VIDEO: Bildungsmonitor: Das Bildungssystem hat erhebliche Schwächen (1 Min)

Bildungsniveau: Hamburg liegt im Norden weiter vorne

Stand: 30.08.2023 17:30 Uhr

Wie ist es um das Bildungsniveau in den einzelnen Bundesländern bestellt? Zu dieser Frage kommt jedes Jahr der sogenannte INSM-Bildungsmonitor heraus. Die heute vorgestellten Ergebnisse dürften vielen Politikern zu denken geben.

"Das Bildungsniveau in Deutschland hat sich in den vergangenen zehn Jahren dramatisch verschlechtert", so fasst die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) die Ergebnisse des Bildungsmonitors 2023 zusammen. Vor allem in den Bereichen Schulqualität, Integration und Bildungsarmut gebe es negative Entwicklungen. "Die Kitas und Schulen haben noch keine gute Antwort darauf gefunden, dass die Schülerschaft in den vergangenen Jahren deutlich heterogener wurde, ein steigender Anteil zu Hause nicht Deutsch spricht oder nur wenige Bücher im Haushalt besitzt", schreibt Axel Plünnecke, einer der Autoren der Studie. "Die Folge: Die Ergebnisse von Kindern aus Haushalten mit Migrationshintergrund oder von bildungsfernen Haushalten sind besonders stark gesunken."

Es fehle an Qualität beim Ganztag und an gezielter Förderung. "Internationale Vergleiche zeigen, dass es anderen Ländern besser als Deutschland gelingt, den Bildungserfolg von der familiären Herkunft zu entkoppeln", heißt es in der Studie weiter.

Wer ist die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft?

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (Abkürzung: INSM) versteht sich als ein überparteiliches Bündnis aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Sie wirbt für die Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland und gibt Anstöße für eine moderne marktwirtschaftliche Politik. Die INSM wird von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektro-Industrie finanziert.

Länder-Ranking: Das Schlusslicht kommt aus dem Norden

Auffallend ist, dass im Bildungsmonitor 2023 alle Bundesländer eine schlechtere Gesamtbewertung als im Vorjahr erhalten haben. Im Länder-Ranking liegen weiterhin Sachsen, Bayern und Thüringen vorne. Hamburg belegt als bestes norddeutsches Bundesland Rang 4. Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sind im Mittelfeld zu finden. Schlusslicht ist wie im Vorjahr Bremen, hinter Berlin. Für die Vergleichsstudie haben Experten und Expertinnen knapp einhundert verschiedene Aspekte untersucht. Die meisten Zahlen, auf denen der Bildungsmonitor beruht, stammen aus dem Jahr 2021.

Hamburg: Besonders viele Schüler lernen Fremdsprachen

Hamburg kommt im Bildungsmonitor 2023 wieder auf einen guten 4. Platz unter den 16 Bundesländern - so wie im Vorjahr. Gelobt wird, dass an Grundschulen und Berufsschulen häufig Fremdsprachen-Unterricht erteilt wird: Fast alle Grundschülerinnen und Grundschüler in Hamburg (99,5 Prozent) wurden im Jahr 2021 in Fremdsprachen unterrichtet. Damit liegt Hamburg nur knapp hinter Rheinland-Pfalz auf dem zweiten Platz (Bundesdurchschnitt: 58,9 Prozent). Der Anteil der Berufsschülerinnen und Berufsschüler mit Fremdsprachen-Unterricht betrug im Jahr 2021 in der Hansestadt 89,9 Prozent und fiel damit ebenfalls ausgesprochen hoch aus (Bundesdurchschnitt: 36,9 Prozent).

Eine weitere Stärke sei, das fast alle Kinder und Jugendlichen eine Ganztagsschule besuchen. 98,6 Prozent der Hamburger Grundschülerinnen und Grundschüler lernten im Jahr 2021 an einer offenen oder gebundenen Ganztagsschule - im Bundesdurchschnitt sind es nur 47,5 Prozent. Damit steht Hamburg an der Spitze aller Bundesländer. Positiv bewertet wird zudem, dass viele ausländische Jugendliche an allgemeinbildenden Schulen das Abitur erreichen.

Beklagt wird im Bildungsmonitor, dass Hamburg vergleichsweise wenig Geld für die Studierenden an den Hochschulen ausgebe und dass vergleichsweise viele Kinder der 9. Klassen nicht den Mindeststandard in den Naturwissenschaften erreichen.

Niedersachsen: Viele Viertklässler hinken hinterher

Niedersachsen hat sich im Länder-Ranking um einen Platz auf Rang 7 verbessert. Dem Land wird positiv angerechnet, dass die Bildungsausgaben je Grundschul-Kind höher seien als im Bundesdurchschnitt. Außerdem bestehe ein geringer Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und den Kompetenzen der Kinder. Beklagt wird hingegen, dass viele Kinder der 4. Klasse nicht die Mindeststandards erreichen. Zudem würden relativ wenige Grundschülerinnen und Grundschüler in Niedersachsen im Jahr 2021 in Fremdsprachen unterrichtet. Mit 47,9 Prozent lag Niedersachsen unter dem Bundesdurchschnitt von 58,9 Prozent. Der Anteil der Berufsschülerinnen und Berufsschüler mit Fremdsprachen-Unterricht fiel dagegen überdurchschnittlich aus.

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Schleswig-Holstein: Wenige Kita-Kinder in Ganztags-Betreuung

Schleswig-Holstein landet im Länder-Ranking wie im Vorjahr auf Rang 9 der 16 Bundesländer. Stärken weist das Land vor allem an den Grundschulen auf: In Grundschulen erreicht laut Bildungsmonitor ein relativ hoher Anteil der Kinder die Mindeststandards im Lesen. Darüber hinaus sei der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg der Kinder vergleichsweise gering. Und: Die Grundschul-Kinder in Schleswig-Holstein erreichten bundesweit die besten Werte im Hörverstehen.

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Problematisch sei hingegen, dass wenige Kinder die Ganztags-Einrichtungen in Kitas und Schulen besuchen. Bei den Drei- bis Sechsjährigen lag die Ganztagsquote im Jahr 2022 mit 40,3 Prozent unterhalb des Bundesdurchschnitts von 47 Prozent. Deutlich unterdurchschnittlich war auch die Ganztags-Quote bei den Grundschul-Kindern.

Als Reaktion wies Bildungsministerin Karin Prien (CDU) darauf hin, dass Schleswig-Holstein vor allem im Schulbereich seit drei Jahren beachtliche Erfolge erzielt habe, besonders im Kampf gegen Bildungsarmut und bei einer besseren Schulqualität. Der FDP-Fraktionschef im Kieler Landtag, Christopher Vogt, forderte hingegen erhebliche Korrekturen in der Bildungspolitik. Die FDP-Fraktion schlage "eine Grundschul-Offensive und deutlich mehr Tempo beim Ganztagsausbau" vor. Viel bedenklicher als eine nur mittelmäßige Platzierung ist aus Sicht der Bildungsgewerkschaft GEW "der allgemeine Abwärtstrend in der Bildung". Besonders bitter stoße der hohe Anteil an Schülerinnen und Schülern in Schleswig-Holstein ohne Schulabschluss auf.

Mecklenburg-Vorpommern: Besonders viele Promotionen

Mecklenburg-Vorpommern rutscht im Ranking um einen Platz auf Rang 11 ab. Die Gesamtbewertung fällt deutlich schlechter aus als im Vorjahr. Gelobt wird hingegen, dass landesweit viele Kinder eine Ganztags-Kita besuchen: Der Anteil der Drei- bis Sechsjährigen mit einem Ganztags-Kita-Platz lag im Jahr 2022 mit 73,5 Prozent deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 47 Prozent. Weiterer Pluspunkt seien die sehr hohen Promotionsquoten im Land. Hier erreicht Mecklenburg-Vorpommern den Bestwert aller Bundesländer. Dass an allgemeinbildenden Schulen viele ausländische Jugendliche das Abitur machen, wird ebenfalls positiv erwähnt. Negativ bewertet wird, dass viele Ausbildungsverträge vorzeitig aufgelöst werden und vergleichsweise wenige junge Menschen in Informatik ausgebildet werden.

Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) bezeichnete den Bildungsmonitor als nicht aussagekräftig, um das Bildungssystem im Land zu beschreiben und Verbesserungen herbeizuführen. "Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft will mit dem Bildungsmonitor nach eigenen Angaben zeigen, inwieweit das Bildungssystem eines Bundeslandes zum Wachstum und Wohlstand der Wirtschaft beiträgt. Das kann und darf nicht unser primärer Ansatz sein", teilte die Ministerin mit.

Der Bildungsexperte der CDU-Landtags-Fraktion in Schwerin, Torsten Renz, hingegen sieht im Bildungsmonitor ein zuverlässiges Instrument, um Schulqualität zu messen. Die Werte seien alarmierend, Schüler aus Mecklenburg-Vorpommern würden mit einem Rucksack voller Steine ins Rennen starten. FDP-Bildungsexpertin Sabine Enseleit findet, der Bildungsmonitor zeige, wie sehr Bildungschancen vom Wohnort eines Kindes abhingen.

Bremen: Große Abstriche bei der Schulqualität

Bremen rangiert wie im Vorjahr auf dem letzten Platz im Ranking. Auch bei der Schulqualität ist Bremen das Schlusslicht aller Bundesländer. Bei den Vergleichstests der Viertklässlerinnen und Viertklässler liegt Bremen sowohl in Mathematik als auch im Lesen und im Hörverständnis jeweils auf dem letzten Rang. Bemängelt wird zudem, dass nur wenige ausländische junge Menschen das Abitur erreichen. Und vergleichsweise wenige Kinder besuchen einen Ganztags-Kindergarten. Die Studie weist aber auch einige Stärken im Bremer Bildungssystem aus: Zum einen werden gute Betreuungsrelationen in der Sekundarstufe 1 (5. bis 9./10. Klasse) genannt. Zudem heißt es: Bremen bildet viele Informatiker in der beruflichen Bildung und an Hochschulen aus.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | NDR Info | 30.08.2023 | 14:00 Uhr

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