Statt mit von den Kommunen ausgezahltem Bargeld sollen Geflüchtete, die im Asylantragsverfahren sind oder nur einen Duldungsstatus haben, ihre Einkäufe über eine Karte abwickeln. Das Geld soll regelmäßig von den Sozialbehörden an Banken überwiesen werden, die die Karten mit dem Guthaben aufladen.
Geeinigt haben sich die Länder darauf, dass es sich um eine guthabenbasierte Karte mit Debit-Funktion - also ohne Kontobindung - handeln soll, die das Auszahlen von Bargeld ersetzt. Über die Höhe des Barbetrags sowie über weitere Zusatzfunktionen entscheidet jedes Bundesland selbst. Die technischen Möglichkeiten der Bezahlkarte sollen in allen Ländern einheitlich sein. Grundsätzlich soll die Karte bundesweit gelten, Länder können sie aber regional und für bestimmte Branchen einschränken. Nicht vorgesehen sind: ein Einsatz im Ausland, Karte-zu-Karte-Überweisungen und sonstige Überweisungen im In- und Ausland.
Die Ministerpräsidentenkonferenz beschreibt die Ziele so: "Mit der Einführung der Bezahlkarte senken wir den Verwaltungsaufwand bei den Kommunen, unterbinden die Möglichkeit, Geld aus staatlicher Unterstützung in die Herkunftsländer zu überweisen und bekämpfen dadurch die menschenverachtende Schlepperkriminalität." Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ergänzt: "Mit einer Bezahlkarte werden Bargeld-Auszahlungen an Asylbewerberinnen und -bewerber weitgehend entbehrlich."
In Hannover wurde am 8. Dezember 2023 die "SocialCard" vorgestellt. Damit ist Hannover bundesweit Vorreiter bei der Bezahlkarte. Das Geld, das den Menschen nach Asylbewerberleistungsgesetz zusteht, wird als Guthaben monatlich auf die Karte gebucht. Eine Beschränkung der Kartennnutzung gebe es ausdrücklich nicht, betonte Hannovers Bürgermeister Belit Onay (Grüne). Optisch sehen die Karten aus wie jede andere Bezahlkarte - der Flüchtlingsstatus der Nutzer ist beim Bezahlen also nicht erkennbar. Eine Kooperation mit dem Kartenanbieter Visa soll eine hohe Akzeptanz der Karte gewährleisten.
Für die Neuerung sprächen - so die Argumentation - auch verwaltungspraktische Gründe: Die Zahl der monatlich ausgestellten Verpflichtungsscheine sei im Sommer 2022 durch die große Anzahl der Geflüchteten aus der Ukraine auf mehr als 1.100 gestiegen, heißt es vonseiten der Stadt. Die Ausgabe und Einlösung sei mit langen Schlangen vor dem Sozialamt und der Sparkassenfiliale verbunden gewesen. Das gehöre nun der Vergangenheit an, ebenso die Bindung von Personalkapazitäten bei der Ausgabe der Verpflichtungsscheine, sprich: Die Mitarbeitenden sollen sich anderen Aufgaben widmen können.
Bei der Sozialkarte, wie sie in Hamburg heißt, handelt es sich laut Innen- und Sozialbehörde um eine guthabenbasierte Visa-Karte. Ausgegeben wird sie im Amt für Migration. Hamburg ist damit das erste Bundesland, das eine solche Karte ausgibt. Seit dem 15. Februar erhalten neu ankommende Geflüchtete, denen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustehen, in den Erstaufnahmeeinrichtungen die Prepaid-Karte. Jeder Erwachsene erhalte darauf eine monatliche Gutschrift von 185 Euro, mit der Dinge des täglichen Bedarfs eingekauft und bezahlt werden könnten. Leistungen für Kinder würden ebenfalls auf der Karte eines Elternteils gutgeschrieben, so die Behörden. Auch Barabhebungen sind den Angaben zufolge an Geldautomaten möglich - allerdings nur bis zu einem Höchstbetrag von 50 Euro pro Monat - plus 10 Euro für jedes Kind.
Das Land geht nur beim anstehenden Vergabe-Verfahren einen Sonderweg, um die Bezahlkarte schneller einführen zu können als andere Bundesländer. "Inhaltlich" werde sich die Bezahlkarte nicht unterscheiden, teilte das Innenministerium in Schwerin mit. Auch das Bundesland Bayern will einen eigenen Weg gehen.
Das Sozialministerium in Kiel arbeitet nach eigenen Angaben an der konkreten Ausgestaltung der Standards. Es solle eine für Schleswig-Holstein praktikable und diskriminierungsfreie Lösung entwickelt werden. Bargeldabhebungen sollen mit der Karte möglich sein. Die schwarz-grüne Koalition ist sich aber noch uneins über die maximale Auszahlungshöhe.
Der rechtliche Anspruch auf ein "Taschengeld" zur Deckung des "notwendigen persönlichen Bedarfs" richtet sich nach Lebenssituation und Alter der Asylbewerber. In der Erstaufnahme bekommen sie gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz ein Taschengeld von 182 Euro für den persönlichen Bedarf wie Handy-Guthaben oder Busfahrkarten sowie ein Bett und Mahlzeiten gestellt. Leben sie in einer weiterführenden Unterkunft, in der sie sich selbst versorgen müssen, erhalten Alleinstehende 410 Euro. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts bezogen Ende 2022 rund 482.300 Menschen Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Staatliche Bargeld-Zahlungen werden von manchen als ein Anreiz für Migranten gesehen, nach Deutschland zu kommen. Geflüchtete könnten die staatlichen Hilfen an Verwandte in ihren Heimatländern überweisen, so die Auffassung, die vor allem die FDP in der Ampel-Koalition vertritt. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erklärte, die Anreize für "irreguläre" Migration müssten deutlich gesenkt werden. "Die Einführung der bundesweiten Bezahlkarte ist ein Meilenstein." Martin Link vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein spricht von einem fatalen Signal, das die Bundes-FDP sende: "Es wird suggeriert, dass Asylsuchende so satt und reichlich ausgestattet werden, dass sie umfangreiche Heimatzahlungen machen können", sagte Link den "Kieler Nachrichten". Das sei mitnichten so.
Tobias Heidland, Experte für Migration und Kapitalströme in Entwicklungsländern des Instituts für Weltwirtschaft aus Kiel, betont, dass es nicht richtig sei, dass Menschen wegen hoher Sozialleistungen in Deutschland ihr Heimatland verlassen würden. Migration sei sehr komplex und durch einfache Push- und Pull-Faktoren, also schlechte Umstände in der Heimat und gute Umstände im Aufnahmeland, nicht zu erklären. "Es wird zu häufig mit einem Verwaltungsblick auf das Thema geschaut. Dass Veränderungen an einem Paragraphen oder Gesetz in Deutschland einen großen Effekt haben würden, halte ich in vielen Fällen nicht für wahrscheinlich, weil die Information gar nicht zu den Migrant*innen durchsickert."
Die Bezahlkarte ist laut Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) "ganz bestimmt kein Gamechanger". Eine Chipkarte zum Einkaufen würde es zwar Geflüchteten etwas unbequemer machen, Geld in die Heimat zu schicken, dies jedoch nicht verhindern. Niklas Harder, Integrationswissenschaftler des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), sagte bei NDR Info, es sei gar nicht belegbar, dass Geld aus Sozialleistungen ins Ausland überwiesen werde. "Die Begründung scheint mir auf aufgebauschten Anekdoten zu beruhen. Es gibt keine verlässlichen Zahlen, die sagen, das sei ein verbreitetes Phänomen." Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sagt, angekommene Asylbewerber würden selten Geld weiterleiten. "Wir beobachten, dass es erst zu Geldzahlungen kommt, wenn die Menschen hier arbeiten und Geld verdienen." Für die Migrationsentscheidung werde das keine Rolle spielen, das sei "Wunschdenken".