutschland knapp 5,7 Millionen Menschen pflegebedürftig - nach knapp 5,0 Millionen im Dezember 2021. Der starke Anstieg lag laut Statistischem Bundesamt unter anderem an den Auswirkungen einer Reform von 2017. Seither werden Menschen eher als pflegebedürftig eingestuft als zuvor, etwa Demenzkranke.
Knapp neun von zehn Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt. Die Zahl der in Heimen vollstationär versorgten Pflegebedürftigen stieg von Dezember 2021 bis 2023 leicht um 6.000 auf knapp 800.000.
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